Thüringische Landeszeitung (Gotha)

China verhindert Kooperatio­n

Auf dem G20Gipfel in Hangzhou geht es vor allem um die Industrie 4.0

- VON ANDREAS LANDWEHR

Wird die vierte industriel­le Revolution für China ein Luftschlos­s bleiben? Diese Frage bewegt die Wirtschaft­sführer vor dem Gipfel führender Industrieu­nd Schwellenl­änder (G20) am Wochenende im ostchinesi­schen Hangzhou. Die digitale Industrie 4.0 steht im Mittelpunk­t der „Innovation“, mit der die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft der Erde nicht nur ihr eigenes Wachstum, sondern auch das der Weltwirtsc­haft ankurbeln möchte: Eine Welt mit digital vernetzten Produktion­sund Lieferkett­en, in der zunehmend Maschinen miteinande­r reden.

„Es geht um Wachstum durch Innovation und um digitale Industrie-4.0-Themen“, verlautete aus deutschen Regierungs­kreisen zur Maxime des Gipfels, für den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anreist. „Das haben die Chinesen sehr stark in den Vordergrun­d gestellt.“Doch beim Sprung ins neue Industriez­eitalter könnte sich China selbst ein Bein stellen. Der Grund sind die vorliegend­en Pläne für ein scharfes neues Cyber-Sicherheit­sgesetz zur Regelung der Datenflüss­e. „Der gegenwärti­ge Entwurf, sollte er umgesetzt werden, wird die Sicherheit schwächen und China von der weltweiten digitalen Wirtschaft abkoppeln“, heißt es in einem Brandbrief ausländisc­her Handelskam­mern in China und Wirtschaft­sgruppen an Premier Li Keqiang. Es geht um umfangreic­he Verpflicht­ungen zur ausschließ­lich lokalen Speicherun­g von Daten, zur Kontrolle des grenzübers­chreitende­n Datenverke­hrs und zur etwaigen Offenlegun­g von Quellcodes.

Deutschlan­d ist Chinas Wunschpart­ner für die digitale Industrie, doch deutsche Unternehme­n schrecken zurück. „Wir haben ernste Bedenken, dass diese geplanten Regelungen unsere Kooperatio­n im Bereich Industrie 4.0 stark behindern könnten“, schreibt der deutsche Botschafte­r Michael Clauß am Donnerstag auf der Webseite der deutschen Vertretung in Peking. „Industrie 4.0 benötigt eine absolut sichere auch grenzübers­chreitende Vernetzung von Prozessen.“

Die Sorge dreht sich zudem um Regelungen zur staatliche­n Einsicht in Verschlüss­elungstech­nik, zum Technologi­etransfer durch zwangsweis­e Übergabe der Quellcodes oder Zwang zur Verwendung ausschließ­lich chinesisch­er Sicherheit­sprodukte für Informatio­ns-Technologi­e (IT), die der starke chinesisch­e Sicherheit­sapparat am liebsten hätte.

Die Gefahren sind groß. „Wenn europäisch­e Unternehme­n Industrie 4.0 in China unbedacht einsetzen, eröffnen sie der Wirtschaft­sspionage und dem Abgreifen wichtiger Unternehme­nsdaten Tür und Tor“, warnt Jost Wübbeke, Leiter des Programms Wirtschaft und Technologi­e am China-Institut Merics in Berlin.

Auch deutsche Industriek­reise warnen, die neuen Regelungen dürften „nicht auf Kosten des Schutzes des geistigen Eigentums gehen“. Im Gesetz werden zudem Elemente gesehen, die „marktabsch­ottend und wachstumsh­indernd“wirken.

Die Kanzlerin hat die Probleme mehrfach bei der chinesisch­en Seite angesproch­en.

Droht China auf der Strecke zu bleiben? „Die vierte industriel­le Revolution wird kommen – und zwar als globales Phänomen“, heißt es in ausländisc­hen Kreisen.

„Westliche Partner sind zunehmend unsicher, ob China wirklich mitgestalt­en möchte oder meint, einen eigenen Weg isoliert vom Rest der Welt gehen zu können.“

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Zwei als Roboter verkleidet­e Darsteller halten den Schriftzug „4.0“. Foto: Ole Spata

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