Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Ein Mini-Trump in der Schachtel und bunte Bestien an der Wand
Weimars ACC Galerie dient Ulrike Theusner als Spielfläche – Die hiesige Künstlerin zählt zu den fantasiemächtigsten ihrer Generation
In einen Ereignisraum für abenteuerlustige Kunstfreunde hat Ulrike Theusner bei ihrem Heimspiel die freie Weimarer ACC Galerie verwandelt und entfaltet auf einer ganzen Etage das Panorama ihres enorm vielseitigen Schaffens: von traditionellen Techniken – Aquarell, Acryl, Kreide und Tusche, aber auch Holzschnitten – bis hin zu Collagen, Plastiken, Installationen und Audiostücken. In vollkommen unironischer Anspielung auf Leibniz nennt sie die Schau „The best of all possible worlds“(Die beste aller möglichen Welten). Was es hier zu entdecken gilt, birgt mitunter hintersinnigen Humor, weckt oft märchenhaft-mythische Allusionen und verrät stets – bei aller überschäumender Kreativität – ein famoses handwerkliches Können.
Theusner, an der Bauhaus-Universität ausgebildet, hat es einfach in den Fingern. Den allermeisten ihrer Arbeiten merkt man an, dass sie sich aus ingeniösem Spiel entwickelt haben – scheinbar ohne Vorsatz, doch aus unwiderstehlichem Antrieb. „Ich kann gar nicht nach einem Konzept arbeiten“, verrät die Millennial-Frau. „Ich bin kein kortikaler Typ.“So greifen ihre Fantasien, Ideen, Vorstellungen Raum – und beanspruchen mal ein panoramenhaftes Wandbild, das laut der Künstlerin von der Sixtinischen Kapelle (und Michelangelo!) inspiriert sei, mal bloß eine Streichholzschachtel. „Ich bin darauf gekommen, dass Installationen Spaß machen“, lacht sie angesichts ihrer jüngeren Arbeiten und scherzt über diese 16 Miniaturen: „Ich hab‘ ein halbes Jahr daran gebastelt.“
So simpel das klingt, war es gewiss nicht. Wer sich aufs Innenleben der Schächtelchen einlässt, erkennt dreidimensionale Szenarien mit vieldeutiger Aussage, etwa einen dem aktuellen US-Präsidenten nicht unähnlichen Goldschopf am Fuße einer verfremdeten Freiheitsstatue. Um sie aufzustellen, muss Uhrmacher-Besteck im Einsatz gewesen sein. Einen ganzen Raum hingegen beansprucht das Großformat „Land of Plenty“(Land der Fülle); der Titel ist ein etabliertes Synonym für die Vereinigten Staaten. Ungemein vital, ja aggressiv dringen da Märchen- und Mythengestalten auf den Betrachter ein, und gleich ob Monstrum oder Prinzessin wirken sie dynamisch und plastisch. So als wolle Theusner mit jedem ihrer Bilder das Fenster in unbekannte Welten öffnen und Geschichten erzählen. Gern bestätigt sie diese These: Ursprünglich habe sie Bühnenbildnerin werden wollen.
Neben den überwiegend jüngeren Arbeiten gönnt sie sich den Spaß, eigene Kinderzeichnungen auszustellen. Da findet man unter den Motiven noch einen NVA-Soldaten; weitaus spannender aber ist die Erkenntnis, dass in den mehr als Vierteljahrhundert alten Arbeiten bereits die originelle Theusnersche Handschrift erkennbar wird – vielleicht noch etwas manieriert in der Ausführung, doch beseelt von unstillbarer Kunst-Obsession und vom Gestus der Freiheit, der freihändigen Entwicklung, geleitet.
Last not least hat die in Weimar lebende Künstlerin die Galerieräume selbst gestaltet, schickt ihre Besucher beispielsweise durch einen „Psychotunnel“und lädt an der Bar – Vorsicht Kunst! – zur Begegnung. Das Solipsistische, Unkommunikative identifiziert sie als Krankheit unserer Zeit, dabei leben wir doch, wie sie betont, in der „besten aller möglichen Welten“, auf der wahrscheinlich einzigen Erde im Universum. Sich auf Theusner und auf ihre quicke, verschwenderische Phantasie einzulassen, ist pures Vergnügen. Nebenbei erlebt man eine aufstrebende Künstlerin, die nun schon, nach Frankfurt und Erfurt, die dritte Einzelausstellung binnen eines halben Jahres bestreitet. Das möchte man einen – berechtigten – Hype nennen.
Dramaturgischer Sinn sorgt für ambivalente Szenen