Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Bundeswehrstudenten kassieren doppelt
Angehende Ärzte im Praktischen Jahr müssten Aufwandsentschädigung dem Dienstherrn melden
Das zweite Staatsexamen hat er in der Tasche, das Praktische Jahr (PJ) als letzter Abschnitt des Studiums läuft aus seiner Sicht gut: Jan*, Medizinstudent in Jena, hat allen Grund, mit sich zufrieden zu sein. Was ihn indes wurmt, ist das Verhalten von Kommilitonen, die Offiziersanwärter der Bundeswehr sind, aber wie er an einer zivilen Uni studieren. Nicht, dass sie sich vor der Arbeit drücken – das kann er ihnen wirklich nicht vorwerfen. Was er ihnen aber übel nimmt, das ist, dass sie die PJ-Aufwandsentschädigung zusätzlich zu ihrem Ausbildungsgehalt kassieren.
Eine solche Entschädigung zahlen zwar nicht alle Unikliniken und Lehrkrankenhäuser, aber längst die meisten. Schließlich würde der Betrieb ohne die PJ-ler kaum aufrecht zu erhalten sein. Monatlich zwischen 200 und knapp 600 Euro zahlen die Krankenhäuser den angehenden Ärzten dafür, dass sie Zugänge legen, Blut abnehmen, Arztbriefe schreiben und Patientengespräche führen. Jan ist froh darüber, bei allen drei Tertialen seines PJ in Thüringer Lehrkrankenhäusern untergekommen zu sein, die eine solche Entschädigung zahlen. Denn neben dem Dienst, der täglich oft genug zehn Stunden und länger dauert, hätte er keine Zeit mehr für einen Nebenjob.
Doch während ihm die Aufwandsentschädigung hilft, einigermaßen über die Runden zu kommen, ist sie für die Bundeswehrstudenten ein schönes Zubrot. Schließlich haben sie – anders als andere Studenten – bereits während des Studiums ein sehr gutes Gehalt. In den letzten Semestern liegt es bei gut 2000 Euro netto. Jan weiß natürlich, dass sich die Offiziersanwärter im Gegenzug für 17 Jahre bei der Bundeswehr verpflichten müssen. Und dass nach dem Studium ein Auslandseinsatz sehr wahrscheinlich ist. Aber er fragt sich, ob das eine solche Vergütung unabhängig von der Leistung rechtfertigt.
Jan denkt lieber gar nicht erst über die Kommilitonin nach, die die beiden Staatsexamen mit Ach und Krach mit der Note vier abgeschlossen hat, nun aber noch mitten im Studium mit dem Bau ihres Eigenheims begonnen hat, weil ihr die Eigentumswohnung in Jena nicht mehr genügt. Das BundeswehrGehalt, das sie bezieht, macht’s eben möglich. „BundeswehrAngehörige dürfen die PJ-Aufwandsentschädigung zwar annehmen, sie müssen sie bei ihrer Dienststelle aber angeben, damit ihnen ein Betrag in gleicher Höhe vom Ausbildungsgeld abgezogen werden kann“, stellt Michael Weckbach, Oberstleutnant beim Landeskommando Thüringen, auf Anfrage klar.
Auch im PJ dürften die Studenten, die auf Bundeswehr-Ticket studieren, nicht mehr Geld bekommen als vorher. „Sie dürfen nicht unterm Strich über 100 Prozent kommen“, sagt Weckbach. Darauf werden die Studenten zu Beginn ihres Medizinstudiums hingewiesen.
Nur: Es kontrolliert niemand, ob sie das auch wirklich tun. Jan kennt allein drei Kommilitonen, zwei davon in Thüringen, die die Aufwandsentschädigung zusätzlich einstreichen. Ohne schlechtes Gewissen. Weil sie eben niemand noch einmal ausdrücklich darauf hinweist, dass das so nicht gedacht ist.
Nicht gedacht werde bei der Bundeswehr auch an eine leistungsgerechte Besoldung von studierenden Offiziersanwärtern, sagt Oberstleutnant Weckbach. Ob ein Student seine Prüfungen mit guten Noten oder eben nur gerade so bestehe, spiele im Hinblick auf die Vergütung keine Rolle – bestanden sei bestanden. Und später im Leben frage ohnehin niemand mehr nach der Abschlussnote.
*Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.