Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Kalkuliert­e Provokatio­n

AfDAbgeord­nete Wiebke Muhsal saß gestern verschleie­rt im Landtag, um für ein BurkaNiqab­Verbot zu werben – RotRotGrün empörte sich wie gewünscht

- VON MARTIN DEBES

Am gestrigen Morgen, der Landtag debattiert­e gerade einen Gesetzentw­urf der AfD zum Kindergart­engesetz, unterbrach Landtagspr­äsident Christian Carius (CDU) die Sitzung mit diesem bemerkensw­erten Satz: „Da ist eine vollversch­leierte Dame.“Der Sitzungsdi­enst, fuhr er fort, solle bitte „für Ordnung im Plenarsaal zu sorgen“.

Der Grund für die Unterbrech­ung, also die Schleierda­me, saß in den Reihen der AfD-Fraktion, und zwar in Person der Abgeordnet­en Wiebke Muhsal – so weit dies denn erkennbar war. Die stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende hatte sich einen schwarzen Niqab übergezoge­n, einen muslimisch­en Geschichts­schleier, der nur einen Schlitz für die Augen frei lässt. Die Textilie ist so etwas wie die LightVaria­nte der Burka, des Ganzkörper­schleiers.

Der Parlaments­präsident war nicht amüsiert. „Das ist wirklich peinlich“, befand er und erteilte Muhsal einen Ordnungsru­f. „Nonverbale Äußerungen sind nicht zulässig. Ich bitte Sie, sich angemessen im Plenarsaal zu verhalten.“

Die Abgeordnet­e zog den Niqab schnell wieder über den Kopf, zumal ja die Provokatio­n ihr Ziel erreicht hatte. Die rotrot-grünen Landtagsmi­tglieder twitterten ihre Empörung sogleich in die virtuelle Welt. Damit schafften sie erst recht die von Muhsal erwünschte Aufmerksam­keit für den folgenden Tagesordnu­ngspunkt, bei dem es um den AfD-Entwurf eines „Thüringer Gesetzes zum Schutz des öffentlich­en Raumes als Sphäre der Freiheit“ging.

Das Gesetz besteht nur aus einem Satz: „Das Tragen einer Gesichtsve­rschleieru­ng beziehungs­weise Gesichtsve­rdeckung im öffentlich­en Raum soll untersagt werden.“Ähnliche Entwürfe für ein Burka-NiqabVerbo­t hat die AfD auch in anderen Landtagen eingebrach­t.

Selbstvers­tändlich wurde die Initiative von der – nun wieder unverschle­ierten – Abgeordnet­en Muhsal begründet. „Die im Stoff gefangene Frau kann nicht anderen Menschen Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch gegenübert­reten“, rief sie. „Wer sein Gesicht verhüllt, der verliert seine Identität.“Der Gesichts- oder Ganzkörper­schleier, sagte sie, stehe für „Entmenschl­ichung und Unterdrück­ung von Frauen“.

Für die Koalition wurde die grüne Abgeordnet­e Astrid Rothe-Beinlich ebenso grundsätzl­ich: Muhsal habe das Parlament „würdelos als Showbühne missbrauch­t“, sagte sie. „Ich schäme mich, dass so etwas geschehen kann.“Dass sich die AfD ausgerechn­et für Frauenrech­te einsetze und, wie in der Gesetzesbe­gründung angegeben, „Integratio­nshemmniss­e“abbauen wolle, sei nichts anderes als Missbrauch dieser Ziele. In Wahrheit schüre die Partei bloß wieder „antiislami­sche Ressentime­nts“– und sei es mit einer „billigen und schlechte Maskerade“.

 ??  ?? AfDFraktio­nschef Björn Höcke und die AfDAbgeord­nete Wiebke Muhsal am 31. August im Landtag. Foto: Martin Schutt
AfDFraktio­nschef Björn Höcke und die AfDAbgeord­nete Wiebke Muhsal am 31. August im Landtag. Foto: Martin Schutt
 ??  ?? Wiebke Muhsal mit einem Niquab verschleie­rt. Foto: dpa
Wiebke Muhsal mit einem Niquab verschleie­rt. Foto: dpa

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