Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Das Gefühl von Größe

Eine neue Seilbahn macht aus St. Anton und LechZürs das größte Skigebiet Österreich­s. Für Gäste wird alles bequemer

- VON FLORIAN SANKTJOHAN­SER

Alle haben sie geschwärmt. Ein atemberaub­endes Panorama, sagte der Bürgermeis­ter. „What a view“, so der britische Familienva­ter am Morgen. Und nun: nichts als Schneetrei­ben vor den Glaswänden ringsum. Klar, endlich schneit es, darüber freuen sich alle. Aber man hätte doch gern mehr gesehen vom neuesten Wunderwerk der Seilbahnte­chnik, auf das sie überall am Arlberg so stolz sind.

„Die Flexenbahn ist ein Meilenstei­n“, sagt Christoph Pfefferkor­n. Die Kollegen in St. Anton und Warth-Schröcken jubeln nahezu wortgleich mit.

Pfefferkor­n, 34, ist Geschäftsf­ührer der Bergbahn Lech-Oberlech und will Arlbergs Zukunft im Konkurrenz­kampf der Skigebiete sichern.

45 Millionen Euro steckten die Betreiber in vier neue Zehner-Gondeln, das Herzstück ist die Flexenbahn. Von der Alpe Rauz nahe Stuben surrt sie hinauf zur neuen Bergstatio­n. Dort, in dem Y aus Beton und Glas, trifft sie die Trittkopfb­ahnen I und II auf Zürser Seite. Und schweißt damit, nach Jahrzehnte­n des Zauderns, die altehrwürd­igen Skigebiete LechZürs und St. Anton zusammen. 305 Pistenkilo­meter zählt der neue Gigant namens Ski Arlberg, damit ist man die Nummer eins in Österreich.

Und darauf ist man stolz. „Die Größe des Skigebiets ist das Entscheidu­ngskriteri­um Nummer eins“, sagt Pfefferkor­n. Ob die Gäste das riesige Gebiet überhaupt abfahren können, ist unerheblic­h. Es gehe um das Gefühl, viele Optionen zu haben.

Die Pointe: Durch die neuen Bahnen ist kein einziger Kilometer Piste neu hinzugekom­men. Und verbunden waren die Skigebiete de facto schon vorher. Seit 1981 kann man mit einem Skipass überall am Arlberg fahren, ein Pendelbus brachte die Gäste über den Flexenpass.

Nun fallen 120 Busfahrten pro Tag weg. Um die Weitläufig­keit zu zeigen, haben die Betreiber eine neue Rundroute ausgerufen. Der Run of Fame führt einmal durchs gesamte Riesengebi­et, von der Steffisalp in Warth bis zur Riffelscha­rte hoch über St. Anton – und zurück. 65 Kilometer Abfahrt, 18 000 Höhenmeter. Für gute Skifahrer in einem Tag machbar, versichern die Touristike­r. Allerdings muss man dafür zwei eventuell unplaniert­e Pisten meistern. Und eine Mittagspau­se ist sowieso nicht drin. Auch bleibt der Run of Fame ohne Orientieru­ngsschilde­r eher eine abstrakte Idee.

Und viel Arbeit. Bei jeder Liftfahrt kramt man den Faltplan aus der Tasche, verwirrt vom Geflecht der Pisten und Lifte. Dass manche Abfahrten von der Bergstatio­n bis zum Tal drei Mal die Nummer wechseln, hilft nicht. Aber egal, richtig falsch liegt man am Arlberg ja nie: Im schlimmste­n Fall ist die Piste ganz ok, im besten Fall Weltklasse. Und sinnvoller ist es ohnehin, sich für jedes Teilgebiet einen Tag Zeit zu nehmen.

Das gilt nun vor allem für Zürs und Stuben. Sie profitiere­n am meisten vom neuen Seilbahnqu­artett. Für die schöne Abfahrt vom Trittkopf nimmt man nun zweimal in Zehnergond­eln Platz, statt sich mit Dutzenden anderen Winterspor­tlern in eine Uraltgonde­l zu quetschen. Den größten Komfortspr­ung aber bringt die Albonabahn II.

Wer vom Albonagrat die herrlichen Pisten und Tiefschnee­Abfahrten der Nordhänge hinabwedel­n wollte, musste früher in zwei quälend langsamen Zweier-Sessellift­en im Wind bibbern. Jetzt tragen auch hier Zehner-Kabinenbah­nen von der Alpe Rauz auf den Grat hinauf.

Unverspurt­e Hänge werden die Freerider nun natürlich seltener finden. 30 000 Winterspor­tler kurven an Spitzentag­en durchs Skigebiet. Viel mehr sollen es trotz der High-Tech-Lifte nicht werden. Außer natürlich, wenn die Kollegen in St. Anton ihren nächsten Coup genehmigt bekommen – eine Verbindung über den Rendl nach Kappl im Paznauntal. Also schlussend­lich: nach Ischgl. ( dpa)

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Abfahrtssp­aß: Ski Arlberg bietet  Pistenkilo­meter – österreich­ischer Rekord. Foto: Sepp Mallaun / Lech Zürs Tourismus
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Die neue Flexenbahn macht aus Ski Arlberg das größte Skigebiet Österreich­s. Pistenkilo­meter sind durch den Zusammensc­hluss aber nicht dazugekomm­en. Foto: Ski Arlberg
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