Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Missstände hinter den Kulissen
Ob „Toni Erdmann“oder „Wild“: Frauen haben das Kinojahr geprägt – Aber sind sie in der Filmbranche auch gleichberechtigt?
BERLIN. Wie steht es um Frauen im Film: Sind sie nur Dekoration? Dazu hat die amerikanische Comic-Zeichnerin Alison Bechdel in den 80er-Jahren einen Test bekannt gemacht. Es geht um drei Fragen: Gibt es im Film mehr als zwei Frauen? Reden sie miteinander? Und reden sie über etwas anderes als Männer? Der BechdelTest wirft ein Schlaglicht auf Sexismus im Film. Er kam auch bei einer Tagung von Filmemacherinnen („Pro Quote Regie“) kurz vor der Berlinale zur Sprache.
Dort ging es um gerechte Löhne. Die Botschaft: Auch im Film verdienen Frauen nicht so gut wie Männer. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Dafür muss man wissen, wer bekommt wie viel. Die Bundesregierung hat gerade nach langem Streit einen Gesetzentwurf dazu verabschiedet. Die Debatte reicht in viele Winkel der Gesellschaft, auch in die Kultur, die als Frauendomäne gilt.
Wenn es um Regie geht, sind Frauen auch im Jahr 2017 längst nicht so präsent wie die Männer. Im Rennen um die Berlinale-Bären sind von 18 Filmen 4 von Regisseurinnen gedreht. Von den fast 400 Berlinale-Werken insgesamt stammen 125 von Filmemacherinnen. 2016 wurde wegen der erfolgreichen Filme „Toni Erdmann“, „Vor der Morgenröte“und „Wild“als „Jahr der Frauen“bejubelt.
Die Zahlen, die die GleichstellungsInitiative Pro Quote Regie nennt, klingen nüchtern: Im Kulturbereich verdienten Frauen im Schnitt 24 Prozent weniger als Männer. Bei Regie und Dramaturgie sollen es sogar 36 Prozent sein. Fördermittel gehen nur zu einem Bruchteil an Frauen.
Gründe finden sich einige: z.B. die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade beim Filmdreh oder die althergebrachten Rollenbilder. Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD) ist über die Zahlen aus der Branche „schockiert“. Eigentlich gehe es in Theater, Film und Fernsehen gesellschaftskritisch zu, sagt Schwesig. Die Missstände hinter den Kulissen seien ein Widerspruch dazu. „Es gibt viele Ursachen für die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern, aber nur, weil man sie erklären kann, heißt es ja nicht, dass sie richtig sind.“
Kirsten Niehuus, Chefin der Filmförderung beim Medienboard BerlinBrandenburg, hat beobachtet, dass deutlich weniger TV- und Kinofilme mit größerem Budget von Frauen gedreht werden. „Eine sachliche Begründung dafür gibt es nicht.“
Gerade die jüngsten Erfolge wie „Toni Erdmann“und „Ich bin dann mal weg“hätten gezeigt, dass Regisseurinnen genauso erfolgreich sein können wie ihre männlichen Kollegen, so Niehuus. „Wenn mehr Regisseurinnen von Sendern und Produzenten beauftragt werden, können sie auch mehr Förderung erhalten.“
Die Regisseurin Esther Gronenborn („Alaska.de“) meint, den Männern werde mehr zugetraut. Bei ihnen werde mehr auf das Potenzial geguckt als bei den Frauen. „Man kriegt keinen Fuß in die Tür.“Das Fernsehen sei dabei ein „Nadelöhr“. Der Schritt ins für die Kinobranche wichtige TV gelinge den Männern nach ihrem Debüt eher als den Frauen. Grundsätzlich sei die Branche aber offener geworden. „Das ist schon mal ein großer Schritt.“
Iris Berben, Schauspielerin und Präsidentin der Deutschen Filmakademie, sagt: „Gleichberechtigung fängt im Kopf an und muss in der Praxis umgesetzt werden. Wenn nötig – und so scheint es – mit viel Penetranz und Durchhaltevermögen. So lange, bis es kein Thema mehr ist, denn nur dann ist sie erreicht worden.“