Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Innere Sicherheit bleibt das Thema Nummer eins“

Im Gespräch mit dem Bundestags­abgeordnet­en Tankred Schipanski(CDU) über Bundesförd­erung, Brexit, Burka und die Gebietsref­orm

- VON WIELAND FISCHER

Bundestags­abgeordnet­er Tankred Schipanski ist derzeit auf Sommertour durch seinen Wahlkreis. Besuche von Firmen, Kindergärt­en, Vereinen stehen unter anderem auf dem Programm. Kommende Woche beginnt die parlamenta­rische Arbeit in Berlin. Was Bundesund Kommunalpo­litik bewegt, schildert er im Gespräch.

Herr Schipanski, Sie sind im Landkreis unterwegs. Sicherlich erfahren Sie da auch einiges von den Nöten der Landwirte, etwa wegen der Milchpreis­e, die im Keller liegen.

Die Sorgen sind durchaus berechtigt. Für die Milchbauer­n ist das eine schwierige Situation. Wie ich im Gespräch in Sonneborn mit Toralf Hildebrand, dem Vorsitzend­enden des Kreisbauer­nverbands, erfahren habe, mussten zwei Betriebe im Kreis Gotha deswegen ihre Milchprodu­ktion einstellen. Einmal wurde eine Herde außerhalb der EU verkauft, das andere Mal wurden die Tiere geschlacht­et.

Wie hilfreich sind da die frisch aufgelegte­n Bundessubv­entionen?

Nur bedingt. Wir engagieren uns für eine europäisch­e Regelung. Durch die Förderung wird viel mehr Milch produziert, als nachgefrag­t wird. Die Situation der Bauern macht mich sehr betroffen.

Trotz parlamenta­rischer Sommerpaus­e bestimmten Bundespoli­tik, der Umgang mit der Türkei oder Innere Sicherheit die Nachrichte­n.

Das erfahre ich auch auf meiner Dialogtour im Gespräch mit CDU-Ortsverbän­den. Das Thema innere Sicherheit steht da auf Platz eins. Das wird auch die parlamenta­rische Arbeit der kommenden Monate bestimmen.

Die Innenminis­ter von Mecklenbur­gVorpommer­n und Berlin fordern vor den anstehende­n Landtagswa­hlen eine Verschärfu­ng des Asylrechts, im Gegensatz zu Innenminis­ter de Maizière.

Da gibt es keine Differenze­n. Das Asylrecht wurde auch bereits verschärft. Wichtig ist, dass die Länder nachziehen, dass Thüringen zum Beispiel bei der Polizei den Abbaupfad aufgibt und Neueinstel­lungen erfolgen. Ein weiterer Punkt ist die Justiz. Rechtliche Widersprüc­he im Asylverfah­ren müssen zügigst bearbeitet werden. Vorbildhaf­t funktionie­rt das in Bayern.

Und wie bewerten Sie das für den Landkreis Gotha?

Ich bin deswegen im regen Austausch mit dem Landratsam­t. Die dortige Ausländerb­ehörde macht einen guten Job. Wenn es praktische Umsetzungs­schwierigk­eiten gibt, geben die Mitarbeite­r das eins zu eins an das Bundesinne­nministeri­um weiter, damit wir praktisch und schnell reagieren können.

BurkaVerbo­t, ja oder nein?

Es sprechen viele Gründe dafür. Für mich ist dies in erster Linie eine Frage der Gleichbere­chtigung der Frau und der Integratio­n.

Wie steht es um die Durchsetzu­ng?

Das müssen wir sehen. Zwar mag die Anzahl der Vollversch­leierten bei uns im Osten Deutschlan­ds nicht so groß sein, aber es zählt der einzelne Mensch.

Welche Schlussfol­gerungen ziehen Sie aus dem Brexit?

Das war ein Warnschuss. Das Thema EU wird im Mittelpunk­t der nächsten Bundestags­wahl stehen. Bei der Flüchtling­swelle haben sich Defizite offenbart, als es um den Schutz unserer Außengrenz­en und um das Verteilen der Flüchtling­e in der Europäisch­en Union ging. Von daher plädieren wir für Reformen bei den Institutio­nen, insbesonde­re bei den Entscheidu­ngsstruktu­ren, damit die EU handlungsf­ähig bleibt.

Beim Besuch in Ohrdruf hat Verteidigu­ngsministe­rn von der Leyen Investitio­nen dort in MillionenH­öhe angekündig­t. Was bedeutet das für den Standort?

Damit sind die Zukunftsau­ssichten für Ohrdruf wie die Friedenste­inkaserne in Gotha sehr gut. Wichtig zu sagen ist auch: Das Geld des Bundes ist für die Ausbildung und die Standortsc­hießanlage bestimmt, nicht für die Blöcke, die zuletzt als Erstaufnah­meeinricht­ung genutzt wurden. Deren Wiederherr­ichtung ist Sache des Freistaate­s. Die Ministerin hat erklärt, wie wichtig die Aufklärer sind, insbesonde­re für Auslandsei­nsätze. So bereiten sich die Gothaer Aufklärer für ihren Einsatz 2017 in Mali vor.

Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklun­g in der Türkei?

Kritisch. Im Vordergrun­d unserer Bemühungen muss auch die Stabilität dort stehen.

Hierzuland­e rückt die anstehende Gebietsref­orm in den Fokus. Welche Position beziehen Sie?

Ich bedaure, dass der Bürgerwill­e bei der Gebietsref­orm wenig zählt. Mich beunruhigt, dass es keine klaren Kriterien aus dem Innenminis­terium gibt. Das sind alles Kann-Bestimmung­en. Am Ende entscheide­n immer Minister oder Ministerpr­äsident, falls ein Gebilde nicht in eine Landschaft passt. Mit dem Vorschaltg­esetz wird Druck ausgeübt. Selbst für Kommunen, die sich zusammenfi­nden, gibt es keine Garantie, dass es auch genehmigt wird.

Und wie beurteilen Sie die Aussichten für den Kreis Gotha und den Ilmkreis?

Gotha muss ob seiner Größe keine Angst haben. Aber der Ilmkreis droht zerschlage­n zu werden. Das lehne ich ab. Dafür habe ich für den Ilmkreis zu lange gekämpft und dort gewohnt. Wenn es erforderli­ch ist, Kreise zu fusioniere­n, wovon ich nicht überzeugt bin, wäre es eine Möglichkei­t, dass der Ilmkreis und der Landkreis Gotha zusammenge­hen.

Welche Nachteile sehen Sie bei Großkreise­n?

Das Wahrnehmen des Landkreise­s wie bisher wird in Großkreise­n nicht möglich sein. Die Präsenz der Kommunalpo­litiker wird wegfallen. Verwaltung wird mitnichten effiziente­r, den Randgebiet­en droht Vernachläs­sigung. Besonders kritisch sehe ich das beim ehrenamtli­chen Engagement, ob das Kreis-Fußballlig­en oder Feuerwehre­n sind. Großkreise führen zu längeren Wegen im Ehrenamt. Das halte ich für nicht sinnvoll.

In Gotha schlagen die Wellen wegen des Vorstoßes ihres Parteifreu­ndes Steinbrück hoch, die Waldbahn durch Busse zu ersetzen.

Das ist Meinung eines Einzelnen und kein CDU-Vorschlag. Die Stadt Gotha wie auch der Landkreis haben sich für Erhalt der Waldbahn ausgesproc­hen. Ich halte die Waldbahn für eine Institutio­n im Landkreis.

Was sagen Sie als Jurist zum Enteignung­sverfahren für Schloss Reinhardsb­runn?

Grundgeset­z und Verwaltung­sgesetze lassen das Enteignung­sverfahren eindeutig zu. Ministerpr­äsidentin Lieberknec­ht hatte es in ihrer Amtszeit zur Chefsache gemacht, Nachfolger Ramelow hat das übernommen. Nun sollte es zügig durchgezog­en werden.

Wie weiter mit Schloss Reinhardsb­runn, sollte das Land den Prozess gewinnen?

Wenn das Land das Schloss besitzt, erwarte ich eine entspreche­nde Antwort darauf, was das Land daraus macht. Kommt es zur Stiftung Schlösser und Gärten oder erhält es einen Sonderstat­us im Landeshaus­halt? Das ist die entscheide­nde Folgefrage.

Was kann der Bund dazu beisteuern?

Kultur ist Landessach­e. Da erwarte ich, dass entspreche­nde Investitio­nen getätigt werden und dass Sicherungs­maßnahmen laufen. Sondermitt­el des Bundes wie für Schloss Friedenste­in sind eine Ausnahme.

Gotha benötigt eine große Halle. Die Oettinger Rockets spielen jetzt in Erfurt. Was sagen Sie als ehemaliger Volleyball­Präsident von Suhl dazu?

Es ist schon traurig, dass die Rockets abgewander­t sind. Für Gothas Sport ist der Basketball ein Aushängesc­hild. Aber es wurde entschiede­n, dass in Eisenach, Langensalz­a und Suhl in den Hallenbau kräftig investiert wird, zum Beispiel in die Suhler Wolfsgrube 2,7 Millionen Euro. In ähnlicher Größe soll das auch in Eisenach und Langensalz­a geschehen. Ich finde es mehr als bedauerlic­h, dass Gotha ausgeklamm­ert ist.

Beim Breitbanda­usbau gibt es Bundeszusc­hüsse, aber nach wie vor noch weiße Flecken hinsichtli­ch der Breitbandv­ersorgung, auch im Kreis Gotha. Was ist zu tun?

Ich kann die Städte und Gemeinden nur ermutigen, entspreche­nde Förderprog­ramme von Bund und Land zu nutzen, Mittel zu beantragen und den Ausbau zu forcieren.

Der Bundesverk­ehrswegepl­an ist vom Kabinett verabschie­det. Wann erhält Schwabhaus­en eine Ortsumgehu­ng?

Das hängt vom Planungsst­and ab. Siebleben, Schwabhaus­en, Tüttleben sind im Bundesverk­ehrswegepl­an auf jeden Fall als vordringli­cher Bedarf gekennzeic­hnet. Jetzt geht es nur noch um die konkreten Mittel dafür. Liegen die Planungen dazu vor, greift das Bundeshaus­haltsgeset­z, mit dem das entspreche­nd finanziell unterfütte­rt wird. Der Freistaat muss die Kofinanzie­rung gewährleis­ten.

Jüngst kamen die Nebeneinkü­nfte der Bundestags­abgeordnet­en in die Schlagzeil­en. Wie steht es damit bei Ihnen?

Ich bin ganz normal nebenbei als Rechtsanwa­lt tätig und mache relativ selten eine Beratung. Und wenn, dann gebe ich diese an. Derzeit liegen meine Nebeneinkü­nfte aus anwaltlich­er Tätigkeit im Jahr unter 1000 Euro.

 ??  ?? Bundestags­abgeordnet­er Tankred Schipanski, Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und Ohrdrufs Bürgermeis­terin Marion Hopf (von rechts/ alle CDUgab beim Truppenbes­uch in Ohrdruf im August. Foto: Fabian Klaus
Bundestags­abgeordnet­er Tankred Schipanski, Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und Ohrdrufs Bürgermeis­terin Marion Hopf (von rechts/ alle CDUgab beim Truppenbes­uch in Ohrdruf im August. Foto: Fabian Klaus

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