Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Den Weltmeister aufs Kreuz gelegt
Abdul Galamatov ist kaum zu bremsen, Mitteldeutscher Meister ist der Greizer Ringer – und das soll erst der Anfang sein
Selbst der Weltmeister ist aufs Kreuz geflogen. Als Hartmut Reich dem Greizer Abdul Galamatov bei der Trainerfortbildung in Jena etwas demonstrieren wollte, zum Hammerlok ansetzte, fasste der 17-Jährige blitzschnell um, konterte. Der Weltmeister von 1982 nahm die „Schulterniederlage“gelassen. Die Aktion des Heißsporns erinnerte den 61-Jährigen an seine Zeit, als er von Apolda zur Sportschule nach Bad Blankenburg gekommen war und auch nur ringen, ringen, ringen wollte. „Abdul bringt schon einiges mit, um einmal ein guter Ringer zu werden. Er ist gewandt, arbeitet an seinen Techniken, will immer gewinnen.“
Natürlich sei es noch ein langer Weg bis zur Meisterschaft, „aber ich würde mich freuen, wenn wir in Thüringen noch mehrere talentierte Ringer seines Kalibers hätten“, sagt Landestrainer Reich. Die Episode am Rande der Trainerfortbildung zeigt es. Abdul Galamatov lässt nicht locker, will immer gewinnen, will einmal international erfolgreich sein. Was er schon kann, hat er in Greiz gelernt. Der 17-Jährige stammt aus Tschetschenien, wuchs im Umland der Hauptstadt Grosny auf. Gerungen hat er auch, weil es im Kaukasus alle tun. „Im Verein war ich nicht. Wir haben immer bei Wettkämpfen zugeschaut und auf der Wiese gekämpft.“
Vor knapp vier Jahren kam die achtköpfige Familie nach Greiz, Abdul ist der älteste der fünf Jungen, drei schnüren bereits die Ringerstiefel beim RSV Rotation. Erhard Schmelzer nahm sich des Schwarzschopfes an, setzte im Training auf Technik und Taktik. Abdul Galamatov lernte schnell, fand bald keinen Trainingspartner mehr, mit dem er sich messen konnte, gewann einen Wettkampf nach dem anderen, wurde bereits in der Bundesliga eingesetzt, ist mehrfacher Mitteldeutscher Meister. Mehr geht nicht, weil er keinen deutschen Pass besitzt und auch nicht weiß, wie es mit ihm weiter geht. Greiz sieht er als seine Heimat an, auch wenn er gern wieder einmal die tschetschenischen Berge, Oma und Opa wiedersehen würde. Sein Vater wurde in den Kriegen im Land schwer verletzt, in der Klinik in Eisenberg nach der Flucht versorgt. Abdul Galamatov fasste schnell Fuß in Greiz, spricht sehr gut deutsch, tschetschenisch und russisch. Die zehnte Klasse hat er abgeschlossen, möchte Automechaniker werden. „Mein Onkel besitzt in Grosny eine Werkstatt, hat oft an unserem alten Lada geschraubt.“Bei Thomas Roth, der in Greiz eine Kfz-Meisterwerkstatt führt, hat er zweimal ein Praktikum absolviert.
Auch Wolfgang Braun, in Greiz aufgewachsen, hilft, wo er kann. Der frühere Motorsportler, der sich in Gera auch im Boxen engagierte, lernte die Familie aus Tschetschenien per Zufall kennen, inzwischen ist eine Freundschaft entstanden. Und als er erfuhr, dass sich die Galamatovs einen Fernseher wünschen, als Ausländer aber keinen Konsumkredit – auch nicht mit einer Rate von 18 Euro im Monat – bewilligt bekommen, schoss er das Geld vor. „Ich habe noch nie so einen korrekte Familie kennen gelernt“, sagt der Wünschendorfer. Der Fernseher ist natürlich längst abbezahlt. Als Abduls Bruder Rasul, ebenfalls ein talentierte Ringer, zum Brandenburgcup, inklusive Trainingslager fahren wollte, als Ausländer nicht vom Thüringer Ringerverband unterstützt werden konnte, legten Braun und zwei weitere Freunde zusammen. Auch Abdul nutzt jede Gelegenheit, um sich im Wettkampf zu messen, bis zu fünfmal in der Woche trainiert er – oft auch an Sonn- und Feiertagen.
Einzige Ausnahme ist der Ramadan, der in dieser Woche zu Ende geht. Und in den Ferien kommt mit Lukas Kahnt der richtige Trainingspartner von der Sportschule Leipzig nach Hause. Auf die Ringermatte geht es dann jeden Tag. Ob er denn keinen Bammel hat, gegen Gegner, die schon viele Jahre trainieren, auf die Matte zu gehen? „Nein, warum denn? Ich geh‘ auf die Matte, mache meine Dinger und wenn es nicht klappt, dann klappt es beim nächsten Mal.“Und ein Vorbild hat er auch – keinen Geringeren als den dreimaligen Olympiasieger Buwaissar Saitijew.
Wolfgang Braun aus Wünschendorf hilft