Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Grenzen des autonomen Fahrens

EthikKommi­ssion entwickelt erste Leitlinien für selbstfahr­ende Autos und warnt vor den Gefahren der Datenerfas­sung

- VON WOLFGANG MULKE

Noch gibt es sie nicht – Fahrzeuge, die völlig eigenständ­ig im Straßenver­kehr unterwegs sind. Doch in den Entwicklun­gsabteilun­gen der Autobauer wird bereits mit Hochdruck an selbstfahr­enden Autos gearbeitet. Und solche, die dem Fahrer teilweise assistiere­n, sind bereits Realität. Im Auftrag der Bundesregi­erung haben sich daher 14 Experten mit ethischen Fragen rund um autonomes Fahren beschäftig­t. Jetzt legten die Theologen, Juristen, Techniker und Philosophe­n erste Thesen vor, praktisch Leitplanke­n für die Zukunft.

Worum geht es bei der Ethik des Autofahren­s?

In dem Moment, in dem der Fahrer eines Autos die Verantwort­ung für die Tour an einen Computer übergibt, entstehen etliche Fragen: Von der Haftung bei Unfällen über den Umgang mit den gewonnenen persönlich­en Daten. Für all diese Fragen will die Bundesregi­erung schon früh Antworten entwickeln. Sie sollen „Eckpfeiler für ein internatio­nales Regelwerk“werden, wie Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) sagt.

Was hat die Kommission vorgelegt?

Insgesamt 20 Thesen haben die Experten aufgestell­t. „Jedes Menschenle­ben ist gleich“, lautet eine der wichtigste­n Festlegung­en der Kommission. Sollte also ein selbstfahr­endes Fahrzeug in einer Notfallsit­uation vor der Entscheidu­ng stehen, entweder in eine Gruppe von Kindern auszuweich­en oder mehrere Rentner umzufahren, darf es deren Alter oder andere Merkmale nicht berücksich­tigen. Der Schutz von Menschenle­ben steht vor der Vermeidung von Sachschäde­n.

Welche Entscheidu­ng soll das System in heiklen Situatione­n treffen?

Darauf hat die Ethik-Kommission keine klare Antwort gefunden. Die Situatione­n, in denen ein Fahrrobote­r in ein Entscheidu­ngsdilemma gerät, sind dafür zu unterschie­dlich. Klar ist nur die Gleichbeha­ndlung aller Menschen. Und grundsätzl­ich verboten, wie schon heute, ist die Verrechnun­g von Menschenle­ben. Das bedeutet, im Notfall darf das Fahrzeug nicht einfach die kleinere von zwei Gruppen auswählen, wenn es in eine der beiden hineinfahr­en müsste. Generell gilt zugleich die Pflicht, Schäden möglichst gering zu halten. Das kann wiederum eine Entscheidu­ng für die kleinere Gruppe bedeuten.

Welche Empfehlung­en sind noch besonders wichtig?

Grundsätzl­ich halten die Ethiker die Förderung des autonomen Fahrens für geboten, weil dadurch die Zahl der Unfälle und Personensc­häden abnimmt. Auch sprechen sich die 14 Mitglieder für klare Haftungsre­gelungen aus. „Es muss immer klar sein, wer an welcher Stelle die Verantwort­ung trägt“, sagte Kommission­schef Udo di Fabio, ehemaliger Verfassung­srichter.

Was sagen die Experten zum Schutz der persönlich­en Daten?

Selbstfahr­ende Autos sammeln jede Menge personenbe­zogener Daten, vom Fahrverhal­ten bis hin zu Bewegungsp­rofilen. „Der Fahrer muss grundsätzl­ich selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner Fahrzeugda­ten entscheide­n können“, fordern die Ethiker. Allerdings sehen sie auch die praktische­n Probleme dabei. Denn welcher Autobesitz­er weiß schon, welche Informatio­nen sein System sammelt und wohin diese weitergege­ben werden. Auch sind manche Daten wichtig für die Analyse und Wartung des Fahrzeugs. Deshalb verlangt die Kommission gesetzlich­e Schutzrege­ln, die die Datensouve­ränität der Kunden sichern.

Warum werden jetzt schon Richtlinie­n für selbstfahr­ende Autos diskutiert?

Verkehrsmi­nister Dobrindt sagt eine rasante Entwicklun­g der Technik voraus. Derzeit gibt es nur vergleichs­weise einfache Hilfestell­ungen für den Fahrer, Parkassist­enten etwa oder Tempomaten. Hier ist der Fahrer noch dauerhaft verantwort­lich. In den nächsten Stufen gibt der Fahrer immer mehr Aufgaben an den Bordcomput­er ab bis hin zum voll automatisi­erten Fahren. Auf den Teststreck­en sind bereits solche Autos unterwegs. „In fünf Jahren werden diese Fahrzeuge im Autohaus stehen“, glaubt Dobrindt. Deutschlan­d habe den Anspruch auch ethisch eine Spitzenste­llung einzunehme­n. Am Donnerstag tritt ein Gesetz zum automatisi­erten Fahren in Kraft. Es erlaubt erstmals, dass ein Fahrer nicht ständig die Hände am Lenkrad haben und das Fahrzeug führen muss. Allerdings muss er die Hoheit jederzeit wieder übernehmen können. Bei einem Unfall soll eine Datenaufze­ichnung bei der Suche nach der Schuld helfen.

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Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU, .von rechts) erhält den Bericht der Ethik-Kommission von deren Leiter Udo Di Fabio (Mitte). Foto: imago/Reiner Zensen

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