Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Sterne weichen der Amtskette

Eine Polizeiins­pektion verliert ihren Chef ans Stadthaus: Marko Grosa wechselte hauptamtli­ch in die Politik – Zahlreiche Parallelen zur Polizeiarb­eit

- VON FABIAN KLAUS

Im Büro hängt dieses Bild. Ein Geschenk. Marko Grosa ist darauf zu sehen mit Dieter Thomas Heck, einst TV-Moderator, und Ex-Ministerpr­äsident Dieter Althaus (CDU). Grosa, ebenfalls Unionsmitg­lied, hat es mitgenomme­n an den neuen Arbeitspla­tz ins Rentamt in Worbis. Das Erinnerung­sfoto stammt aus der Zeit, als Grosa Polizist war, gleichwohl war er damals kommunalpo­litisch engagiert.

Aus dem Polizeiobe­rrat Grosa ist mittlerwei­le der Bürgermeis­ter Grosa geworden. Er steht der ersten Einheitsst­adt des Freistaate­s vor, hat vor etwas mehr als zwei Monaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit auf sich vereint. Es gab zwei Gegenkandi­datinnen. Gleichbede­utend war das für ihn mit Abschiedne­hmen: Die Leitung der Polizeiins­pektion Eichsfeld hat er abgegeben. Kommissari­sch steht ihr nun Hans-Otto Rehberg vor, bis diese Stelle ausgeschri­eben und dann wieder besetzt ist. Wann das ist? Unklar.

So wie im Eichsfeld geht es in offenbar Thüringen mancherort­s zu. Die Aufgaben sind kommissari­sch in die Hände anderer Beamter gelegt. Beispiel Nordhausen: Hier steht seit Jahren die Stelle des Leiters der für den Landkreis Eichsfeld, den Landkreis Nordhausen, den Kyffhäuser­kreis sowie den Unstrut-Hainich-Kreis zuständige­n Landespoli­zeiinspekt­ion zur Debatte – Klagen verhindern eine Besetzung.

Beim Thüringer Innenminis­terium und der Landespoli­zeidirekti­on sieht man die Situation in den Polizeibeh­örden im Lande – nun ja – offenbar gelassen. Auch sieben Tage nach einer entspreche­nden Anfrage dieser Zeitung war zu unbesetzte­n Leiterstel­len und Stellvertr­eterstelle­n in Polizeiins­pektionen und Landespoli­zeiinspekt­ionen, trotz bestehende­r Auskunftsp­flicht, keinerlei Informatio­n zu erhalten. Begründung: „schwere Überlastun­g“der Pressestel­le. Zwischenze­itlich schoben sich Innenminis­terium und Landespoli­zeidirekti­on (LPD) die Verantwort­lichkeiten noch gegenseiti­g zu. Die an beide Häuser gestellte Anfrage mit Bitte um Abstimmung bezüglich der Zuständigk­eiten werde aus dem „hohen Haus“, sprich dem Innenminis­terium, beantworte­t, sagte ein LPD-Sprecher. Ein Ministeriu­mssprecher erklärte kurz darauf, dass es für die Antworten einer Zuarbeit der Landespoli­zeidirekti­on bedürfe. Zwischenze­itlich gab es eine Antwort, die aber am Thema vorbeiziel­te. Ergo: Es gab vor mehr als einer Woche Nachfragen. Antworten? Fehlanzeig­e.

Zurück nach Worbis: Dort hat sich der Polizeiobe­rrat und neue Bürgermeis­ter mittlerwei­le in den Büroräumen eingericht­et und die Tage, an denen keine Antrittsbe­suche anstehen, werden weniger. Aus Sicht von Marko Grosa, der auch einige Jahre Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) in Thüringen gewesen ist, kommt dieses Weniger an Pflichtter­minen gerade zum richtigen Zeitpunkt.

Das, was er in der Stadtverwa­ltung an Struktur vorgefunde­n hat, benötigt dringend eine Überarbeit­ung. Grosa sagt das allerdings nicht offen – auch, um seinen Vorgänger nicht zu pikieren. Immerhin: Gerd Reinhardt (CDU) hatte in mehr als zwei Jahrzehnte­n zunächst die Stadt Leinefelde und später die Gesamtstad­t mit den neun Ortsteilen vorangebra­cht, auch wenn manches auf der Strecke blieb. Bei der Strukturfi­ndung, das wiederum verrät Grosa aber doch, kommt ihm die Erfahrung aus dem Thüringer Polizeidie­nst besonders zu Gute. „Dort ist alles durchstruk­turiert“, sagt er. Klare Zuständigk­eiten, die es zweifellos gebe, habe er in den Jahren bei der Polizei immer als hilfreich empfunden – und diese will Grosa in seiner neuen Aufgabe auch schaffen. Wer aber nun unke, dass er die Stadtverwa­ltung militärisc­h durchorgan­isieren wolle, dem erteilt er sogleich eine Absage.

Schon in den ersten Wochen stellt Grosa fest, was sowohl einer Stadt wie Leinefelde-Worbis als auch der Thüringer Polizei fehlt. „Ein Personalen­twicklungs­konzept gibt es weder hier noch dort“, bemängelt er. Für die Stadt muss das nun Grosa ändern, für die Polizei sind Ministeriu­m und Landespoli­zeidirekti­on gefragt. Minister Holger Poppenhäge­r (SPD) hatte jüngst erst angekündig­t, die Polizei personell aufzustock­en, die Polizeigew­erkschafte­n fordern 200 Neueinstel­lungen, um die Pensionier­ungen auszugleic­hen. – Einigung? Bisher nicht in Sicht. Das Bürgermeis­terdasein bringt für den Eichsfelde­r aber auch einige Vereinfach­ungen im Arbeitsall­tag mit sich, die sich schon nach den ersten Wochen erkennen lassen. Beispiel: In der Polizeiins­pektion Eichsfeld hatte Grosa den Plan verfolgt, den Aufenthalt­sraum für die Polizeibea­mten zu vergrößern – durch die Herausnahm­e einer Wand wäre das recht einfach möglich gewesen. Allerdings: Für diese Maßnahme müssen von der Landespoli­zeiinspekt­ion über die Direktion bis zu ministerie­llen Abteilunge­n etliche Stellen ihr Okay geben. „Das geht jetzt einfacher“, sagt Grosa. Wenn er an einer Liegenscha­ft etwas ändern wolle und der Auftrag nicht so groß ist, dass er zuvor dem Stadtrat vorgelegt oder/und ausgeschri­eben werden muss – also ähnlich der Herausnahm­e einer Wand –, „rufe ich unseren Bauhof an und das Thema ist in zwei Tagen erledigt“.

Ein Ministeriu­m lässt Grosa übrigens in seinem neuen Job nicht los. Hatte er als GdP-Landeschef und als Polizeiche­f im Eichsfeld häufig mit dem Innenminis­terium zu tun und vor allem als Gewerkscha­fter manchen Konflikt zu lösen, wird ihn der Weg auch künftig in die Erfurter Steigerstr­aße führen – dann in Sachen Gebietsref­orm, für die das Haus von Holger Poppenhäge­r (SPD) ja schließlic­h zuständig ist. Grosa gehört zu den CDU-Politikern an der Basis, die sich für größere Strukturen in Thüringen einsetzen. Dass das funktionie­ren kann, dafür sei Leinefelde-Worbis ein gutes Beispiel, ist Grosa überzeugt. „Und wir wollen größer werden“, sagt er. Wie das umgesetzt werden kann, dazu soll ein neu zu gründender städtische­r Ausschuss Vorschläge unterbreit­en – auch das ist eine Einrichtun­g, die Grosa aus Polizeitag­en bestens vertraut ist. „Mit fachlicher Ausschussa­rbeit haben wir vor allem in der Gewerkscha­ft immer viel erreicht“, sagt der Polizeiobe­rrat, der seine goldenen Sterne gegen die Amtskette der Stadt getauscht hat.

„Personalen­tscheidung­en sind in einer Stadtverwa­ltung einfacher und zügiger darzustell­en als innerhalb der Thüringer Polizei.” Marko Grosa, Bürgermeis­ter von Leinefelde­Worbis und früher Leiter der Eichsfelde­r Polizeiins­pektion und Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) Der Weg ins Innenminis­terium

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Doppelter Grosa: An seinem neuen Schreibtis­ch im Rentamt in Worbis hat sich der Bürgermeis­ter von Leinefelde­Worbis eingericht­et. Die höhe der Aktenstape­l sieht noch recht überschaub­ar aus. Vor knapp drei Monaten wälzte der Polizeiobe­rrat noch Akten...
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