Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Junge Union kritisiert de Maizière
CDU-Nachwuchs will LinksextremismusDatei
Die Junge Union Thüringen fordert einen bundesweiten Austausch über linksextreme Straftäter. „Wir wollen eine gemeinsame Verbunddatei „Linksextremismus“nach dem Vorbild der bestehenden Antiterrordatei und Rechtsextremismusdatei, in der die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ihre Erkenntnisse zu Personen und Gruppierungen mit Bezug zum gewaltorientierten Linksextremismus erfassen“, sagte JU-Landeschef Stefan Gruhner im Gespräch mit dieser Zeitung.
Beim Landestag des CDU-Nachwuchses in Nordhausen an diesem Wochenende soll ein umfangreicher Leitantrag zum Thema innere Sicherheit verabschiedet werden.
„Wir sprechen uns dafür aus, dass der Verfassungsschutz an Messengerdienste wie WhatsApp, Facebook etc. rankommt. Es geht um eine Anpassung des Instrumentenkastens des Verfassungsschutzes an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters“, so Gruhner. Die Junge Union stärkt mit dieser Forderung die Position von Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer. Der SPD-Mann stößt damit aber in der Koalition vor allem bei Linken und Grünen auf Widerstand.
Heftige Kritik übte Gruhner, der auch für die CDU im Thüringer Landtag sitzt, an Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Bezug auf das Burka-Verbot. „Ich hätte von de Maizière erwartet, dass er die Diskussion nicht sofort mit Verweis auf verfassungsrechtliche Bedenken abwürgt. Das war absolut unsensibel. Dieser Stil wird dem eines CDU-Innenministers nicht gerecht“, sagte er. Gruhner warnte davor, die innere Sicherheit, als Markenkern der Union, zu gefährden und der AfD in die Hände zu spielen.
„Ich bin für ein BurkaVerbot. Dieses Unterdrückungssymbol der Frau hat in Deutschland nichts zu suchen.” JULandeschef Stefan Gruhner
Stefan Gruhner ist CDU-Landtagsabgeordneter und im Ehrenamt seit 2010 Landesvorsitzender der Jungen Union Thüringen. Die knapp 1800 Mitglieder starke CDUNachwuchsorganisation trifft sich Samstag und Sonntag zu ihrem Landestag in Nordhausen. Insgesamt werden 150 Delegierte und Gäste erwartet. Wir sprachen mit dem 31-Jähren über innere Sicherheit.
Herr Gruhner, zum JULandestag am Wochenende haben Sie den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) eingeladen. Er fordert den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern und findet damit in der Union bislang keine Mehrheit…
… was ich sehr bedauere. Ich bin generell dafür, dass die Bundeswehr auch innerhalb Deutschlands zum Einsatz kommt. Wir können doch nicht ignorieren, dass die Polizei mittlerweile an der Belastungsgrenze ist und daher bei bestimmten Aufgaben Unterstützung braucht. In anderen europäischen Ländern funktioniert das auch reibungslos.
An welche Aufgaben denken Sie?
Ich kann mir vorstellen, dass Bundeswehrsoldaten, wie Feldjäger bei Verkehrskontrollen unterstützen, logistische Unterstützung mit gepanzerten Fahrzeugen in Terrorlagen erfolgt oder Aufgaben des Objektschutzes in Deutschland übernehmen, beispielsweise an Flughäfen, Bahnhöfen und anderen öffentlichen, stark frequentierten Einrichtungen.
Um die Polizei in Thüringen zu entlasten, wollen sie die Beamten nicht nur von Aufgaben entbinden.
Es geht um unterstützen, nicht um entbinden. Unabhängig davon, dass mehr Polizisten eingestellt werden sollten und dafür die Ausbildungskapazitäten erhöht werden müssen, wollen wir die Einsatzfähigkeit optimieren.
Durch private Hilfspolizisten?
Vielleicht. Wir nennen in unserem Leitantrag, den der Vorstand ausgearbeitet hat, auch die Option einer Hilfspolizei, wie es sie unter anderem in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gibt. Aber das haben wir noch nicht abschließend entschieden. Hier gibt es eine kontroverse Debatte.
Geben Sie es doch zu: Eigentlich wollen Sie durch eine „Polizei light“nur die Kosten drücken?
Sicher nicht. Die Wachpolizei darf auf Dauer kein Mittel sein, Einsparungen bei verbeamteten Polizeivollzugsbediensteten zu erreichen. Sie könnte aber vorübergehend ein Instrument sein, das Sicherheitsempfinden der Menschen gerade im ländlichen Raum zu steigern.
Über gemeinsame Terrorübungen von Polizei und Bun deswehr verständigen sich zurzeit der Bund und einige Bundesländer. Sollte Thüringen sich hier beteiligen?
Auf jeden Fall. Thüringen ist keine Insel, auch im Freistaat können Terrorlagen entstehen, die den Einsatz der Bundeswehr erfordern. Deshalb sage ich klipp und klar: Thüringen sollte oder muss sich sogar an einer solchen gemeinsamen Übung beteiligen.
In Ihrer Partei wurde zuletzt heftig über ein generelles BurkaVerbot gestritten. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich schließlich durchgesetzt, und nun ist nur noch von einem Teilverbot die Rede.
Ich bin für ein generelles BurkaVerbot. Dieses Unterdrückungssymbol der Frau hat in Deutschland nichts zu suchen.
Aber ein BurkaVerbot macht Deutschland doch nicht sicherer.
Das mag sein. Dennoch hätte ich von de Maizière erwartet, dass er die Diskussion nicht sofort mit Verweis auf verfassungsrechtliche Bedenken abwürgt. Das war absolut unsensibel. Dieser Stil wird dem eines CDU-Innenministers nicht gerecht. Die Menschen erwarten gerade jetzt von der Union klare Zeichen und ein Eintreten für unsere Leitkultur, zu der die Burka sicher nicht gehört. Noch mal: Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern ein Unterdrückungssymbol. Wir führen über diese Fragen viel zu wenig Debatten und spielen so der AfD in die Hände. Es geht um Symbolik und auch um innere Sicherheit. Und gerade im Bund fehlen uns auf diesem Politikfeld die profilierten Köpfe. Damit ist ein Markenkern der Union in Gefahr.
Das Agieren von Teilen der Union wirkt ein bisschen wie der verzweifelte Versuch, sich bei der AfD anzubiedern, um deren Sympathisanten als Wähler zurückzugewinnen.
Das ist ganz und gar nicht der Fall. CDU und CSU stehen für einen sicheren Staat. Die AfD hat nur Hetze gegen Flüchtlinge und populistische Parolen zu bieten. Das hat mit innerer Sicherheit nichts zu tun. Das Agieren der AfD gefährdet sogar den Frieden im Land.
Haben Sie, um ihren Markenkern zu betonen, die innere Sicherheit zum bestimmenden Thema ihres Landestages gemacht?
Sicher geht es uns auch um Profilverschärfung. Unser Leitantrag trägt deshalb die Überschrift „Freiheit leben. Sicherheit fühlen“, weil Freiheit und Sicherheit zusammengehören. Wir beziehen klar Stellung zu den Themen, die viele umtreiben und greifen darin auch Sorgen beispielsweise von jungen Polizisten und Polizeianwärtern auf.
Sie stellen sich mit ihrem Papier unter anderem hinter den Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer.
Das stimmt. Wir fordern unter anderem die notwendige Ausstattung der Verfassungsschutzbehörden mit der Befugnis zur Online-Durchsuchung beziehungsweise Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
Das heißt übersetzt?
Wir sprechen uns dafür aus, dass der Verfassungsschutz an Messengerdienste wie WhatsApp, Facebook etc. rankommt. Es geht um eine Anpassung des Instrumentenkastens des Verfassungsschutzes an die Gegebenheiten des digitalen Zeitalters. Das will auch der SPDMann Kramer, aber Linke und Grüne in Thüringen nicht.
Sie sehen ein gestiegenes Bedrohungspotenzial durch linke Extremisten?
Das ist keine Erfindung von uns, sondern durch Fakten belegt. 2015 erreichten politisch motivierte Straftaten in ganz Deutschland in der linken Szene mit einem Anstieg von mehr als 18 Prozent einschließlich von Gewaltdelikten einen Höchststand.
Sie verschweigen dabei, dass der Anstieg rechter Straftaten deutschlandweit bei knapp 35 Prozent lag.
Das leugne ich doch gar nicht. Aber für diese Fälle gibt es schon einen bundesweiten Austausch, den wir auch für die Gefahr des Linksextremismus einfordern. Wir wollen deshalb eine gemeinsame Verbunddatei „Linksextremismus“nach dem Vorbild der bestehenden Antiterrordatei und Rechtsextremismusdatei, in der die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ihre Erkenntnisse zu Personen und Gruppierungen mit Bezug zum gewaltorientierten Linksextremismus erfassen.
Bisher existiert keine länderübergreifende Datenbank, in der entsprechende Informationen erfasst oder abgefragt werden können?
Richtig. Polizei und Nachrichtendienste müssen ihre Erkenntnisse aus unserer Sicht aber besonders vor Demonstrationen gemeinsam und möglichst ohne Zeitverluste abgleichen, um entsprechend reagieren zu können.
Aber Linksextremisten sind momentan doch wirklich nicht unser größtes Problem.
Jeder Extremist ist Mist. Und deswegen darf man sie als Problem nicht ausblenden und auf dem linken Auge blind sein. Wir wenden uns als Junge Union Thüringen gegen jede Form des Extremismus und wollen auch, dass härter gegen alle Menschen durchgegriffen wird, die unseren Staat bekämpfen.
Bitte werden Sie doch konkret. Zum Beispiel? Warum das denn?
Wir setzen uns für den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit bei Personen ein, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben und sich als Kämpfer internationalen Terrororganisationen anschließen und schwere Straftaten verüben wollen. Die CDU/CSU-Bundestagfraktion soll dazu einen Gesetzesentwurf vorlegen.
Sie bewegen sich mit dem Leitantrag überraschend viel auf dem bundespolitischen Spielfeld.
Nur bedingt. Auch in Thüringen sehen wir ausreichend Handlungsbedarf. Nach dem Vorbild vorhandener Präventions- und Aussteigerangebote im Bereich des Rechtsextremismus sollte in Thüringen ein Kompetenzzentrum Islamismus eingerichtet werden. Diese Struktur würde dem realen Bedrohungspotenzial von Extremismus eher gerecht werden als eine überflüssige Informationsund Dokumentationsstelle für Menschenrechte. Ein Präventionsnetzwerk mit Aussteigerprogrammen ist in Thüringen erforderlich, da auch entsprechende Ausreisen von jungen Thüringern in die Krisenregion Syrien/Irak erfolgt sind oder weitere Radikalisierungstendenzen nicht ausgeschlossen werden können. Außerdem fordern wir, wie der Verfassungsschutzpräsident, dass wir wieder V-Leute einsetzen. Die Abschaltung der V-Leute durch rot-rotgrüne Landesregierung ist ein Sicherheitsrisiko.