Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Grundsatzfragen zur Kunst und ihre Umsetzung
Jenaer Kunstverein zeigt „Dimensional Sights“– Handzeichnungen von drei Leipziger Künstlern, ergänzt durch Malerei, Keramik und VideoPerformance
Im Mittelpunkt der neuen Ausstellung des Jenaer Kunstvereins „Dimensional Sights“steht die Handzeichnung als das unmittelbarste bildkünstlerische Ausdrucksmittel. Doch geht es in der Schau nicht um die schiere Vielfalt der technischen Ausdrucksmöglichkeiten. Vielmehr wird der Betrachter eingeladen, sich die Frage zu stellen, mit welchen Vorüberlegungen Künstler an ihr Werk gehen.
Der Maler David Borgmann, 1983 in Wilhelmshaven geboren und jetzt in Leipzig lebend, hat sich damit auseinander gesetzt und sich mit einem fertigen Konzept beim Jenaer Kunstverein um diese Ausstellung beworben. Jetzt wurde die Idee realisiert.
Nun zeigt er gemeinsam mit Timo Herbst (1983 in Flensburg geboren) und Alexander Schellbach (1976 in Blankenburg/ Harz geboren) seine vielfältigen Arbeiten. Alle drei leben und arbeiten in Leipzig, gehen ganz gegensätzlich an ihre Arbeit heran und unterscheiden sich auch stilistisch.
David Borgmann startet völlig unbefangen in eine neue Arbeit, hat weder Thema noch Titel im Kopf, experimentiert mit Techniken und Effekten. Erst während der Arbeit, während er beispielsweise mit Kohle über das Papier reibt, entsteht die Idee von der neuen Arbeit. Diese zeichnet sich immer durch Gegensätzlichkeiten aus – helle neben dunklen Flächen, Gitter und Zäune, die Räumlichkeit schaffen. Seinen abstrakten, kontrastreichen Zeichnungen setzt Borgmann eine Auswahl an farbigen Gemälden gegenüber – sein eigentliches Metier.
Ganz anders arbeitet Timo Herbst, dessen gegenständliche Handzeichnungen von drei Video-Performances flankiert werden. Vor dem künstlerischen Schaffen steht bei ihm eine intensive Recherche. „Same Procedure“heißt beispielsweise eine fast drei Meter breite Bleistiftzeichnung auf Papier, die eine Vielzahl von Unterarmen darstellt. Dem vorangegangen ist seine Studie von Gesten in Madrid, Tunis, Kairo und Berlin. Diese studierten Bewegungsabläufe reinszeniert er auf Papier und stellt sie in seinen Zeichnungen bildlich dar.
In seinen Videoperformances – drei amüsante Siebenminüter sind in Jena zu sehen – spinnt er diese Idee mit anderen Mitteln weiter. In New York hat sich Herbst selbst gefilmt, wie er auf einer Kreuzung als Zivilist den Verkehr dirigiert. 14 Tage lang hat er dafür einen Polizisten beobachtet und dessen Armbewegungen studiert.
Das zweite Video zeigt Herbst im japanischen Kyoto, wie er, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, zwölf Stunden lang den Kies des Kaiserpalasts fegt. Im dritten Film wird der Videokünstler durch Berlin getragen oder trägt selbst eine andere Person – bis zur völligen Erschöpfung. Die eigentlich banalen Aktionen werden ins Absurde getrieben und damit hinterfragt.
Der dritte Künstler, Alexander Schellbach, kommt aus der Keramik. Er bereichert die Schau daher mit fiktiven keramischen Plastiken, die vorgaukeln, Motorenteile oder andere technische Gerätschaften zu sein. In seine fotorealistischen Kohlezeichnungen von Industriebrachen, wie sie vielerorts in Ostdeutschland zu finden sind, lässt er die Plastiken mit einfließen. Ihm geht es um die Täuschung des Betrachters über eine nicht gegebene Materialität – er lässt seine Zeichnungen wie Schwarz-Weiß-Fotografien erscheinen.
„Dimensional Sights“ist eine vielschichtige Ausstellung, für die man sich Zeit nehmen sollte. Jeder der drei jungen Künstler würde eine eigene Schau tragen, in Kombination macht die Gegenüberstellung und Dichte der Arbeiten umso mehr Spaß. Bis 14. Oktober; Eröffnung heute Abend, um 19 Uhr