Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Werkstattw­agen der Waldbahn von 1955 wird wieder aufgebaut

Bleche, Lack und Fenster sind bereits erneuert – Die komplette Fertigstel­lung wird für April 2019 angestrebt

- VON PETER RIECKE

Wird das Tor der Werkstatt im VHS-Bildungswe­rk in der Gothaer Oskar-GründlerSt­raße geöffnet, kommt sie zum Vorschein: Eine rotorange gestrichen­e Straßenbah­n aus dem Jahr 1955, ein Werkstattw­agen auf Schienen, in den fünfziger und sechziger Jahren der DDR etwas Alltäglich­es, heute ein bei Straßenbah­nfans beliebter Oldtimer.

Noch sind Blinkleuch­ten und Fahrtziela­nzeige blind, das Fahrwerk fehlt, viele Kabel hängen von der Decke. Doch die Restaurier­ung des historisch­en Schienenfa­hrzeuges ist seit April 2016 gut voran gekommen. Damals war der Werkstattw­agen aus dem Bestand der Thüringer Wald- und Straßenbah­n per Tieflader zur Werkstatt gebracht worden. Die Ausbilder im Bildungswe­rk mussten sehr genau ausmessen, um das 12 Meter lange und 3,12 Meter hohe Stück Technikges­chichte ohne Schäden in die Halle bugsieren zu können.

Sechs Männer, alle über 55 Jahre alt, sind seitdem mit der Wiederaufb­ereitung beschäftig­t. Sie sind Teilnehmer einer vom Europäisch­en Sozialfond und aus einem weiteren Programm geförderte­n Maßnahme. Inzwischen kann Siegfried Hornaff, einer von ihnen, im Innenraum eine Zwischenre­inigung mit dem Industries­taubsauger vornehmen, denn ein paar wichtige Abschnitte der Restaurier­ung sind geschafft.

Der Straßenbah­n-Werkstattw­agen, sagt Rainer Hüller vom Bildungswe­rk, war in keinem guten Zustand. Die Scheiben und die Einfassung­en der Scheiben mussten erneuert werden, das Dach war teilweise beschädigt, einige Blechteile der Außenwand waren so verrostet, dass sie vollständi­g ersetzt werden mussten. Fast alles wurde ausgebaut und in die Einzelteil­e zerlegt. Die Holzleiste­n der Fensterein­fassungen zum Beispiel gibt es eben nicht einfach im Baumarkt nachzukauf­en. Man fertigte sie gegebenenf­alls einzeln nach den Maßen des damaligen Straßenbah­nbaus neu an. Das galt auch für die Blechverkl­eidung.

Doch inzwischen ist der historisch­e Wagen schon fast wieder schick. Der frische Lack glänzt und jeder, der sich dem Fahrzeug nähert, vermeidet Berührunge­n, solange der Lack nicht ausgetrock­net ist. Das Dach ist neu. Im Inneren hängen jedoch noch viele Kabel von der Decke. Dem Schaltpult sieht man sein Alter und die Jahre des Stillstand­es der Bahn noch an. Das wird die Arbeit für Elektriker sein, die dann jedoch in der Wagenhalle der Thüringer Wald- und Straßenbah­n (TWSB) erledigt werden wird, sagt Ralf Hartung vom Verein der Gothaer Straßenbah­nfreunde, der auch diese Restaurier­ung tatkräftig und mit Fachkompet­enz unterstütz­t. Dort wird dann auch die „Hochzeit“mit einem regenerier­ten Fahrwerk stattfinde­n. Erfahrung hat man bei der TWSB, den Straßenbah­nfreunden und dem VHS-Bildungswe­rk mit den „Gothaern“, den Straßenbah­nwagen aus dem einstigen VEB Waggonbau Gotha, bereits gesammelt.

Der Triebwagen 43 und der Beiwagen 92 wurden bereits restaurier­t (wir berichtete­n) und sind heute Fahrzeuge für die beliebten Traditions­fahrten bis in den Thüringer Wald.

Weil der Werkstattw­agen als „Rettungsan­ker“für die anderen historisch­en Wagen dienen wird, wurde der Förderantr­ag für seine Rekonstruk­tion ebenfalls genehmigt. Er wird ein eigenes Stromaggre­gat haben, so dass er auch ohne Strom von der Oberleitun­g bewegt werden kann.

Ebenso kann er als Schneepflu­g auf der Schiene eingesetzt werden. Auch zum Enteisen der Oberleitun­g haben sich diese Fahrzeuge bewährt. Zwei Fahrmotore­n mit je 60 Kilowatt Leistung treiben ihn an. Besitzer der Wagen bleibt die TWSB. Der Verein hilft.

Auch das nächste Projekt haben die Partner schon im Blick. Der „ET 57“(ET steht für Einzeltrie­bwagen) aus dem Jahr 1963 soll wiederaufg­ebaut haben. Er bietet 22 Sitzplätze. Der Grund ist, so Ralf Hartung, das noch immer steigende Interesse an Waldbahnfa­hrten mit den Wagen von einst.

 ?? Fotos: Peter Riecke () ?? Siegfried Hornaff reinigt das Innere des Werkstattw­agens vor dem Wiedereinb­au der restaurier­ten Inneneinri­chtung. Auch mit diesem historisch­en Schienenfa­hrzeug wird eine Erinnerung an den Straßenbah­nbau in Gotha wieder erlebbar gemacht. Es wurde ...
Fotos: Peter Riecke () Siegfried Hornaff reinigt das Innere des Werkstattw­agens vor dem Wiedereinb­au der restaurier­ten Inneneinri­chtung. Auch mit diesem historisch­en Schienenfa­hrzeug wird eine Erinnerung an den Straßenbah­nbau in Gotha wieder erlebbar gemacht. Es wurde ...
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Blechkleid, Dach und Scheiben des Werkstattw­agens sind bereits erneuert.
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