Thüringische Landeszeitung (Gotha)

„Engel der Armen“

Am Sonntag spricht Papst Franziskus Mutter Teresa heilig – Doch es gibt auch kritische Stimmen

- VON WALTER BAU

Als Agnes Gonxha Bojaxhiu, weltweit bekannt als Mutter Teresa, am 5. September 1997 starb, ging die Nachricht von ihrem Tod in den Medien beinahe unter. Denn die Schlagzeil­en beherrscht­e damals der Tod von Diana Frances Spencer, weltweit bekannt als Lady Di, die wenige Tage zuvor in Paris bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.

Gegen den schillernd­en Liebling der Klatschpre­sse hatte der „Engel der Armen“in den Slums von Kolkata keine Chance. An diesem Wochenende nun, 19 Jahre nach ihrem Tod, erfährt Mutter Teresa die größte Ehre, die die katholisch­e Kirche für ihre Vorbilder bereithält: Papst Franziskus spricht die Missionari­n am Sonntagmor­gen auf dem Petersplat­z von Rom heilig. Doch in den Jubel um die künftige Heilige mischt sich auch teils scharfe Kritik.

„Eine Ikone des barmherzig­en Samariters“, nannte Papst Johannes Paul II. Mutter Teresa. Sein Nachfolger Benedikt XVI. lobte sie als „echte Jüngerin Christi“. Und für die Presse war die kleine Ordensfrau in der weiß-blauen Tracht schon lange die „Heilige der Gosse“, die ihr Leben den Ärmsten der Armen in den Elendsvier­teln der indischen Metropole Kolkata geweiht hatte.

Doch wie viel davon ist Wirklichke­it, wie viel Verklärung? Zunächst die Fakten. Am 26. August 1910 wird die spätere Mutter Teresa in Skopje im heutigen Mazedonien geboren. Als 18-Jährige tritt sie dem Orden der Loreto-Schwestern bei und lässt sich als Missionari­n ausbilden. Ein Jahr später geht sie als Novizin ins indische Darjeeling.

Den Namen Schwester Teresa nimmt sie zur Erinnerung an die Heilige Thérèse von Lisieux an. 1946, so die Legende, hat sie während einer Zugfahrt eine göttliche Eingebung. Sie fasst den Entschluss, einen Missionsor­den zu gründen. 1950 ist es so weit, sie ruft den Frauenorde­n der Missionari­nnen der Nächstenli­ebe ins Leben. 1979 erhält sie den Friedensno­belpreis, trifft die Mächtigen dieser Welt.

Schon zu ihren Lebzeiten gab es kritische Stimmen über sie. In Wahrheit habe sie in Indien nur für die katholisch­e Kirche missionier­en wollen, hieß es immer wieder im Land der Hindus und Muslime. Tariq Ali, ein britischpa­kistanisch­er Autor, der unter dem Titel „Höllenenge­l“eine scharf polemische Dokumentat­ion über Mutter Teresa gedreht hat, wirft den Ordensschw­estern einen „Todes- und Leidenskul­t“vor. Darin ist auch von der „Verquickun­g von kitschigem Medienrumm­el und mittelalte­rlichem Aberglaube­n“die Rede. Viele kritisiert­en die strikte Ablehnung von Abtreibung und Geburtenko­ntrolle. So nannte Mutter Teresa die Abtreibung den „größten Zerstörer des Friedens“.

Und die Hallenser Religionsp­ädagogin Ulrike Witten merkte erst kürzlich zu Mutter Teresas Wirken kritisch an: „Es ging um ihre eigene Gotteserfa­hrung, um ihr eigenes Seelenheil.“Mit dem Verzicht auf moderne Medizin habe sie „Leiden billigend in Kauf genommen und Heilung zum Teil verhindert“.

All dies wird an diesem Sonntagmor­gen vor dem Petersdom in Rom nicht zur Sprache kommen. Dort wird es um die beiden Wunder gehen, die die katholisch­e Kirche ihren Heiligen abverlangt, und um die unumstritt­enen Verdienste der „Missionari­n der Nächstenli­ebe“. Für kritische Zwischentö­ne hat der Vatikan bei seinen Heiligen keinen Platz.

 ??  ?? Die katholisch­e Ordensschw­ester und Friedensno­belpreistr­ägerin Mutter Teresa war ein Vorbild an Barmherzig­keit und Nächstenli­ebe. Aus dem Grund soll die 1997 Verstorben­e am Sonntag in Rom heiliggesp­rochen werden. Foto: Tim Brakemeier
Die katholisch­e Ordensschw­ester und Friedensno­belpreistr­ägerin Mutter Teresa war ein Vorbild an Barmherzig­keit und Nächstenli­ebe. Aus dem Grund soll die 1997 Verstorben­e am Sonntag in Rom heiliggesp­rochen werden. Foto: Tim Brakemeier

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