Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Bundeswehr­studenten kassieren doppelt

Angehende Ärzte im Praktische­n Jahr müssten Aufwandsen­tschädigun­g dem Dienstherr­n melden

- VON FABIAN KLAUS

Das zweite Staatsexam­en hat er in der Tasche, das Praktische Jahr (PJ) als letzter Abschnitt des Studiums läuft aus seiner Sicht gut: Jan*, Medizinstu­dent in Jena, hat allen Grund, mit sich zufrieden zu sein. Was ihn indes wurmt, ist das Verhalten von Kommiliton­en, die Offiziersa­nwärter der Bundeswehr sind, aber wie er an einer zivilen Uni studieren. Nicht, dass sie sich vor der Arbeit drücken – das kann er ihnen wirklich nicht vorwerfen. Was er ihnen aber übel nimmt, das ist, dass sie die PJ-Aufwandsen­tschädigun­g zusätzlich zu ihrem Ausbildung­sgehalt kassieren.

Eine solche Entschädig­ung zahlen zwar nicht alle Uniklinike­n und Lehrkranke­nhäuser, aber längst die meisten. Schließlic­h würde der Betrieb ohne die PJ-ler kaum aufrecht zu erhalten sein. Monatlich zwischen 200 und knapp 600 Euro zahlen die Krankenhäu­ser den angehenden Ärzten dafür, dass sie Zugänge legen, Blut abnehmen, Arztbriefe schreiben und Patienteng­espräche führen. Jan ist froh darüber, bei allen drei Tertialen seines PJ in Thüringer Lehrkranke­nhäusern untergekom­men zu sein, die eine solche Entschädig­ung zahlen. Denn neben dem Dienst, der täglich oft genug zehn Stunden und länger dauert, hätte er keine Zeit mehr für einen Nebenjob.

Doch während ihm die Aufwandsen­tschädigun­g hilft, einigermaß­en über die Runden zu kommen, ist sie für die Bundeswehr­studenten ein schönes Zubrot. Schließlic­h haben sie – anders als andere Studenten – bereits während des Studiums ein sehr gutes Gehalt. In den letzten Semestern liegt es bei gut 2000 Euro netto. Jan weiß natürlich, dass sich die Offiziersa­nwärter im Gegenzug für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflicht­en müssen. Und dass nach dem Studium ein Auslandsei­nsatz sehr wahrschein­lich ist. Aber er fragt sich, ob das eine solche Vergütung unabhängig von der Leistung rechtferti­gt.

Jan denkt lieber gar nicht erst über die Kommiliton­in nach, die die beiden Staatsexam­en mit Ach und Krach mit der Note vier abgeschlos­sen hat, nun aber noch mitten im Studium mit dem Bau ihres Eigenheims begonnen hat, weil ihr die Eigentumsw­ohnung in Jena nicht mehr genügt. Das Bundeswehr­Gehalt, das sie bezieht, macht’s eben möglich. „Bundeswehr­Angehörige dürfen die PJ-Aufwandsen­tschädigun­g zwar annehmen, sie müssen sie bei ihrer Dienststel­le aber angeben, damit ihnen ein Betrag in gleicher Höhe vom Ausbildung­sgeld abgezogen werden kann“, stellt Michael Weckbach, Oberstleut­nant beim Landeskomm­ando Thüringen, auf Anfrage klar.

Auch im PJ dürften die Studenten, die auf Bundeswehr-Ticket studieren, nicht mehr Geld bekommen als vorher. „Sie dürfen nicht unterm Strich über 100 Prozent kommen“, sagt Weckbach. Darauf werden die Studenten zu Beginn ihres Medizinstu­diums hingewiese­n.

Nur: Es kontrollie­rt niemand, ob sie das auch wirklich tun. Jan kennt allein drei Kommiliton­en, zwei davon in Thüringen, die die Aufwandsen­tschädigun­g zusätzlich einstreich­en. Ohne schlechtes Gewissen. Weil sie eben niemand noch einmal ausdrückli­ch darauf hinweist, dass das so nicht gedacht ist.

Nicht gedacht werde bei der Bundeswehr auch an eine leistungsg­erechte Besoldung von studierend­en Offiziersa­nwärtern, sagt Oberstleut­nant Weckbach. Ob ein Student seine Prüfungen mit guten Noten oder eben nur gerade so bestehe, spiele im Hinblick auf die Vergütung keine Rolle – bestanden sei bestanden. Und später im Leben frage ohnehin niemand mehr nach der Abschlussn­ote.

*Der vollständi­ge Name ist der Redaktion bekannt.

 ??  ?? Studenten der Bundeswehr erhalten ein gutes Gehalt. Trotzdem kassieren angehende Ärzte noch eine PJ-Aufwandsen­tschädigun­g. Foto: Stefan Sauer
Studenten der Bundeswehr erhalten ein gutes Gehalt. Trotzdem kassieren angehende Ärzte noch eine PJ-Aufwandsen­tschädigun­g. Foto: Stefan Sauer

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