Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Kalkulierte Provokation
AfDAbgeordnete Wiebke Muhsal saß gestern verschleiert im Landtag, um für ein BurkaNiqabVerbot zu werben – RotRotGrün empörte sich wie gewünscht
Am gestrigen Morgen, der Landtag debattierte gerade einen Gesetzentwurf der AfD zum Kindergartengesetz, unterbrach Landtagspräsident Christian Carius (CDU) die Sitzung mit diesem bemerkenswerten Satz: „Da ist eine vollverschleierte Dame.“Der Sitzungsdienst, fuhr er fort, solle bitte „für Ordnung im Plenarsaal zu sorgen“.
Der Grund für die Unterbrechung, also die Schleierdame, saß in den Reihen der AfD-Fraktion, und zwar in Person der Abgeordneten Wiebke Muhsal – so weit dies denn erkennbar war. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende hatte sich einen schwarzen Niqab übergezogen, einen muslimischen Geschichtsschleier, der nur einen Schlitz für die Augen frei lässt. Die Textilie ist so etwas wie die LightVariante der Burka, des Ganzkörperschleiers.
Der Parlamentspräsident war nicht amüsiert. „Das ist wirklich peinlich“, befand er und erteilte Muhsal einen Ordnungsruf. „Nonverbale Äußerungen sind nicht zulässig. Ich bitte Sie, sich angemessen im Plenarsaal zu verhalten.“
Die Abgeordnete zog den Niqab schnell wieder über den Kopf, zumal ja die Provokation ihr Ziel erreicht hatte. Die rotrot-grünen Landtagsmitglieder twitterten ihre Empörung sogleich in die virtuelle Welt. Damit schafften sie erst recht die von Muhsal erwünschte Aufmerksamkeit für den folgenden Tagesordnungspunkt, bei dem es um den AfD-Entwurf eines „Thüringer Gesetzes zum Schutz des öffentlichen Raumes als Sphäre der Freiheit“ging.
Das Gesetz besteht nur aus einem Satz: „Das Tragen einer Gesichtsverschleierung beziehungsweise Gesichtsverdeckung im öffentlichen Raum soll untersagt werden.“Ähnliche Entwürfe für ein Burka-NiqabVerbot hat die AfD auch in anderen Landtagen eingebracht.
Selbstverständlich wurde die Initiative von der – nun wieder unverschleierten – Abgeordneten Muhsal begründet. „Die im Stoff gefangene Frau kann nicht anderen Menschen Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch gegenübertreten“, rief sie. „Wer sein Gesicht verhüllt, der verliert seine Identität.“Der Gesichts- oder Ganzkörperschleier, sagte sie, stehe für „Entmenschlichung und Unterdrückung von Frauen“.
Für die Koalition wurde die grüne Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich ebenso grundsätzlich: Muhsal habe das Parlament „würdelos als Showbühne missbraucht“, sagte sie. „Ich schäme mich, dass so etwas geschehen kann.“Dass sich die AfD ausgerechnet für Frauenrechte einsetze und, wie in der Gesetzesbegründung angegeben, „Integrationshemmnisse“abbauen wolle, sei nichts anderes als Missbrauch dieser Ziele. In Wahrheit schüre die Partei bloß wieder „antiislamische Ressentiments“– und sei es mit einer „billigen und schlechte Maskerade“.