Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Trumps Beraterin erfindet Massaker
Kellyanne Conway rechtfertigt Einreisebeschränkungen in den USA mit einem Terroranschlag, den es nie gab
Donald Trump hat seinen Wahlsieg nicht nur eingängigen Botschaften, seinen Twitter-Nachrichten und den Beleidigungen politischer Gegner zu verdanken. Im Hintergrund hatte er stets professionelle Hilfe von Beratern. Der Erfolg seiner Kampagne geht zu großen Teilen auf das Konto einer Frau, die erst im Sommer 2016 zu Trumps Team stieß: Kellyanne Conway. Die ehemalige Meinungsforscherin, die vor wenigen Tagen 50 Jahre alt geworden ist, versucht derzeit, Trumps erste Schritte als Präsident zu erklären.
Zum Beispiel am Donnerstag, zur besten Fernsehsendezeit. Conway verteidigt in der Sendung „Hardball“das von Trump erlassene Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimisch geprägten Staaten, darunter der Irak. Mitten im Gespräch mit Moderator Chris Matthews sagt sie plötzlich, sie habe „brandneue Informationen“. Schon Präsident Barack Obama habe ein halbes Jahr lang keine irakischen Flüchtlinge in die USA gelassen, „nachdem zwei Irakis ins Land kamen, radikalisiert wurden und die Drahtzieher hinter dem BowlingGreen-Massaker waren“. Und Conway beeilt sich, anzufügen: „Die meisten Leute wissen nichts davon, weil darüber nicht berichtet wurde.“
Ein Massaker in der Kleinstadt Bowling Green im USBundesstaat Kentucky, über das nicht berichtet wurde? Dem Moderator fällt das nicht auf. Aber die Fernsehzuschauer stutzen. Viele recherchieren und finden heraus: Es gab kein durch Iraker verübtes Massaker in Bowling Green. „Es passierte nie“, titelt die „Washington Post“. „Ich werde niemals nicht vergessen, was ich damals nicht gesehen habe“, spottet ein Twitter-Nutzer.
Das alles wäre nur eine Fußnote, wenn Trump selbst, sein Pressesprecher und eben Berater wie Conway den Medien nicht vorwerfen würden, zu lügen. Minutenlang kann sich der Präsident darüber aufregen, dass ein Reporter – fälschlicherweise – behauptet hat, die Büste von Martin Luther King sei aus dem Oval Office verbannt worden. Für Trump ist die Geschichte der Beweis, dass Journalisten „die unehrlichsten Menschen“sind. Berichte, wonach die Zuschauermenge bei seiner Amtseinführung kleiner war als bei Obamas, findet Trump falsch – auch wenn Fotos das belegen. In diesem Streit prägte Kellyanne Conway den inzwischen legendären Begriff der „alternativen Fakten“. Sie sagte: „Sie sagen, dass es eine falsche Behauptung ist, und Sean Spicer, unser Pressesprecher, hat alternative Fakten dazu vorgelegt.“Spicer hatte behauptet, er habe „das größte Publikum“gesehen, „das je Zeuge einer Amtseinführung geworden ist“. Ohne Beleg.
Genauso wenig wie für das Massaker, das Conway erfand. Es dauert rund zwölf Stunden, bis die Beraterin das einräumt. „Ich wollte sagen: BowlingGreen-Terroristen“, twittert sie und verweist auf einen Fernsehbeitrag von vor gut drei Jahren. Darin wird geschildert, wie das FBI im Jahr 2011 zwei irakischen Staatsbürgern auf die Spur kam, die 2009 als Flüchtlinge in die USA kamen und 2005 im Irak an einem Sprengstoffanschlag auf US-Soldaten beteiligt waren. Beide lebten in der Kleinstadt Bowling Green. Videoaufnahmen zeigen sie mit Waffen, die sie offenbar in den Irak zurückschicken wollten. „Sie hätten damit einen Anschlag verüben können“, sagt ein FBI-Agent. Dazu kam es nicht. Obama verhängte keinen Einreisestopp, wie die Faktenprüfung durch die „Washington Post“ergab. Danach wurden die Überprüfungen bei der Einreise nur verschärft. Und: Die beiden Iraker radikalisierten sich nicht erst in den USA.
Conway kümmert das nicht. Sie twittert am Freitag den Verweis zum Fernsehbeitrag mit den Worten: „LESEN: BowlingGreen-Terroristen. USA könnten Dutzende Al-Qaida-Terroristen als Flüchtlinge ins Land gelassen haben.“Dann beschimpft sie noch einen Journalisten und relativiert ihren eigenen Fehler: Könne halt passieren, so wie Journalisten ja die Falschmeldung mit der MartinLuther-King-Büste in die Welt gesetzt hätten. „Tief Luft holen“, empfiehlt sie.
Nach zwölf Stunden rudert Conway zurück