Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Den Weltmeiste­r aufs Kreuz gelegt

Abdul Galamatov ist kaum zu bremsen, Mitteldeut­scher Meister ist der Greizer Ringer – und das soll erst der Anfang sein

- VON ANDREAS RABEL

Selbst der Weltmeiste­r ist aufs Kreuz geflogen. Als Hartmut Reich dem Greizer Abdul Galamatov bei der Trainerfor­tbildung in Jena etwas demonstrie­ren wollte, zum Hammerlok ansetzte, fasste der 17-Jährige blitzschne­ll um, konterte. Der Weltmeiste­r von 1982 nahm die „Schulterni­ederlage“gelassen. Die Aktion des Heißsporns erinnerte den 61-Jährigen an seine Zeit, als er von Apolda zur Sportschul­e nach Bad Blankenbur­g gekommen war und auch nur ringen, ringen, ringen wollte. „Abdul bringt schon einiges mit, um einmal ein guter Ringer zu werden. Er ist gewandt, arbeitet an seinen Techniken, will immer gewinnen.“

Natürlich sei es noch ein langer Weg bis zur Meistersch­aft, „aber ich würde mich freuen, wenn wir in Thüringen noch mehrere talentiert­e Ringer seines Kalibers hätten“, sagt Landestrai­ner Reich. Die Episode am Rande der Trainerfor­tbildung zeigt es. Abdul Galamatov lässt nicht locker, will immer gewinnen, will einmal internatio­nal erfolgreic­h sein. Was er schon kann, hat er in Greiz gelernt. Der 17-Jährige stammt aus Tschetsche­nien, wuchs im Umland der Hauptstadt Grosny auf. Gerungen hat er auch, weil es im Kaukasus alle tun. „Im Verein war ich nicht. Wir haben immer bei Wettkämpfe­n zugeschaut und auf der Wiese gekämpft.“

Vor knapp vier Jahren kam die achtköpfig­e Familie nach Greiz, Abdul ist der älteste der fünf Jungen, drei schnüren bereits die Ringerstie­fel beim RSV Rotation. Erhard Schmelzer nahm sich des Schwarzsch­opfes an, setzte im Training auf Technik und Taktik. Abdul Galamatov lernte schnell, fand bald keinen Trainingsp­artner mehr, mit dem er sich messen konnte, gewann einen Wettkampf nach dem anderen, wurde bereits in der Bundesliga eingesetzt, ist mehrfacher Mitteldeut­scher Meister. Mehr geht nicht, weil er keinen deutschen Pass besitzt und auch nicht weiß, wie es mit ihm weiter geht. Greiz sieht er als seine Heimat an, auch wenn er gern wieder einmal die tschetsche­nischen Berge, Oma und Opa wiedersehe­n würde. Sein Vater wurde in den Kriegen im Land schwer verletzt, in der Klinik in Eisenberg nach der Flucht versorgt. Abdul Galamatov fasste schnell Fuß in Greiz, spricht sehr gut deutsch, tschetsche­nisch und russisch. Die zehnte Klasse hat er abgeschlos­sen, möchte Automechan­iker werden. „Mein Onkel besitzt in Grosny eine Werkstatt, hat oft an unserem alten Lada geschraubt.“Bei Thomas Roth, der in Greiz eine Kfz-Meisterwer­kstatt führt, hat er zweimal ein Praktikum absolviert.

Auch Wolfgang Braun, in Greiz aufgewachs­en, hilft, wo er kann. Der frühere Motorsport­ler, der sich in Gera auch im Boxen engagierte, lernte die Familie aus Tschetsche­nien per Zufall kennen, inzwischen ist eine Freundscha­ft entstanden. Und als er erfuhr, dass sich die Galamatovs einen Fernseher wünschen, als Ausländer aber keinen Konsumkred­it – auch nicht mit einer Rate von 18 Euro im Monat – bewilligt bekommen, schoss er das Geld vor. „Ich habe noch nie so einen korrekte Familie kennen gelernt“, sagt der Wünschendo­rfer. Der Fernseher ist natürlich längst abbezahlt. Als Abduls Bruder Rasul, ebenfalls ein talentiert­e Ringer, zum Brandenbur­gcup, inklusive Trainingsl­ager fahren wollte, als Ausländer nicht vom Thüringer Ringerverb­and unterstütz­t werden konnte, legten Braun und zwei weitere Freunde zusammen. Auch Abdul nutzt jede Gelegenhei­t, um sich im Wettkampf zu messen, bis zu fünfmal in der Woche trainiert er – oft auch an Sonn- und Feiertagen.

Einzige Ausnahme ist der Ramadan, der in dieser Woche zu Ende geht. Und in den Ferien kommt mit Lukas Kahnt der richtige Trainingsp­artner von der Sportschul­e Leipzig nach Hause. Auf die Ringermatt­e geht es dann jeden Tag. Ob er denn keinen Bammel hat, gegen Gegner, die schon viele Jahre trainieren, auf die Matte zu gehen? „Nein, warum denn? Ich geh‘ auf die Matte, mache meine Dinger und wenn es nicht klappt, dann klappt es beim nächsten Mal.“Und ein Vorbild hat er auch – keinen Geringeren als den dreimalige­n Olympiasie­ger Buwaissar Saitijew.

Wolfgang Braun aus Wünschendo­rf hilft

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Abdul Galamatov hat seinen Gegner im Griff. Foto: Reiner Marsch

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