Thüringische Landeszeitung (Gera)
Wollen Sie als Aushängeschild für Weimar posieren?
Kaum ist ihr Fuß verheilt, tanzen Sie wieder auf vielen Hochzeiten, Herr Thieme! Und das mit fast 76!
Viele Hochzeiten?
Na, im Kinderfilm „Max und die Wilde 7“sieht man Sie als pensionierten Fußballtrainer. Im Juli beginnen die Proben zum Weimarer „Jedermann“. Und wie ich höre, wirken Sie auch in Karlheinz Stockhausens Musikdrama „Originale“am Deutschen Nationaltheater mit. Warum?
Weil ich beide, den Komponisten Stockhausen als auch die Regisseurin Andrea Moses, sehr schätze. Frau Moses und ich wären ja fast mal an der Wiener Staatsoper zusammengekommen. Sie hat inszeniert und ich sollte was sprechen. Dann bin ich krank geworden.
Und jetzt hat Andrea Moses Sie als eines von mehr als einem Dutzend Weimarer Originalen besetzt. Was ist denn ein Weimarer Original?
Gute Frage. Ich kenne nur eins, das Rock-Urgestein Kani. Wenn Kani durch die Gassen geht, gibt es an jeder Ecke großes Hallo. Doch der ist nicht mit dabei.
Rock’n’Roll passt vielleicht nicht zu Neuer Musik.
Kann sein, dass Stockhausen keinen Rock’n’Roller vorgesehen hat.
Schauspieler sind jedenfalls vorgesehen.
Tut mir leid, wenn ich an dieser Stelle persönlich werde, lieber Herr Thieme. Den Weimar-Preis haben Sie abgelehnt, aber als Aushängeschild für die Stadt wollen Sie posieren?
Lieber Herr Quilitzsch, ich bin doch nicht das Aushängeschild! Ich tue mich schwer mit dem Begriff „Original“, aber ich kann ja nun nicht die Überschrift ändern, bloß weil ich da mitspiele. Gut, ich bin in Weimar geboren, und wenn die charmante Frau Moses glaubt, dass ich mit fast 76 ein Original bin, freut mich das natürlich. Ich habe ihr gesagt,
dass es noch andere gibt. So sind der Kutscher Grobe und der Schauspieler Dominique Horwitz dazugekommen.
Wir wollen Elke Wieditz nicht vergessen, die viele Jahre das Gretchen im „Faust“gewesen ist.
Frau Wieditz, würde ich sagen, vertritt als Original das DNT.
Und was tun Sie als Original? Stellen Sie sich unters Goethe- und SchillerDenkmal?
Keine Ahnung. Da vertraue ich ganz der Regisseurin. Ich bin großer Verehrer von Stockhausen, weil er die E-Musik radikal verändert hat. Arnold Schönberg, John Cage und andere natürlich mit. In „Originale“gibt es eine Partitur, die wie ein strenger Bauplan funktioniert. Das findet statt, das, das und das findet statt. Und dazu jeweils eine Minutenzahl. Wir arbeiten praktisch gegen die Uhr. Bei der Probe werde ich erfahren, ob ich dazu überhaupt in der Lage bin. Aber noch mal: Es ist Stockhausen und es ist Frau Moses…
Ein Liebesdienst also.
Ein Verehrungsdienst. Stockhausen ist übrigens nicht der Komponist, den man liebt. Er ist eher jemand, bei dem man staunt. Aber so richtig durchgesetzt hat sich die Neue Musik bis heute nicht.
Vielleicht gelingt dies ja mit den Originalen von Weimar.
Wir werden Stockhausen unheimlich weit nach vorne katapultieren.