Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Grenzen des autonomen Fahrens
EthikKommission entwickelt erste Leitlinien für selbstfahrende Autos und warnt vor den Gefahren der Datenerfassung
Noch gibt es sie nicht – Fahrzeuge, die völlig eigenständig im Straßenverkehr unterwegs sind. Doch in den Entwicklungsabteilungen der Autobauer wird bereits mit Hochdruck an selbstfahrenden Autos gearbeitet. Und solche, die dem Fahrer teilweise assistieren, sind bereits Realität. Im Auftrag der Bundesregierung haben sich daher 14 Experten mit ethischen Fragen rund um autonomes Fahren beschäftigt. Jetzt legten die Theologen, Juristen, Techniker und Philosophen erste Thesen vor, praktisch Leitplanken für die Zukunft.
Worum geht es bei der Ethik des Autofahrens?
In dem Moment, in dem der Fahrer eines Autos die Verantwortung für die Tour an einen Computer übergibt, entstehen etliche Fragen: Von der Haftung bei Unfällen über den Umgang mit den gewonnenen persönlichen Daten. Für all diese Fragen will die Bundesregierung schon früh Antworten entwickeln. Sie sollen „Eckpfeiler für ein internationales Regelwerk“werden, wie Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagt.
Was hat die Kommission vorgelegt?
Insgesamt 20 Thesen haben die Experten aufgestellt. „Jedes Menschenleben ist gleich“, lautet eine der wichtigsten Festlegungen der Kommission. Sollte also ein selbstfahrendes Fahrzeug in einer Notfallsituation vor der Entscheidung stehen, entweder in eine Gruppe von Kindern auszuweichen oder mehrere Rentner umzufahren, darf es deren Alter oder andere Merkmale nicht berücksichtigen. Der Schutz von Menschenleben steht vor der Vermeidung von Sachschäden.
Welche Entscheidung soll das System in heiklen Situationen treffen?
Darauf hat die Ethik-Kommission keine klare Antwort gefunden. Die Situationen, in denen ein Fahrroboter in ein Entscheidungsdilemma gerät, sind dafür zu unterschiedlich. Klar ist nur die Gleichbehandlung aller Menschen. Und grundsätzlich verboten, wie schon heute, ist die Verrechnung von Menschenleben. Das bedeutet, im Notfall darf das Fahrzeug nicht einfach die kleinere von zwei Gruppen auswählen, wenn es in eine der beiden hineinfahren müsste. Generell gilt zugleich die Pflicht, Schäden möglichst gering zu halten. Das kann wiederum eine Entscheidung für die kleinere Gruppe bedeuten.
Welche Empfehlungen sind noch besonders wichtig?
Grundsätzlich halten die Ethiker die Förderung des autonomen Fahrens für geboten, weil dadurch die Zahl der Unfälle und Personenschäden abnimmt. Auch sprechen sich die 14 Mitglieder für klare Haftungsregelungen aus. „Es muss immer klar sein, wer an welcher Stelle die Verantwortung trägt“, sagte Kommissionschef Udo di Fabio, ehemaliger Verfassungsrichter.
Was sagen die Experten zum Schutz der persönlichen Daten?
Selbstfahrende Autos sammeln jede Menge personenbezogener Daten, vom Fahrverhalten bis hin zu Bewegungsprofilen. „Der Fahrer muss grundsätzlich selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugdaten entscheiden können“, fordern die Ethiker. Allerdings sehen sie auch die praktischen Probleme dabei. Denn welcher Autobesitzer weiß schon, welche Informationen sein System sammelt und wohin diese weitergegeben werden. Auch sind manche Daten wichtig für die Analyse und Wartung des Fahrzeugs. Deshalb verlangt die Kommission gesetzliche Schutzregeln, die die Datensouveränität der Kunden sichern.
Warum werden jetzt schon Richtlinien für selbstfahrende Autos diskutiert?
Verkehrsminister Dobrindt sagt eine rasante Entwicklung der Technik voraus. Derzeit gibt es nur vergleichsweise einfache Hilfestellungen für den Fahrer, Parkassistenten etwa oder Tempomaten. Hier ist der Fahrer noch dauerhaft verantwortlich. In den nächsten Stufen gibt der Fahrer immer mehr Aufgaben an den Bordcomputer ab bis hin zum voll automatisierten Fahren. Auf den Teststrecken sind bereits solche Autos unterwegs. „In fünf Jahren werden diese Fahrzeuge im Autohaus stehen“, glaubt Dobrindt. Deutschland habe den Anspruch auch ethisch eine Spitzenstellung einzunehmen. Am Donnerstag tritt ein Gesetz zum automatisierten Fahren in Kraft. Es erlaubt erstmals, dass ein Fahrer nicht ständig die Hände am Lenkrad haben und das Fahrzeug führen muss. Allerdings muss er die Hoheit jederzeit wieder übernehmen können. Bei einem Unfall soll eine Datenaufzeichnung bei der Suche nach der Schuld helfen.