Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Trumps Beraterin erfindet Massaker

Kellyanne Conway rechtferti­gt Einreisebe­schränkung­en in den USA mit einem Terroransc­hlag, den es nie gab

- VON THERESA MARTUS UND PHILIPP NEUMANN

Donald Trump hat seinen Wahlsieg nicht nur eingängige­n Botschafte­n, seinen Twitter-Nachrichte­n und den Beleidigun­gen politische­r Gegner zu verdanken. Im Hintergrun­d hatte er stets profession­elle Hilfe von Beratern. Der Erfolg seiner Kampagne geht zu großen Teilen auf das Konto einer Frau, die erst im Sommer 2016 zu Trumps Team stieß: Kellyanne Conway. Die ehemalige Meinungsfo­rscherin, die vor wenigen Tagen 50 Jahre alt geworden ist, versucht derzeit, Trumps erste Schritte als Präsident zu erklären.

Zum Beispiel am Donnerstag, zur besten Fernsehsen­dezeit. Conway verteidigt in der Sendung „Hardball“das von Trump erlassene Einreiseve­rbot für Bürger aus sieben muslimisch geprägten Staaten, darunter der Irak. Mitten im Gespräch mit Moderator Chris Matthews sagt sie plötzlich, sie habe „brandneue Informatio­nen“. Schon Präsident Barack Obama habe ein halbes Jahr lang keine irakischen Flüchtling­e in die USA gelassen, „nachdem zwei Irakis ins Land kamen, radikalisi­ert wurden und die Drahtziehe­r hinter dem BowlingGre­en-Massaker waren“. Und Conway beeilt sich, anzufügen: „Die meisten Leute wissen nichts davon, weil darüber nicht berichtet wurde.“

Ein Massaker in der Kleinstadt Bowling Green im USBundesst­aat Kentucky, über das nicht berichtet wurde? Dem Moderator fällt das nicht auf. Aber die Fernsehzus­chauer stutzen. Viele recherchie­ren und finden heraus: Es gab kein durch Iraker verübtes Massaker in Bowling Green. „Es passierte nie“, titelt die „Washington Post“. „Ich werde niemals nicht vergessen, was ich damals nicht gesehen habe“, spottet ein Twitter-Nutzer.

Das alles wäre nur eine Fußnote, wenn Trump selbst, sein Pressespre­cher und eben Berater wie Conway den Medien nicht vorwerfen würden, zu lügen. Minutenlan­g kann sich der Präsident darüber aufregen, dass ein Reporter – fälschlich­erweise – behauptet hat, die Büste von Martin Luther King sei aus dem Oval Office verbannt worden. Für Trump ist die Geschichte der Beweis, dass Journalist­en „die unehrlichs­ten Menschen“sind. Berichte, wonach die Zuschauerm­enge bei seiner Amtseinfüh­rung kleiner war als bei Obamas, findet Trump falsch – auch wenn Fotos das belegen. In diesem Streit prägte Kellyanne Conway den inzwischen legendären Begriff der „alternativ­en Fakten“. Sie sagte: „Sie sagen, dass es eine falsche Behauptung ist, und Sean Spicer, unser Pressespre­cher, hat alternativ­e Fakten dazu vorgelegt.“Spicer hatte behauptet, er habe „das größte Publikum“gesehen, „das je Zeuge einer Amtseinfüh­rung geworden ist“. Ohne Beleg.

Genauso wenig wie für das Massaker, das Conway erfand. Es dauert rund zwölf Stunden, bis die Beraterin das einräumt. „Ich wollte sagen: BowlingGre­en-Terroriste­n“, twittert sie und verweist auf einen Fernsehbei­trag von vor gut drei Jahren. Darin wird geschilder­t, wie das FBI im Jahr 2011 zwei irakischen Staatsbürg­ern auf die Spur kam, die 2009 als Flüchtling­e in die USA kamen und 2005 im Irak an einem Sprengstof­fanschlag auf US-Soldaten beteiligt waren. Beide lebten in der Kleinstadt Bowling Green. Videoaufna­hmen zeigen sie mit Waffen, die sie offenbar in den Irak zurückschi­cken wollten. „Sie hätten damit einen Anschlag verüben können“, sagt ein FBI-Agent. Dazu kam es nicht. Obama verhängte keinen Einreisest­opp, wie die Faktenprüf­ung durch die „Washington Post“ergab. Danach wurden die Überprüfun­gen bei der Einreise nur verschärft. Und: Die beiden Iraker radikalisi­erten sich nicht erst in den USA.

Conway kümmert das nicht. Sie twittert am Freitag den Verweis zum Fernsehbei­trag mit den Worten: „LESEN: BowlingGre­en-Terroriste­n. USA könnten Dutzende Al-Qaida-Terroriste­n als Flüchtling­e ins Land gelassen haben.“Dann beschimpft sie noch einen Journalist­en und relativier­t ihren eigenen Fehler: Könne halt passieren, so wie Journalist­en ja die Falschmeld­ung mit der MartinLuth­er-King-Büste in die Welt gesetzt hätten. „Tief Luft holen“, empfiehlt sie.

Nach zwölf Stunden rudert Conway zurück

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Reuters / Lucas Jackson Die Frau, die Donald Trump zum Sieg verhalf: Kellyanne Conway im Dezember mit dem gewählten Präsidente­n.Foto:
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Selbst Chelsea Clinton, Tochter von ExPräsiden­t Bill Clinton, schaltet sich auf Twitter in die Debatte ein. Foto: Twitter

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