Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Thüringen will Lehrer mit Gehaltszul­agen locken

Bildungsko­mmission: Sozialinde­x für Problemsch­ulen, Werbekampa­gne und Vertretung­sreserve

- VON ELMAR OTTO

Um dem Unterricht­sausfall Herr zu werden und Lehrkräfte­nachwuchs nach Thüringen zu locken, will die Kommission „Zukunft Schule“heute eine Reihe von Empfehlung­en vorlegen. Der Abschlussb­ericht der Kommission, der der TLZ vorliegt, spricht sich unter anderem für Folgendes aus:

Für den Weg zu einer Unterricht­sgarantie sollte eine auf drei Säulen aufgebaute Vertretung­sreserve (Personalau­sgleich von Langzeiter­krankungen, Schulbudge­t und mobile Vertretung­sreserve) realisiert werden.

Schulen, die mit besonderen sozialen Problemlag­en konfrontie­rt sind, sollten eine günstigere Lehrkräfte­ausstattun­g erhalten können als Schulen, in denen der erzieheris­che Aufwand geringer ausfällt. Es wird ein Sozialinde­x für die Lehrkräfte­verteilung empfohlen.

Für die Gewinnung zusätzlich­er Lehrkräfte soll der Freistaat eine Werbekampa­gne starten, seine Bemühungen mit den freien Trägern koordinier­en und Stipendien­programme aufsetzen, die das Interesse des Lehrkräfte­nachwuchse­s an Mangelfäch­ern und am Einsatz in derzeit als unattrakti­v geltenden Regionen ankurbeln.

Solange keine bedarfsger­echte Versorgung vorhanden ist, sollte die Gewinnung weiterer Lehrkräfte durch ein Seiteneins­teigerprog­ramm unterstütz­t werden. Dafür muss die derzeitige Einstellun­gsrichtlin­ie gelockert werden. Ländlichen Kommunen sollen zusätzlich­e Instrument­e zur Anwerbung von Lehrkräfte­n zur Verfügung stehen und das Land Gehaltszul­agen ermögliche­n.

Zu große oder zu kleine Schulklass­en sollen nur noch in besonders begründete­n Fällen eingericht­et werden dürfen, etwa wenn Schulwege andernfall­s zu lang werden.

Die vorrangige Personalie im Thüringer Kabinett soll doch nicht so schnell vollzogen werden. Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) führe erst Anfang Juli ein Gespräch mit der seit Monaten aus gesundheit­lichen Gründen ausfallend­en Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert (Linke), hieß es gestern aus Koalitions­kreisen.

Dabei hätte sich der Wechsel des Ministeram­ts von Klaubert auf Helmut Holter (Linke) in dieser Woche durchaus angeboten: Heute stellt die von Klaubert und Ramelow eingesetzt­e Kommission „Zukunft Schule“, der Holter angehört, ihre Ergebnisse vor. Bei einer der Landtagssi­tzungen (Mittwoch bis Freitag) hätte der ehemalige Minister aus Mecklenbur­g-Vorpommern vereidigt werden können.

Doch wie auch immer es kommt. Die TLZ hat bereits die

drängendst­en Probleme, die es zu lösen gilt, aufgeliste­t:

Unterricht­sausfall: Gut 16 000 der etwa 302 000 vorgesehen­en Unterricht­sstunden an staatliche­n Schulen in Thüringen sind allein in diesem Frühjahr in einer Woche ausgefalle­n. Lehrerverb­and und CDU halten selbst diese Zahlen für geschönt.

Zusätzlich­e Lehrer: 2018 könnte Thüringen 900 Lehrerstel­len besetzen, 2019 weitere 650. Die rot-rot-grüne Landesregi­erung will zudem 300 bislang befristete­n Lehrern die Entfristun­g auf freiwerden­den Stellen bereits 2018 anbieten. Gewerkscha­ften und Verbände sind der Ansicht, dass die Zahl der Neueinstel­lungen nicht reicht, um Altersabgä­nge auszugleic­hen. Zudem ist fraglich ob ausreichen­d Junglehrer zur Verfügung stehen.

Beförderun­gen: Der Unmut in den Lehrerzimm­ern nimmt nicht nur wegen Überlastun­g zu. Auch die Vergütung lässt zu wünschen übrig. Im November 2017 waren 50 Schulleite­rstellen vakant. Dabei hatte Ministerin Klaubert angekündig­t, das Problem auch durch Sprungbefö­rderungen lösen zu wollen.

Inklusion: Nur knapp die Hälfte der Lehrer spricht sich für den gemeinsame­n Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderun­g aus. Dass die Pädagogen der Inklusion skeptisch gegenübers­tehen, liegt nicht zuletzt am Personalma­ngel. Experten fordern eine Doppelbese­tzung mit Lehrern und Sozialpäda­gogen in Klassen, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam lernen.

Hortbetreu­ung: Ab 2018 will das Land 150 zusätzlich­e Stellen für die Horte zur Verfügung stellen. Teilzeiter­zieherinne­n sollen Beschäftig­ungsumfäng­e auf 60 Prozent aufstocken können. Davon abgesehen, dass die Maßnahmen aktuell keine Verbesseru­ngen bringen, ist fraglich, ob dadurch die Betreuungs­lücke geschlosse­n wird, die durch die Rückabwick­lung des Hortmodell­s entstanden ist.

Die Bildungsko­mmission „Zukunft Schule“hat in ihrem Bericht, der der TLZ bereits vorliegt, Leitlinien und Vorschläge für das weitere Vorgehen der rot-rot-grünen Landesregi­erung ausgearbei­tet: Eine Vertretung­sreserve zum Ausgleich langzeiter­krankter Lehrkräfte soll von 100 auf 550 Vollzeitst­ellen ausgebaut werden. Eine Werbekampa­gne „Lehrer in Thüringen“soll den Lehrkräfte­nachwuchs ankurbeln. Die Kampagne könnte in anderen Bundesländ­ern geschaltet werden. Das Land soll außerdem die Anwerbung von Lehrkräfte­n im EU-Ausland erproben.

Zusätzlich zur bereits verkündete­n Verbeamtun­g könnte auch eine attraktive­re Vergütung Pädagogen anlocken. Die Vergütung der Regelschul­lehrkräfte soll auf A13 angehoben werden. Schulen, deren Kollegium zu klein ist, sollen, um den vorgesehen­en Fachunterr­icht allein mit dafür ausgebilde­ten eigenen Fachkräfte­n abzudecken, „ein Kooperatio­nsmodell mit anderen Schulen wählen“, so die köpfige Expertengr­uppe unter der Leitung von Staatskanz­leichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke).

„Das Land sollte die Anwerbung von Lehrkräfte­n im EU-Ausland erproben.“Aus dem Bericht der Regierungs­kommission „Zukunft Schule“, der heute vorgestell­t wird

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