Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Goretzkas Leistungen beim Confed-Cup könnten für Schalke zum Problem werden
Jedes gute Spiel für die Nationalmannschaft macht den Schalker für Bayern interessanter. Aber ExKapitän Michael Ballack rät zum Bleiben
Julian Brandt, einer dieser Hochbegabten im deutschen Team, hatte eine schwarze Baseball-Kappe auf. In seiner rechten Hand hielt er einen kleinen weißen Pappbecher, darin waren Cashew-Nüsse. Der Offensivspieler von Bayer Leverkusen lachte sein Lausbubenlächeln und sagte: „Hat Spaß gemacht. War richtig gut, wie wir das gegen Australien gemacht haben. Aber gegen Chile werden wir sehen, wo unsere Grenzen sind. Wir spielen gegen elf Soldaten.“
Das sollte natürlich nicht martialisch klingen. Sondern einfach nur ausdrücken, dass die Südamerikaner am Donnerstag ein anderes Niveau haben werden als die Australier. Dem deutschen Team droht in Kasan ein Abnutzungskampf gegen die „Fußball-Krieger“um Bayern Münchens Arturo Vidal. „Schließlich treffen wir auf eines der besten Teams der Welt“, sagte Brandt.
Sorgen braucht man sich deswegen aber nicht zu machen um die deutsche Mannschaft. Beim 3:2-Sieg über Australien bewiesen die Spieler von Bundestrainer Joachim Löw, über welches Offensivpotenzial sie verfügen. Überstrahlt wurde die Darbietung von einem Mann, der unter den Hochbegabten herausstach: Es war Leon Goretzka.
Der Profi von Schalke 04, gerade einmal 22 Jahre jung, verkörpert geradezu in Perfektion die Leitgedanken der Mannschaft: Strebsam, professionell, ehrgeizig, unbekümmert.
„Goretzka“, sagt der 98-fache deutsche Nationalspieler Michael Ballack im Gespräch mit dieser Zeitung, „ist ein kompletter Spieler.“Ein Alleskönner.
„Er ist defensiv und offensiv stark, er ist schnell, technisch stark, besitzt eine sehr gute Fitness und hat eine starke Einstellung“, lobt der einstige Kapitän der DFB-Elf den königsblauen Mittelfeldspieler.
Goretzkas Arbeitsnachweis konnte sich sehen lassen: 78,1 Prozent Passquote, sieben Torschüsse, 15 gewonnene Zweikämpfe, Strafstoß herausgeholt, Treffer erzielt. Mann des Tages. Mehr geht nicht.
Für seinen Klub Schalke 04 müssten das eigentlich wunderbare Nachrichten sein. Königsblau müsste sich wie Bolle auf die Rückkehr eines Spielers freuen, der noch nie so gut war wie in diesen Tagen.
Aber kommt der 22-Jährige tatsächlich wieder zurück? Oder erliegt er dem Werben von Bayern München?
Schalke steckt in einem Dilemma. Mit jedem herausragenden Spiel wird Goretzka interessanter für den Rekordmeister.
Aber würde ein Abschied in diesem Sommer Goretzka auch gut tun?
„Ich würde mir einen Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt zu einem europäischen Spitzenklub genau überlegen“, mahnt Ballack und liefert die Begründung: „Er ist erst 22 Jahre alt. In dieser Phase ist es sehr wichtig, dass er spielt, um sich weiter zu entwickeln und zu einer Führungsperson heranzureifen. Bei Schalke 04 hätte er dazu alle Möglichkeiten. Dort kann er sich auch mal ein schlechteres Spiel erlauben, ohne Angst zu haben, sofort aus der Mannschaft genommen zu werden.“Es geht also um den richtigen Zeitpunkt.
Und der sei noch nicht gekommen, meint Ballack. Er kenne diese Situation aus seiner eigenen Karriere. Er habe in jungen Jahren auch erst bei Bayer Leverkusen angeheuert, um dann im richtigen Augenblick den großen Sprung zu den Bayern zu machen. „Weil ich nicht nur fußballerisch, sondern auch von der Persönlichkeit bereit dazu war.“
Sein Rat ist eindeutig. Goretzka solle auf Schalke bleiben, sich weiterentwickeln und erst danach einen Wechsel anstreben. „Mit seinem Potenzial“, sagt der einstige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, „stehen ihm alle Türen offen.“ Tatsächlich könnte das Szenario eintreten, dass der Mittelfeldspieler dem Werben der Bayern widersteht. Damit stünde er nicht alleine da. Leverkusens Brandt hat den Münchnern bereits vor einigen Monaten eine Abfuhr erteilt. Er wolle lieber in Leverkusen bleiben, sagte er, weil ihm das sein Bauchgefühl sage. Außerdem könne er sich bei Bayer besser entwickeln. „Ich will spielen, um mich für die Nationalmannschaft zu empfehlen und bei der WM in Russland 2018 dabei sein zu können.“