Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Sterne weichen der Amtskette
Eine Polizeiinspektion verliert ihren Chef ans Stadthaus: Marko Grosa wechselte hauptamtlich in die Politik – Zahlreiche Parallelen zur Polizeiarbeit
Im Büro hängt dieses Bild. Ein Geschenk. Marko Grosa ist darauf zu sehen mit Dieter Thomas Heck, einst TV-Moderator, und Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Grosa, ebenfalls Unionsmitglied, hat es mitgenommen an den neuen Arbeitsplatz ins Rentamt in Worbis. Das Erinnerungsfoto stammt aus der Zeit, als Grosa Polizist war, gleichwohl war er damals kommunalpolitisch engagiert.
Aus dem Polizeioberrat Grosa ist mittlerweile der Bürgermeister Grosa geworden. Er steht der ersten Einheitsstadt des Freistaates vor, hat vor etwas mehr als zwei Monaten im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit auf sich vereint. Es gab zwei Gegenkandidatinnen. Gleichbedeutend war das für ihn mit Abschiednehmen: Die Leitung der Polizeiinspektion Eichsfeld hat er abgegeben. Kommissarisch steht ihr nun Hans-Otto Rehberg vor, bis diese Stelle ausgeschrieben und dann wieder besetzt ist. Wann das ist? Unklar.
So wie im Eichsfeld geht es in offenbar Thüringen mancherorts zu. Die Aufgaben sind kommissarisch in die Hände anderer Beamter gelegt. Beispiel Nordhausen: Hier steht seit Jahren die Stelle des Leiters der für den Landkreis Eichsfeld, den Landkreis Nordhausen, den Kyffhäuserkreis sowie den Unstrut-Hainich-Kreis zuständigen Landespolizeiinspektion zur Debatte – Klagen verhindern eine Besetzung.
Beim Thüringer Innenministerium und der Landespolizeidirektion sieht man die Situation in den Polizeibehörden im Lande – nun ja – offenbar gelassen. Auch sieben Tage nach einer entsprechenden Anfrage dieser Zeitung war zu unbesetzten Leiterstellen und Stellvertreterstellen in Polizeiinspektionen und Landespolizeiinspektionen, trotz bestehender Auskunftspflicht, keinerlei Information zu erhalten. Begründung: „schwere Überlastung“der Pressestelle. Zwischenzeitlich schoben sich Innenministerium und Landespolizeidirektion (LPD) die Verantwortlichkeiten noch gegenseitig zu. Die an beide Häuser gestellte Anfrage mit Bitte um Abstimmung bezüglich der Zuständigkeiten werde aus dem „hohen Haus“, sprich dem Innenministerium, beantwortet, sagte ein LPD-Sprecher. Ein Ministeriumssprecher erklärte kurz darauf, dass es für die Antworten einer Zuarbeit der Landespolizeidirektion bedürfe. Zwischenzeitlich gab es eine Antwort, die aber am Thema vorbeizielte. Ergo: Es gab vor mehr als einer Woche Nachfragen. Antworten? Fehlanzeige.
Zurück nach Worbis: Dort hat sich der Polizeioberrat und neue Bürgermeister mittlerweile in den Büroräumen eingerichtet und die Tage, an denen keine Antrittsbesuche anstehen, werden weniger. Aus Sicht von Marko Grosa, der auch einige Jahre Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Thüringen gewesen ist, kommt dieses Weniger an Pflichtterminen gerade zum richtigen Zeitpunkt.
Das, was er in der Stadtverwaltung an Struktur vorgefunden hat, benötigt dringend eine Überarbeitung. Grosa sagt das allerdings nicht offen – auch, um seinen Vorgänger nicht zu pikieren. Immerhin: Gerd Reinhardt (CDU) hatte in mehr als zwei Jahrzehnten zunächst die Stadt Leinefelde und später die Gesamtstadt mit den neun Ortsteilen vorangebracht, auch wenn manches auf der Strecke blieb. Bei der Strukturfindung, das wiederum verrät Grosa aber doch, kommt ihm die Erfahrung aus dem Thüringer Polizeidienst besonders zu Gute. „Dort ist alles durchstrukturiert“, sagt er. Klare Zuständigkeiten, die es zweifellos gebe, habe er in den Jahren bei der Polizei immer als hilfreich empfunden – und diese will Grosa in seiner neuen Aufgabe auch schaffen. Wer aber nun unke, dass er die Stadtverwaltung militärisch durchorganisieren wolle, dem erteilt er sogleich eine Absage.
Schon in den ersten Wochen stellt Grosa fest, was sowohl einer Stadt wie Leinefelde-Worbis als auch der Thüringer Polizei fehlt. „Ein Personalentwicklungskonzept gibt es weder hier noch dort“, bemängelt er. Für die Stadt muss das nun Grosa ändern, für die Polizei sind Ministerium und Landespolizeidirektion gefragt. Minister Holger Poppenhäger (SPD) hatte jüngst erst angekündigt, die Polizei personell aufzustocken, die Polizeigewerkschaften fordern 200 Neueinstellungen, um die Pensionierungen auszugleichen. – Einigung? Bisher nicht in Sicht. Das Bürgermeisterdasein bringt für den Eichsfelder aber auch einige Vereinfachungen im Arbeitsalltag mit sich, die sich schon nach den ersten Wochen erkennen lassen. Beispiel: In der Polizeiinspektion Eichsfeld hatte Grosa den Plan verfolgt, den Aufenthaltsraum für die Polizeibeamten zu vergrößern – durch die Herausnahme einer Wand wäre das recht einfach möglich gewesen. Allerdings: Für diese Maßnahme müssen von der Landespolizeiinspektion über die Direktion bis zu ministeriellen Abteilungen etliche Stellen ihr Okay geben. „Das geht jetzt einfacher“, sagt Grosa. Wenn er an einer Liegenschaft etwas ändern wolle und der Auftrag nicht so groß ist, dass er zuvor dem Stadtrat vorgelegt oder/und ausgeschrieben werden muss – also ähnlich der Herausnahme einer Wand –, „rufe ich unseren Bauhof an und das Thema ist in zwei Tagen erledigt“.
Ein Ministerium lässt Grosa übrigens in seinem neuen Job nicht los. Hatte er als GdP-Landeschef und als Polizeichef im Eichsfeld häufig mit dem Innenministerium zu tun und vor allem als Gewerkschafter manchen Konflikt zu lösen, wird ihn der Weg auch künftig in die Erfurter Steigerstraße führen – dann in Sachen Gebietsreform, für die das Haus von Holger Poppenhäger (SPD) ja schließlich zuständig ist. Grosa gehört zu den CDU-Politikern an der Basis, die sich für größere Strukturen in Thüringen einsetzen. Dass das funktionieren kann, dafür sei Leinefelde-Worbis ein gutes Beispiel, ist Grosa überzeugt. „Und wir wollen größer werden“, sagt er. Wie das umgesetzt werden kann, dazu soll ein neu zu gründender städtischer Ausschuss Vorschläge unterbreiten – auch das ist eine Einrichtung, die Grosa aus Polizeitagen bestens vertraut ist. „Mit fachlicher Ausschussarbeit haben wir vor allem in der Gewerkschaft immer viel erreicht“, sagt der Polizeioberrat, der seine goldenen Sterne gegen die Amtskette der Stadt getauscht hat.
„Personalentscheidungen sind in einer Stadtverwaltung einfacher und zügiger darzustellen als innerhalb der Thüringer Polizei.” Marko Grosa, Bürgermeister von LeinefeldeWorbis und früher Leiter der Eichsfelder Polizeiinspektion und Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Der Weg ins Innenministerium