Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Im Schwitzkasten des Faustischen Wie kriegen Sie, wenn Sie sich mit einem solchen Klassikerstoff auseinandersetzen, all die Bilder und Interpretationen der vergangenen Jahrhunderte aus dem Kopf?
„Satanisches Feuer auf mondgelben Pfaden“: Gespräch mit Gerd Mackensen über seine Ausstellung aktueller Werke im Kunsthaus Mayenburg
Durchaus schon in reiferem Alter, hat Gerd Mackensen sich jetzt intensiv dem großen Goetheschen Themenkomplex zugewandt. Er zeigt im Kunsthaus Mayenburg „Faustische Verabredungen: Satanisches Feuer auf mondgelben Pfaden“. 1949 in Nordhausen geboren, studierte Mackensen in den 70er Jahren bei Günter Horlbeck und Gerhard Kettner in Dresden; heute arbeitet er als freischaffender Künstler und schöpft – wie die aktuelle Schau zeigt – experimentierlustig das Spektrum von Malerei und Druckgrafik über Fotografie bis zur Plastik aus. Wir sprachen mit ihm.
Weshalb hat das „Faust“Thema Sie erst jetzt so hinangezogen?
Na ja, ich habe mich mit dem „Faust“natürlich in der Schule beschäftigt – beschäftigen müssen; aber dann habe ich ihn gleich in die Ecke geworfen und dort jahrzehntelang liegen lassen, weil Goethe nicht unbedingt zu meinen allerliebsten Freunden zählt. Das Thema habe ich trotzdem im Blickwinkel behalten. Und nachdem ich immer wieder dem Faust und dem Faustischen im Alltag begegnet bin und ich mir schließlich das Reclam-Büchlein wieder hervorgeholt habe, dämmerte mir: Mensch, das ist ja ein Universum, das der Kerl da geschaffen hat.
Welche Figur in dem Drama hat Sie am meisten inspiriert?
Mephisto natürlich. Er ist für mich die maßgebliche Triebkraft; Faust kommt dagegen nach meiner Lesart eher schwach weg. Diese mephistophelische Magie, die in diesem Stoff steckt, hat mich elektrisiert.
Es heißt, das beider Prinzipien – das des Faust und das Mephistos – janusköpfig dem Wesen des Menschen zu eigen sind. Warum neigen Sie mehr zu dem einen?
Im Dunkeln liegt das Geheimnis. Mephisto ist der, der mit allen Wassern gewaschen ist; er kennt die Welt und er könnte sie aus ihrem Innersten erklären. Während Faust ein Suchender ist. Aber für mich ist dieser Gegensatz nur ein Ankerpunkt für die aktuelle Ausstellung. Ich befasse mich auch mit Unwägbarkeiten unseres Alltags, in denen des Pudels Kern verborgen liegt. Man muss das ignorieren. Logischerweise trägt angesichts der heutigen Bilderflut jeder – und erst recht ein bildender Künstler – ein riesiges Bildarchiv in seinem Kopf. Aber das blendet man einfach aus. In dem Augenblick, in dem man an einem Bild arbeitet, ist man nur noch darauf fokussiert und sieht nichts anderes mehr. Das kennzeichnet den Arbeitsprozess, und in diesem Schwitzkasten fällt auch vieles weg, was man sich vielleicht vorher überlegt hat.
Technisch sind Sie sehr variabel aufgestellt. Welches Medium ist das dem „Faust“gemäßeste?
Das kann man nicht sagen; im Grunde ist alles möglich. Ich beschäftige mich nach wie vor gern mit verschiedenen Materialien und ihren Eigenarten. Aber je älter man wird, desto mehr entwickelt man womöglich Vorlieben für bestimmte Techniken: In der Ausstellung sind recht viele Monotypien zu sehen, also überdruckte Zeichnungen. Es hat mich wieder sehr in den Bann gezogen, eine Zeichnung zu machen und dann eine gedruckte Farbfläche darüber zu ziehen.
Wie sehr müssen Sie bei der Arbeit – oder gleich danach – daran denken, ein Publikum zu finden?
Es hat sich offenbar über Jahrzehnte hinweg so etwas wie ein Selbstlauf entwickelt; sonst wäre ich ja schon verhungert. Es gibt sehr kaufmännische Talente unter uns Künstlern und solche, die sich mimosenhaft zurückziehen. Zu den großen Kaufleuten zähle ich sicher nicht. Ich bemühe mich, einen guten Mittelweg zu finden.
War es zu DDRZeiten leichter, etwa mit einzelnen Druckgrafiken oder dank Mappenwerken von der Kunst zu leben?
Nein, es war weder schwieriger noch leichter. Heute ist eine andere Zeit, der Verkaufszwang ist durchaus sehr groß. Aber das bedeutet nicht, dass man sich anbiedern müsste.
Spielen BuchIllustrationen in Zeiten des EBooks noch eine Rolle?
Oh ja! Das Buch, das man in Händen hält – das Haptische – ist mir immer noch lieber, als in so ein Aquarium zu gucken. Es gibt noch genug Leser, denen es ebenso geht und die schöne Einbände, die Papiere, die Typografie und womöglich die Illustrationen zu schätzen wissen.
Fühlen Sie selbst sich mit „satanischem Feuer auf mondgelben Pfaden“eher als ein Sucher oder als Versucher?
Sowohl als auch: Der Arbeitsprozess ist eine Suche nach Erleuchtung, nach Erkenntnis. Da findet eine innere Zwiesprache zwischen zwei Polen statt – dem Diabolischen und dem Gelehrten. Ich hoffe, die Leute können das in der Ausstellung nachvollziehen. Ihnen würde ich gern ein VerSucher sein. Bis . März, Kunsthaus Mayenburg Nordhausen, Di-So - Uhr