Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Thüringen will Lehrer mit Gehaltszulagen locken
Bildungskommission: Sozialindex für Problemschulen, Werbekampagne und Vertretungsreserve
Um dem Unterrichtsausfall Herr zu werden und Lehrkräftenachwuchs nach Thüringen zu locken, will die Kommission „Zukunft Schule“heute eine Reihe von Empfehlungen vorlegen. Der Abschlussbericht der Kommission, der der TLZ vorliegt, spricht sich unter anderem für Folgendes aus:
Für den Weg zu einer Unterrichtsgarantie sollte eine auf drei Säulen aufgebaute Vertretungsreserve (Personalausgleich von Langzeiterkrankungen, Schulbudget und mobile Vertretungsreserve) realisiert werden.
Schulen, die mit besonderen sozialen Problemlagen konfrontiert sind, sollten eine günstigere Lehrkräfteausstattung erhalten können als Schulen, in denen der erzieherische Aufwand geringer ausfällt. Es wird ein Sozialindex für die Lehrkräfteverteilung empfohlen.
Für die Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte soll der Freistaat eine Werbekampagne starten, seine Bemühungen mit den freien Trägern koordinieren und Stipendienprogramme aufsetzen, die das Interesse des Lehrkräftenachwuchses an Mangelfächern und am Einsatz in derzeit als unattraktiv geltenden Regionen ankurbeln.
Solange keine bedarfsgerechte Versorgung vorhanden ist, sollte die Gewinnung weiterer Lehrkräfte durch ein Seiteneinsteigerprogramm unterstützt werden. Dafür muss die derzeitige Einstellungsrichtlinie gelockert werden. Ländlichen Kommunen sollen zusätzliche Instrumente zur Anwerbung von Lehrkräften zur Verfügung stehen und das Land Gehaltszulagen ermöglichen.
Zu große oder zu kleine Schulklassen sollen nur noch in besonders begründeten Fällen eingerichtet werden dürfen, etwa wenn Schulwege andernfalls zu lang werden.
Die vorrangige Personalie im Thüringer Kabinett soll doch nicht so schnell vollzogen werden. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) führe erst Anfang Juli ein Gespräch mit der seit Monaten aus gesundheitlichen Gründen ausfallenden Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke), hieß es gestern aus Koalitionskreisen.
Dabei hätte sich der Wechsel des Ministeramts von Klaubert auf Helmut Holter (Linke) in dieser Woche durchaus angeboten: Heute stellt die von Klaubert und Ramelow eingesetzte Kommission „Zukunft Schule“, der Holter angehört, ihre Ergebnisse vor. Bei einer der Landtagssitzungen (Mittwoch bis Freitag) hätte der ehemalige Minister aus Mecklenburg-Vorpommern vereidigt werden können.
Doch wie auch immer es kommt. Die TLZ hat bereits die
drängendsten Probleme, die es zu lösen gilt, aufgelistet:
Unterrichtsausfall: Gut 16 000 der etwa 302 000 vorgesehenen Unterrichtsstunden an staatlichen Schulen in Thüringen sind allein in diesem Frühjahr in einer Woche ausgefallen. Lehrerverband und CDU halten selbst diese Zahlen für geschönt.
Zusätzliche Lehrer: 2018 könnte Thüringen 900 Lehrerstellen besetzen, 2019 weitere 650. Die rot-rot-grüne Landesregierung will zudem 300 bislang befristeten Lehrern die Entfristung auf freiwerdenden Stellen bereits 2018 anbieten. Gewerkschaften und Verbände sind der Ansicht, dass die Zahl der Neueinstellungen nicht reicht, um Altersabgänge auszugleichen. Zudem ist fraglich ob ausreichend Junglehrer zur Verfügung stehen.
Beförderungen: Der Unmut in den Lehrerzimmern nimmt nicht nur wegen Überlastung zu. Auch die Vergütung lässt zu wünschen übrig. Im November 2017 waren 50 Schulleiterstellen vakant. Dabei hatte Ministerin Klaubert angekündigt, das Problem auch durch Sprungbeförderungen lösen zu wollen.
Inklusion: Nur knapp die Hälfte der Lehrer spricht sich für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung aus. Dass die Pädagogen der Inklusion skeptisch gegenüberstehen, liegt nicht zuletzt am Personalmangel. Experten fordern eine Doppelbesetzung mit Lehrern und Sozialpädagogen in Klassen, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam lernen.
Hortbetreuung: Ab 2018 will das Land 150 zusätzliche Stellen für die Horte zur Verfügung stellen. Teilzeiterzieherinnen sollen Beschäftigungsumfänge auf 60 Prozent aufstocken können. Davon abgesehen, dass die Maßnahmen aktuell keine Verbesserungen bringen, ist fraglich, ob dadurch die Betreuungslücke geschlossen wird, die durch die Rückabwicklung des Hortmodells entstanden ist.
Die Bildungskommission „Zukunft Schule“hat in ihrem Bericht, der der TLZ bereits vorliegt, Leitlinien und Vorschläge für das weitere Vorgehen der rot-rot-grünen Landesregierung ausgearbeitet: Eine Vertretungsreserve zum Ausgleich langzeiterkrankter Lehrkräfte soll von 100 auf 550 Vollzeitstellen ausgebaut werden. Eine Werbekampagne „Lehrer in Thüringen“soll den Lehrkräftenachwuchs ankurbeln. Die Kampagne könnte in anderen Bundesländern geschaltet werden. Das Land soll außerdem die Anwerbung von Lehrkräften im EU-Ausland erproben.
Zusätzlich zur bereits verkündeten Verbeamtung könnte auch eine attraktivere Vergütung Pädagogen anlocken. Die Vergütung der Regelschullehrkräfte soll auf A13 angehoben werden. Schulen, deren Kollegium zu klein ist, sollen, um den vorgesehenen Fachunterricht allein mit dafür ausgebildeten eigenen Fachkräften abzudecken, „ein Kooperationsmodell mit anderen Schulen wählen“, so die köpfige Expertengruppe unter der Leitung von Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke).
„Das Land sollte die Anwerbung von Lehrkräften im EU-Ausland erproben.“Aus dem Bericht der Regierungskommission „Zukunft Schule“, der heute vorgestellt wird