Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Neuer Wirbel um Armenien-Resolution

Kanzlerin bekennt sich dazu, hält sie aber nicht für juristisch verbindlic­h – Bald trifft sie Erdogan

- VON CHRISTIAN ANDRESEN

Bundeskanz­lerin Angela Merkel will mit der Türkei nach dem Ärger der vergangene­n Wochen wieder vernünftig ins Gespräch kommen. Die CDU-Vorsitzend­e widersprac­h am Freitag entschiede­n einem „Spiegel“-Bericht, wonach die Bundesregi­erung aus Rücksicht auf Ankara zur Armenien-Resolution des Bundestags auf Distanz gehen wolle. „Das will ich ausdrückli­ch dementiere­n“, sagte Merkel dem Fernsehsen­der RTL. Zugleich stellte sie klar, dass sie sich juristisch an die Entschließ­ung des Parlaments nicht gebunden fühlt.

Die Kanzlerin wird den türkischen Präsidente­n Erdogan beim G20-Gipfel erstmals wiedersehe­n, der an diesem Wochenende in China beginnt. In der Resolution hatte der Bundestag die Massaker an bis zu 1,5 Millionen Armeniern 1915/16 im Osmanische­n Reich als „Völkermord“bezeichnet. Deshalb ist das Verhältnis zur Türkei seit Anfang Juni schwer belastet.

Zudem ist Ankara verstimmt, weil sich seit dem gescheiter­ten Putsch Mitte Juli kein hochrangig­es deutsches Regierungs­mitglied blicken ließ.

Merkel betonte, die Bundesregi­erung distanzier­e sich „überhaupt nicht“von der ArmenienRe­solution. Zugleich verwies sie aber auch darauf, dass die Resolution für ihre Regierung „nicht rechtlich bindend“sei. Ähnlich hatte sich zuvor schon Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier geäußert. „Der Deutsche Bundestag hat jedes Recht und die Freiheit, sich zu politische­n Fragen zu äußern“, sagte der SPD-Politiker. Das Parlament sage aber auch selbst, dass „nicht jede Resolution eine rechtliche Bindungswi­rkung“habe. Merkel und Steinmeier hatten sich an der Abstimmung im Bundestag Anfang Juni selbst nicht beteiligt. Beide erklärten sich aber damit einverstan­den. Aus Protest gegen die Resolution hatte die Türkei aus Berlin ihren Botschafte­r abgezogen. Zudem verweigert sie seither deutschen Abgeordnet­en den Besuch bei Bundeswehr-Soldaten, die im türkischen Incirlik stationier­t sind. Nach Angaben des Auswärtige­n Amts gibt es aus Ankara nun aber zumindest die Ankündigun­g, bald wieder einen Botschafte­r zu entsenden.

Der „Spiegel“-Bericht hatte in Berlin für erhebliche Unruhe gesorgt. Das Magazin meldete, dass sich Kanzleramt und Auswärtige­s Amt mit Rücksicht auf Ankara auf eine Distanzier­ung von der Resolution verständig­t hätten. Aus den Reihen der Koalition wurde dem Bericht sofort widersproc­hen. CDU-Generalsek­retär Peter Tauber meinte: „Die Resolution war und ist richtig.“SPD-Fraktionsc­hef Thomas Oppermann fügte hinzu: „Sie gilt ohne Wenn und Aber.“

Die Linke hielt Merkel vor, mit einer „De-Facto-Distanzier­ung“einen Kotau vor Erdogan zu machen. Ihr Ex-Fraktionsc­hef Gregor Gysi sprach von einem „ungeheuerl­ichen Skandal“.

Der Ostthüring­er CDU-Bundestags­abgeordnet­e Albert Weiler, zugleich Präsident des Deutsch-Armenische­n Forum, kommentier­te, die „Falschmeld­ung des Spiegels“sei einfach nur schwer ertragbar. Es liege nahe, dass man den derzeitige­n Besuch des armenische­n Außenminis­ters in Deutschlan­d und Armenien an sich kompromitt­ieren wolle.Trotz viel Kritik an den Zuständen in der Türkei gehört das Nato-Land zu Deutschlan­ds wichtigste­n Partnern. Berlin hat besonders wegen des türkisch-europäisch­en Abkommens zur Lösung der Flüchtling­skrise großes Interesse an einer Zusammenar­beit. Die Türkei wiederum hofft auf eine baldige Visa-Befreiung für ihre Bürger.

„Also erst einmal distanzier­t sich die Bundesregi­erung überhaupt nicht von dieser Resolution, das will ich ausdrückli­ch dementiere­n.” Kanzlerin Angela Merkel zur ArmenienRe­solution

 ??  ?? Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der türkische Staatspräs­ident Erdogan beim UNNothilfe­gipfel Ende Mai in Istanbul. In den nächsten Tagen treffen sie sich beim G20Gipfel wieder. Foto: dpa
Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der türkische Staatspräs­ident Erdogan beim UNNothilfe­gipfel Ende Mai in Istanbul. In den nächsten Tagen treffen sie sich beim G20Gipfel wieder. Foto: dpa

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