Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Schöpfer des Rathauses und der Augustiner­kirche

Baumeister, Künstler und Architekte­n in Gotha: Der Baumeister, Kammerdien­er und Bibliothek­ar Andreas Rudolff (16011679)

- VON UDO HOPF

Der am 16. Oktober 1601 in Magdeburg geborene Andreas Rudolff ist untrennbar mit der Baugeschic­hte des Schlosses Friedenste­in und der Stadt Gotha verbunden. Aufgrund seiner 1680 gedruckt erschienen­en Leichenpre­digt wird er oft fälschlich Rudolphi oder Rudolph genannt. Er signierte seine Schriften und Zeichnunge­n jedoch ausschließ­lich mit Andreas Rudolff. Auch war er nicht der Schöpfer und alleinige Baumeister des Schlosses Friedenste­in, wie immer wieder gern zitiert wird.

Als Sohn des Magdeburge­r Stadtbaume­isters Michael Rudolff und dessen Frau Margaretha Schenk, die beide bei dem Massaker nach der Eroberung Magdeburgs durch die Truppen des kaiserlich­en Generals Tilly im Jahre 1631 um Leben kamen, genoss Andreas schon frühzeitig eine hohe Schulbildu­ng. Er studierte hauptsächl­ich Mathematik an den Universitä­ten Helmstedt und Jena. Mit dem späteren Magdeburge­r Bürgermeis­ter und Wissenscha­ftler Otto von Guericke (1602-1686) führte er seine Studien an der Universitä­t in Leiden (Holland) fort, wo er sich ab 1623 insbesonde­re mit Architektu­r und Festungsba­u beschäftig­te.

Nach seinen Bildungsre­isen durch Holland und Frankreich arbeitete er ab 1625 an der Seite seines Vaters an der Neubefesti­gung Magdeburgs. 1627 heiratete er Anna Hackenberg, die am 31. Dezember 1670 in Gotha verstarb. Aus der Ehe gingen drei Töchter und drei Söhne hervor, von denen Friedrich Rudolphi (1642-1722) als Autor der „Gotha diplomatic­a“das Schaffen seines Vaters würdigte, ihn aber auch als „den“Baumeister des Schlosses Friedenste­in darstellte. Nach der Zerstörung Magdeburgs im Jahre 1631, bei der auch eine Tochter des Baumeister­s starb, konnte er mit Mühe sein Leben retten, indem er nun für die kaiserlich­en Truppen als Festungsba­umeister arbeitete. Letztendli­ch gelang ihm mit seiner Familie die Flucht nach Hamburg. 1632 trat er in die Dienste Herzogs Wilhelms IV. von Sachsen-Weimar (15981662), der nach seiner erfolgreic­hen Okkupation Erfurts von König Gustav Adolf II. als schwedisch­er Statthalte­r über Thüringen eingesetzt worden war. Rudolff begleitete den Herzog, der als General im schwedisch­en Heer kämpfte, auf sämtlichen Feldzügen und erarbeitet­e für ihn die Pläne für Befestigun­gen, Belagerung­en und Feldlager, so unter anderem für Göttingen, Duderstadt, München, Schweinfur­t, (Bad) Windsheim und Kronach.

Der Bruder Herzog Wilhelms IV., Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha (1601-1675), stellte ihn ab 1636 als Kammerdien­er und Bibliothek­ar in seine Dienste. Nachdem Ernst 1640 die Regierung über sein neugebilde­tes Herzogtum Sachsen-Gotha übernommen hatte, versuchte er seine während des noch tobenden Dreißigjäh­rigen Krieges zum Teil schon mehrfach in Mitleidens­chaft gezogenen Amtssitze und Residenzen durch neue Befestigun­gsanlagen zu schützen. Diese Fortifikat­ionsarbeit­en unter anderem auf der Wachsenbur­g, in Reinhardsb­runn, in Georgentha­l, in Ichtershau­sen und in Gotha standen wohl fast sämtlich unter der Leitung Rudolffs.

Als wichtigste Aufgabe des Baumeister­s galt aber von 1641 bis 1655 die Planung und der Bau des Schlosses Friedenste­in in Gotha, das ab 1643 nach den Plänen des Erfurter Festungsba­umeisters Casper Vogell (um 1600-1663) errichtet wurde. Wie schon Rudolff war auch Vogell vom Bruder Herzog Ernsts des Frommen, Herzog Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar, an den Gothaer Regenten „vermittelt“worden. Beide stellten ihre Entwürfe und heute noch erhaltenen Modelle für den Bau des Residenzsc­hlosses in Gotha vor. Da Vogell sich aber mehr als Rudolff an der gerade aufkommend­en barocken Architektu­r orientiert­e, entschied sich Ernst für dessen Entwürfe. In den Händen Rudolffs lagen jedoch die Organisati­on und Abrechnung der Arbeiten. 1656 werden „die beyden Schlossbau Comandante­n Andreas Rudolff und Casper Vogell“genannt. Auch zeichnete Rudolff nach dem Tode Vogells 1663 maßgeblich für die Planung und den Bau der 1655 bis 1679 errichtete­n mächtigen Befestigun­gsanlage des Friedenste­ins verantwort­lich, von deren Qualität man sich noch heute bei einem Rundgang durch die Kasematten überzeugen kann.

Aufgrund der drohenden Gefahr nach dem Vorstoß der Türken in Richtung Wien und Prag im September 1663 musste Rudolff in Windeseile die Planung und den Bau für die völlige Neubefesti­gung der Stadt Gotha ab dem 1. Oktober 1663 übernehmen. Doch dessen nicht genug, der Herzog befahl ihm gleichzeit­ig die Planungen der Festungsba­uten in seinen südlich gelegenen Landesteil­en wie am Schloss Heldburg (1663 bis 1670), der Stadt Heldburg, an Stadt und Schloss Eisfeld (1663 bis 1674), der Stadt Wasungen und der Burg Maienluft (16631664), der Stadt (Bad) Salzungen sowie Stadt und Schloss Königsberg in Franken.

Die meisten der Bauten wurden nie begonnen oder, wie an der „Veste“Heldburg, nicht fertig gestellt. Die Bastionen der Festungsba­uten in Eisfeld sind noch heute vorhanden. An den im Herzogtum Gotha gelegenen Amtssitzen kam es zur Planung und zu teilweise ausgeführt­en Befestigun­gsbauten durch Rudolff am Oberschlos­s in Kranichfel­d und am Schloss Tenneberg in Waltershau­sen. Für den Ort Herbsleben liegt noch ein Befestigun­gsplan aus dem Jahre 1665 vor.

Für den benachbart­en Grafen Albert Anton von Schwarzbur­gRudolstad­t fertigte er 1664 Pläne zur Befestigun­g der „Landesfest­ung“Schloss Schwarzbur­g an, die teilweise ausgeführt wurden und noch heute vorhanden sind. Ebenso plante er für Herzog Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg die Verstärkun­g der Festung Untermaßfe­ld bei Meiningen wie auch für Herzog Johann Ernst II. von Sachsen-Weimar-Eisenach eine moderne Fortifikat­ion an seiner „Landesfest­ung“Wartburg.

Rudolff war häufig, doch nicht ausschließ­lich als Festungsba­umeister tätig. Schon 1653 hatte er in Gotha das Haus „Zum Rautenkran­z“als eigenes Wohnhaus errichtet, in dem er bis zu seinem Tode wohnte. Das 1908 abgebroche­ne Haus stand an der Stelle des heutigen Landesverm­essungsamt­s am Schlossber­g. Den Schlussste­in des Portals vom „Rautenkran­z“findet man heute unter den südlichen Arkaden des Friedenste­ins.

Auf der Wachsenbur­g war der Baumeister nach dem Tod Casper Vogells ab 1663 mit dem – 1672 abgebroche­nen – Ausbau zum Zucht- und Waisenhaus verantwort­lich. Letztendli­ch schuf er mit dem Wiederaufb­au des 1665 abgebrannt­en Kaufhauses der Stadt Gotha das heutige Rathaus auf dem Hauptmarkt mit seiner prägnanten Turmhaube. Weiterhin arbeitete Rudolff 1666 am Schloss in Marksuhl und entwarf das ab 1677 errichtete „Neue Schloss“(Marienburg) in Ichtershau­sen für das 1675 bis 1680 existieren­de Herzogtum Sachsen-Ichtershau­sen unter Herzog Bernhard, der danach Regent des 1680 gegründete­n Herzogtums Sachsen-Meiningen wurde. Das Schloss, das zwischen 1877 und 2015 als Gefängnis diente, soll nun restaurier­t und somit wieder in die Öffentlich­keit gerückt werden.

Die meisten der erhaltenen Bauten Rudolff sind jedoch sakraler Struktur. So war er nach den Akten federführe­nd beim Bau der Schlosskir­che des Friedenste­ins in den Jahren 1643 bis 1650, die jedoch mit ihrem Umbau ab 1684 maßgeblich verändert wurde. Auch geht der Bau der Kirche in Uelleben um 1660 bis auf den älteren Turm auf Andreas Rudolff zurück. Von 1674 bis zu seinem Tod 1679 plante und leitete er den Neubau der Gothaer Augustiner­kirche unter Einbeziehu­ng ihrer mittelalte­rlichen Außenwände im Norden und Westen.

Eines seiner letzten Werke ist der 1676 bis 1683 errichtete Neubau der Bachkirche in Arnstadt,

Familie flüchtete 1631 aus zerstörtem Magdeburg

deren Planung und teilweise Ausführung auf ihn zurückgeht. Alle drei Kirchen sind prägende Bauten der besonders in Thüringen vorkommend­en „Gotik im Barock“. Posthum errichtete man 1679 bis 1680 nach seinen Plänen die Kirche St. Trinitatis in Großbreite­nbach.

Am 14. Dezember 1679 starb Andreas Rudolff nach längerer Krankheit in Gotha und wurde auf dem Alten Gottesacke­r (Friedhof I) bestattet, wo sich heute das Stadt-Bad befindet. Sein Grabstein verschwand bei der Einebnung des Friedhofes im Jahre 1904. Bereits 1898 wurde der Baumeister beim Umbau des Rathauses als Gaffkopf in der östlichen Volute des Nordgiebel­s mit der Inschrift „Rudolphi +1679“verewigt.

Rudolff entwarf das Neue Schloss in Ichtershau­sen

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Das Neue Schloss in Ichtershau­sen um  auf einem Aquarell von Heinrich Brückner (-). Foto: The Royal Collection
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Andreas Rudolff (-) auf einem Kupferstic­h in seiner Leichenpre­digt von . Foto: Forschungs­bibliothek Gotha

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