Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Junge Ärzte haben Ärger mit Finanzamt
Das ThüringenStipendium soll Mediziner motivieren, sich als Hausärzte im Freistaat niederzulassen
Wer seine Weiterbildung zum Allgemeinmediziner oder zum Augenarzt absolviert, erhält von der Stiftung Ambulante Versorgung 250 Euro im Monat als Stipendium. Voraussetzung: Nach dem Abschluss der Ausbildung erklärt sich der Arzt bereit, für mindestens vier Jahre in Thüringen zu bleiben. Doch das Programm erweist sich für einige Mediziner als Bumerang.
„Als ich den Vertrag abgeschlossen habe, bin ich davon ausgegangen, dass das Stipendium steuerfrei gewährt wird“, berichtet eine Ärztin aus Gera. Das habe auch der Steuerberater bestätigt. Nun erhielt sie jedoch die Information, dass es besser sei, eine Steuererklärung für das Jahr 2012 anzufertigen.
In jenem Jahr hatte sie sich das Stipendium in Höhe von 14 000 Euro komplett auszahlen lassen. Vom Finanzamt Gera erhielt sie einen Steuerbescheid über 4786 Euro plus 526 Euro Zinsen – für die junge Mutter ein Schock. Hatte sie doch das Geld in den vergangenen Jahren in die notwendigen Weiterbildungen investiert.
Laut Finanzministerium sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung des Stipendiums nicht erfüllt. „Beide Steuerbefreiungstatbestände setzen voraus, dass der Empfänger der Zahlungen nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet ist“, sagt Sprecher Uwe Büchner. Beim Thüringen-Stipendium verpflichte sich der Stipendiat, eine bestimmte ärztliche Weiterbildung zu absolvieren, an der entsprechenden Facharztprüfung teilzunehmen und nach Abschluss der Facharztprüfung für mindestens vier Jahre als Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung in Thüringen teilzunehmen. Die Förderung sei erst möglich, wenn der Stipendiat nach einem abgeschlossenen Medizinstudium die Weiterbildung ableiste. Die Weiterbildung zum Facharzt setze grundsätzlich ein Anstellungsverhältnis mit einer entsprechenden Weiterbildungsstätte voraus. „Damit besteht eine Verpflichtung zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit, da andernfalls die Facharztausbildung nicht erfolgen kann. Demzufolge kommen die Steuerbefreiungen nicht in Betracht“, sagt Büchner.
„Von Beginn an seit 2009 steht in jedem Vertrag, dass sich der Stipendiat individuell um die steuerliche Relevanz kümmern müsse“, sagt Jörg Mertz, Geschäftsführer der Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen, die bislang 177 Stipendiaten förderte. Seit 2011 werde auch in den häufig gestellten Fragen auf die Steuerpflicht hingewiesen. Die Stiftung habe die Information von einem Steuerfahnder unter dem Siegel der Verschwiegenheit erhalten. „Wir sind betrübt darüber, aber wir hätten uns strafbar gemacht, wenn wir die Stipendiaten über die drohenden Verfahren informiert hätten“, sagt Mertz.
Wie viele Ärzte von den Steuerverfahren betroffen sind,
Steuerbefreiungen nicht in Betracht
darüber machte das Finanzministerium keine Angaben.
Die Geraer Ärztin indes wundert sich, warum in anderen Regionen die Förderung steuerfrei gewährt werde. Sie verweist auf das Emsland, wo Ärzte bei einem ähnlichen Modell sogar 500 Euro pro Monat erhalten. Das zuständige Finanzamt in Osnabrück habe versichert, dass keine Steuerpflicht bestehe.
Die vertragliche Ausgestaltung sei nicht bekannt, entgegnet Büchner, der weitere Bedenken zerstreut. Denn die Ärztin fürchtet, dass sie bei einem zeitigeren Wechsel in ein anderes Bundesland das Stipendium zurückzahlen muss, aber die Steuern nicht zurückerhält. Das stimme aber nicht. Der Rückzahlungsbetrag lasse sich mit erzielten Einkünften auch aus nichtselbständiger Tätigkeit verrechnen, sagt Büchner.
Für die Geraer Medizinerin steht fest: „Hätte ich um die Steuerpflicht gewusst, hätte ich den Vertrag für das Stipendium nie abgeschlossen“, sagt die 30Jährige. Der Betrag sei zu gering für die Länge der Verpflichtung – sie fühle sich in einem Knebelvertrag. „Es kann immer passieren, dass man aus familiären Gründen schneller in die Heimat zurückkehren muss.“