Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Stars von heute, Meister von morgen
Weimars FranzLisztHochschule lädt zum 58. MeisterkursFestival vom 15. bis 29. Juli ein
„Pssst... Geheimtipp“, heißt es gleich auf einer der vorderen Seiten der Programmbroschüre. Gemeint ist ein temporärer Pavillon im Weimarer Fürstengarten als Ort der entspannten Begegnung für Gäste und Musiker. Eigentlich jedoch ist das gesamte Festival ein Geheimtipp: Die Meisterkurskonzerte der FranzLiszt-Hochschule (15. bis 29. Juli) gelten als die mutmaßlich ältesten wie unbekanntesten Musikfestspiele Thüringens.
Vom Barock bis zur zeitgenössischen Akusmatik spannt sich der Reigen mit Stars der Zunft wie Vivica Genaux, Jens Peter Maintz oder dem Jazzpianisten Marc Copland – „Leute mit sehr interessanten Lebensläufen“, wie Hochschul-Präsident Christoph Stölzl neidlos befindet. Denn in erster Linie kommen sie als Lehrer und Vorbilder, um exzellenten Nachwuchs aus aller Welt bei den nunmehr 58. Meisterkursen zu unterrichten. Midori Goto, ein Welt-Star der Geige, zum Beispiel. Und irgendwann, noch in grauer DDR-Zeit, entstand die naheliegende Idee, die Kurse mit Konzerten zu kombinieren.
Ohnehin wird, wo so viele Musiker auf überschaubarem Raum zusammentreffen, in der Freizeit allenthalben spontan improvisiert und gejamt. Manchmal lassen sogar Lehrer sich dazu hinreißen. Einige treten mit offiziellen Konzerten ins Rampenlicht. Andere – darunter Midori – schicken „nur“Schüler ins Rennen. Trotzdem stellt sich Festival-Flair ein – sofern man‘s in Weimar denn wahrnehmen möchte. Eine MarketingInitiative, ehedem von Wirtschaftsminister Matthias Machnig lanciert, ist ins Leere gelaufen.
Insider freuen sich diesen Sommer zum Beispiel auf Robert Normandeau, den kanadischen Weltreisenden der elektroakustischen Musik. Er entführt am Vorabend des Festivalstarts mit „Tunnel azur“, seiner neuesten Komposition für Lautsprecherorchester, in die illustren KlangKatakomben von U-Bahn-Stationen. Wem das zu modern ist, kommt bei der stattlich vertretenen BarockFraktion auf seine Kosten.
Der Flötist Barthold Kujken, den Stölzl als „forschenden Musiker“charakterisiert, erklärt seine Liebe zu den Bachs und Telemanns dieser Welt in einem Gesprächskonzert und einem Vortrag. Bob van Asperen, ein verehrter Altmeister am Cembalo, entdeckt Johann Jacob Froberger als Abenteuerreisenden in Sachen Musik. Die Lautten Compagney Berlin tritt unter Leitung Birgit Schnurpfeils mit Nachwuchssängern ins Rampenlicht.
Wer‘s lieber klassisch-romantisch mag, ist im Duo-Konzert des Cellisten Jens Peter Maintz mit Naoko Sonoda (Klavier) gut aufgehoben. Die Pianistin Janina Fialkowska, eine Artur-Rubinstein-Schülerin, hat natürlich nichts als Chopin auf dem Notenpult, und Arie Vardi widmet sich einen Abend lang der Kunst Joseph Haydns. „Durch die Bank sehr erprobte Hochschullehrer“, konstatiert Stölzl – und eben Künstler, die unter anderen Umständen nur teuer zu haben wären; auf knapp 90 000 Euro beziffert der Präsident das Festival-Budget.
Aber bei den Meisterkursen ist das etwas anderes. Außerhalb der Saison kehren alle gern und immer wieder in der Klassikstadt ein, wo schon der atmosphärische Rahmen ein eigenes Fluidum stiftet. „Die Einheit von architektonischer Kulisse und Kunst ist etwas, das die Musiker stark bewegt“, diagnostiziert Christoph Stölzl. „Die lieben Weimar.“Mit solchen Pfunden weiß er zu wuchern.
Und das ist ein Glück für das Publikum. Außer den großen Namen konzertieren das Dudok Kwartet Amsterdam als Preisträger des Weimarer Joseph-Joachim-Wettbewerbs 2012 und das Klavier-Duo Shalamov sowie viele der aktuellen Meisterkursteilnehmer. Im Rahmenprogramm laufen Musikfilme, und wie stets lautet am letzten Festival-Sonnabend die Devise „Die Besten zum Schluss“– beim Konzert handverlesener Kursteilnehmer mit der Jenaer Philharmonie unter Leitung des Dessauer GMDs Markus Frank. Sie sind gewiss die Meister von morgen. – Lauter Geheimtipps also ...