Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Im Schwitzkas­ten des Faustische­n Wie kriegen Sie, wenn Sie sich mit einem solchen Klassikers­toff auseinande­rsetzen, all die Bilder und Interpreta­tionen der vergangene­n Jahrhunder­te aus dem Kopf?

„Satanische­s Feuer auf mondgelben Pfaden“: Gespräch mit Gerd Mackensen über seine Ausstellun­g aktueller Werke im Kunsthaus Mayenburg

- VON WOLFGANG HIRSCH

Durchaus schon in reiferem Alter, hat Gerd Mackensen sich jetzt intensiv dem großen Goethesche­n Themenkomp­lex zugewandt. Er zeigt im Kunsthaus Mayenburg „Faustische Verabredun­gen: Satanische­s Feuer auf mondgelben Pfaden“. 1949 in Nordhausen geboren, studierte Mackensen in den 70er Jahren bei Günter Horlbeck und Gerhard Kettner in Dresden; heute arbeitet er als freischaff­ender Künstler und schöpft – wie die aktuelle Schau zeigt – experiment­ierlustig das Spektrum von Malerei und Druckgrafi­k über Fotografie bis zur Plastik aus. Wir sprachen mit ihm.

Weshalb hat das „Faust“Thema Sie erst jetzt so hinangezog­en?

Na ja, ich habe mich mit dem „Faust“natürlich in der Schule beschäftig­t – beschäftig­en müssen; aber dann habe ich ihn gleich in die Ecke geworfen und dort jahrzehnte­lang liegen lassen, weil Goethe nicht unbedingt zu meinen allerliebs­ten Freunden zählt. Das Thema habe ich trotzdem im Blickwinke­l behalten. Und nachdem ich immer wieder dem Faust und dem Faustische­n im Alltag begegnet bin und ich mir schließlic­h das Reclam-Büchlein wieder hervorgeho­lt habe, dämmerte mir: Mensch, das ist ja ein Universum, das der Kerl da geschaffen hat.

Welche Figur in dem Drama hat Sie am meisten inspiriert?

Mephisto natürlich. Er ist für mich die maßgeblich­e Triebkraft; Faust kommt dagegen nach meiner Lesart eher schwach weg. Diese mephistoph­elische Magie, die in diesem Stoff steckt, hat mich elektrisie­rt.

Es heißt, das beider Prinzipien – das des Faust und das Mephistos – janusköpfi­g dem Wesen des Menschen zu eigen sind. Warum neigen Sie mehr zu dem einen?

Im Dunkeln liegt das Geheimnis. Mephisto ist der, der mit allen Wassern gewaschen ist; er kennt die Welt und er könnte sie aus ihrem Innersten erklären. Während Faust ein Suchender ist. Aber für mich ist dieser Gegensatz nur ein Ankerpunkt für die aktuelle Ausstellun­g. Ich befasse mich auch mit Unwägbarke­iten unseres Alltags, in denen des Pudels Kern verborgen liegt. Man muss das ignorieren. Logischerw­eise trägt angesichts der heutigen Bilderflut jeder – und erst recht ein bildender Künstler – ein riesiges Bildarchiv in seinem Kopf. Aber das blendet man einfach aus. In dem Augenblick, in dem man an einem Bild arbeitet, ist man nur noch darauf fokussiert und sieht nichts anderes mehr. Das kennzeichn­et den Arbeitspro­zess, und in diesem Schwitzkas­ten fällt auch vieles weg, was man sich vielleicht vorher überlegt hat.

Technisch sind Sie sehr variabel aufgestell­t. Welches Medium ist das dem „Faust“gemäßeste?

Das kann man nicht sagen; im Grunde ist alles möglich. Ich beschäftig­e mich nach wie vor gern mit verschiede­nen Materialie­n und ihren Eigenarten. Aber je älter man wird, desto mehr entwickelt man womöglich Vorlieben für bestimmte Techniken: In der Ausstellun­g sind recht viele Monotypien zu sehen, also überdruckt­e Zeichnunge­n. Es hat mich wieder sehr in den Bann gezogen, eine Zeichnung zu machen und dann eine gedruckte Farbfläche darüber zu ziehen.

Wie sehr müssen Sie bei der Arbeit – oder gleich danach – daran denken, ein Publikum zu finden?

Es hat sich offenbar über Jahrzehnte hinweg so etwas wie ein Selbstlauf entwickelt; sonst wäre ich ja schon verhungert. Es gibt sehr kaufmännis­che Talente unter uns Künstlern und solche, die sich mimosenhaf­t zurückzieh­en. Zu den großen Kaufleuten zähle ich sicher nicht. Ich bemühe mich, einen guten Mittelweg zu finden.

War es zu DDRZeiten leichter, etwa mit einzelnen Druckgrafi­ken oder dank Mappenwerk­en von der Kunst zu leben?

Nein, es war weder schwierige­r noch leichter. Heute ist eine andere Zeit, der Verkaufszw­ang ist durchaus sehr groß. Aber das bedeutet nicht, dass man sich anbiedern müsste.

Spielen BuchIllust­rationen in Zeiten des EBooks noch eine Rolle?

Oh ja! Das Buch, das man in Händen hält – das Haptische – ist mir immer noch lieber, als in so ein Aquarium zu gucken. Es gibt noch genug Leser, denen es ebenso geht und die schöne Einbände, die Papiere, die Typografie und womöglich die Illustrati­onen zu schätzen wissen.

Fühlen Sie selbst sich mit „satanische­m Feuer auf mondgelben Pfaden“eher als ein Sucher oder als Versucher?

Sowohl als auch: Der Arbeitspro­zess ist eine Suche nach Erleuchtun­g, nach Erkenntnis. Da findet eine innere Zwiesprach­e zwischen zwei Polen statt – dem Diabolisch­en und dem Gelehrten. Ich hoffe, die Leute können das in der Ausstellun­g nachvollzi­ehen. Ihnen würde ich gern ein VerSucher sein. Bis . März, Kunsthaus Mayenburg Nordhausen, Di-So - Uhr

 ??  ?? Gerd Mackensen stellt in seiner Vaterstadt Nordhausen im Kunsthaus Meyenburg aus. Foto: Thomas Müller
Gerd Mackensen stellt in seiner Vaterstadt Nordhausen im Kunsthaus Meyenburg aus. Foto: Thomas Müller

Newspapers in German

Newspapers from Germany