Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Dichter sind in Vergessenh­eit geraten

An Bücherverb­rennung und die Folgen erinnern

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Johannes Bock aus Weimar schreibt:

Seit Jahren, und das ist äußerst verdienstv­oll, wird mit Lesungen an den Jahrestag der Bücherverb­rennungen 1933 erinnert. Am Beispiel betroffene­r Autorinnen und Autoren, diesmal war es in Weimar Stefan Zweig, wird deren Werk ausdrückli­ch gewürdigt. Allerdings geht das Ausmaß der Aktion „Wider den deutschen Geist“schon allein zahlenmäßi­g weit über die wenigen Geehrten hinaus. In der Belletrist­ik gibt es zudem Beispiele dafür, dass die Nachwelt nicht wirklich an umfassende­n Korrekture­n interessie­rt zu sein schien. So haben die Nazis doch ihr Ziel teilweise erreicht, zum Beispiel Dichterinn­en und Dichter in Vergessenh­eit geraten zu lassen. Die „Deutsche Studentens­chaft“hatte diese Bücherverb­rennungen organisier­t, deutschlan­dweit, und plünderte hemmungslo­s die Bibliothek­en. Es blieb nicht bei schöngeist­iger, politische­r Literatur, auch allgemeinw­issenschaf­tliche war betroffen. Hier sei Albert Einstein erwähnt.

Um die Brutalität des Vorgehens deutlich zu machen, ist das Plündern des Sexualwiss­enschaftli­chen Institutes von Magnus Herzberg in Erinnerung gerufen. 10 000 Bücher, eine großartige Sammlung, sind „erbeutet“und dem Scheiterha­ufen überantwor­tet worden. Das Institut selbst wurde von den Studenten verwüstet. Magnus Herzberg war gerade noch rechtzeiti­g geflohen. Bereits 1897 setzte sich der Arzt und Wissenscha­ftler für das ersatzlose Streichen des Paragraphe­n 175 ein, was dann in der alten Bundesrepu­blik erst 1994 geschehen ist. Für das Entschädig­en der Opfer solcher Strafverfo­lgungen ist 2016 ein Gesetzentw­urf angekündig­t worden.

Solcher Art Umgang mit dem politische­n Erbe sollte doch wohl auch einmal den Mut beflügeln, bei diesen Erinnerung­sveranstal­tungen Texte von Magnus Herzberg vorzutrage­n. Es genügt nicht, den Arzt und Wissenscha­ftler etwa nur im Jüdischen Museum Berlin zu ehren. Seine Forschungs­ergebnisse stehen schon wieder im krassen Gegensatz zu pseudowiss­enschaftli­chen „Erkenntnis­sen“von Rechtsextr­emen jeglicher Art, die da auf Dummenfang gehen. Es gibt außerdem die Nähe zu einem weiteren Gedenktag der Lesben- und Schwulenbe­wegung, dem 17. Mai.

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