Thüringische Landeszeitung (Gera)
Taschenlampen, Pumpsbrei, Freibier und Bananen
„Bist du eigentlich selbst schon mal mitgelaufen?“, grinste Hans-Georg Kremer, als er mir eine Widmung „in alter Freundschaft“in das neue Buch „50 Jahre Rennsteiglauf“schrieb. „Ach ja, du musstet ja immer arbeiten“, antwortete der Erfinder des Thüringer Sportklassikers, der auch den 51. am Samstag mitmachen wird, für mich.
1985 begann meine „schriftliche“Liebe zum Lauf. Als JournalistikStudent und Mitarbeiter der Thüringer Neuesten Nachrichten durfte ich bei der Hitzeschlacht mit über 30 Grad erstmals dabei sein. Nach der Wende 1990 war ich sogar mal Pressesprecher. Dass der Rennsteiglauf danach fast Insolvenz anmelden musste, lag aber nicht an meinem Honorar.
Auf den fast 300 Buchseiten, die „Chefredakteur“Kremer mit seinem Redaktionskollegium jetzt gefüllt hat, finden sich nach Jahren geordnet spannende Geschichten aus dem halben Lauf-Jahrhundert. Am
Anfang standen vier verrückte Jenaer Studenten, die vor 51 Jahren 100 km über den Rennsteig an einem Tag laufen wollten. Am Ende waren es zwar „nur“84 km vom Bahnhof in Eisenach bis nach Masserberg, doch das Quartett hatte eine Entwicklung ausgelöst, die keiner vorausahnen konnte.
Statt im Krankenwagen im 311er Wartburg heimgekehrt
Hans-Joachim Römhild, der 2016 leider verstarb, schrieb damals über den 12. Mai 1973: „Freitag Fuß verknackst, kann kaum noch auftreten. Am Morgen Pumpsessen (Haferflocken – die Geburtsstunde des Rennsteiglauf-Schleims) bei Hansi (Kremer). Als dann die Straße eine Art Kopfsteinpflaster wurde, gingen wir, da unsere Fußsohlen es nicht aushielten. 90 km gelaufen.“
Christina, die Ehefrau von Jens Wötzel, war sich sicher, dass ihr Mann am Abend „nur mit einem Krankenwagen nach Hause kommen wird“. Er kam im 311er Wartburg, war überraschend frisch und munter, erinnert sie sich im Buch, dass auch im Ziel am Samstag in Schmiedefeld verkauft wird.
Beim zweiten Versuch waren es übrigens acht Aktive. 1975 aber standen dann um 1 Uhr nachts 813 (!) Mutige, viele mit Taschenlampen, am Heuberghaus am Start. Jetzt war die Idee nicht mehr zu stoppen. Meine Zeitung, die TNN aus Weimar, wo ich gerade volontierte, hatte den Siegerpokal gestiftet, der an Wolfgang Kahms von Einheit Pankow ging. Für jeden Läufer gab es damals eine Banane, die Kremers Uni-Kollege Paul Dern aus dem Jenaer „Russenmagazin“beschaffte. Etliche Läufer nahmen die begehrte Südfrucht für ihre Kinder mit nach Hause.
Ab der dritten Auflage ist die Idee nicht mehr zu stoppen
Es folgten Läufe, bei denen die Aktiven gegen Sturm, Sonne, Regen und manchmal auch Schnee kämpften. Am 25. Mai 2013 mussten in Eisenach Autoscheiben freigekratzt werden. Doch immer kämpften sich die meisten ins schönste Ziel der Welt in Schmiedefeld, das Glücksgefühle und oft ein Freibier versprach. Fast eine halbe Million Menschen hat der Rennsteiglauf seit 1973 bewegt.
Die längste Laufstrecke meines Lebens waren übrigens 17 Kilometer 1983 auf einem Kasernenhof in Torgelow. Ich habe dann aufgehört, weil es langweilig wurde und die Sonne unterging. Jetzt bin ich 60. Und wenn ich so auf den Trend beim Rennsteiglauf mit dem Wanderboom schaue, könnte ich vielleicht als Rentner doch noch mal eine Meldung abgeben. 17 Kilometer mit Stöcken und meiner Frau als Stütze, die sind vielleicht noch drin.