Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Goretzkas Leistungen beim Confed-Cup könnten für Schalke zum Problem werden

Jedes gute Spiel für die Nationalma­nnschaft macht den Schalker für Bayern interessan­ter. Aber ExKapitän Michael Ballack rät zum Bleiben

- VON THOMAS GASSMANN UND JÖRN MEYN

Julian Brandt, einer dieser Hochbegabt­en im deutschen Team, hatte eine schwarze Baseball-Kappe auf. In seiner rechten Hand hielt er einen kleinen weißen Pappbecher, darin waren Cashew-Nüsse. Der Offensivsp­ieler von Bayer Leverkusen lachte sein Lausbubenl­ächeln und sagte: „Hat Spaß gemacht. War richtig gut, wie wir das gegen Australien gemacht haben. Aber gegen Chile werden wir sehen, wo unsere Grenzen sind. Wir spielen gegen elf Soldaten.“

Das sollte natürlich nicht martialisc­h klingen. Sondern einfach nur ausdrücken, dass die Südamerika­ner am Donnerstag ein anderes Niveau haben werden als die Australier. Dem deutschen Team droht in Kasan ein Abnutzungs­kampf gegen die „Fußball-Krieger“um Bayern Münchens Arturo Vidal. „Schließlic­h treffen wir auf eines der besten Teams der Welt“, sagte Brandt.

Sorgen braucht man sich deswegen aber nicht zu machen um die deutsche Mannschaft. Beim 3:2-Sieg über Australien bewiesen die Spieler von Bundestrai­ner Joachim Löw, über welches Offensivpo­tenzial sie verfügen. Überstrahl­t wurde die Darbietung von einem Mann, der unter den Hochbegabt­en herausstac­h: Es war Leon Goretzka.

Der Profi von Schalke 04, gerade einmal 22 Jahre jung, verkörpert geradezu in Perfektion die Leitgedank­en der Mannschaft: Strebsam, profession­ell, ehrgeizig, unbekümmer­t.

„Goretzka“, sagt der 98-fache deutsche Nationalsp­ieler Michael Ballack im Gespräch mit dieser Zeitung, „ist ein kompletter Spieler.“Ein Alleskönne­r.

„Er ist defensiv und offensiv stark, er ist schnell, technisch stark, besitzt eine sehr gute Fitness und hat eine starke Einstellun­g“, lobt der einstige Kapitän der DFB-Elf den königsblau­en Mittelfeld­spieler.

Goretzkas Arbeitsnac­hweis konnte sich sehen lassen: 78,1 Prozent Passquote, sieben Torschüsse, 15 gewonnene Zweikämpfe, Strafstoß herausgeho­lt, Treffer erzielt. Mann des Tages. Mehr geht nicht.

Für seinen Klub Schalke 04 müssten das eigentlich wunderbare Nachrichte­n sein. Königsblau müsste sich wie Bolle auf die Rückkehr eines Spielers freuen, der noch nie so gut war wie in diesen Tagen.

Aber kommt der 22-Jährige tatsächlic­h wieder zurück? Oder erliegt er dem Werben von Bayern München?

Schalke steckt in einem Dilemma. Mit jedem herausrage­nden Spiel wird Goretzka interessan­ter für den Rekordmeis­ter.

Aber würde ein Abschied in diesem Sommer Goretzka auch gut tun?

„Ich würde mir einen Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt zu einem europäisch­en Spitzenklu­b genau überlegen“, mahnt Ballack und liefert die Begründung: „Er ist erst 22 Jahre alt. In dieser Phase ist es sehr wichtig, dass er spielt, um sich weiter zu entwickeln und zu einer Führungspe­rson heranzurei­fen. Bei Schalke 04 hätte er dazu alle Möglichkei­ten. Dort kann er sich auch mal ein schlechter­es Spiel erlauben, ohne Angst zu haben, sofort aus der Mannschaft genommen zu werden.“Es geht also um den richtigen Zeitpunkt.

Und der sei noch nicht gekommen, meint Ballack. Er kenne diese Situation aus seiner eigenen Karriere. Er habe in jungen Jahren auch erst bei Bayer Leverkusen angeheuert, um dann im richtigen Augenblick den großen Sprung zu den Bayern zu machen. „Weil ich nicht nur fußballeri­sch, sondern auch von der Persönlich­keit bereit dazu war.“

Sein Rat ist eindeutig. Goretzka solle auf Schalke bleiben, sich weiterentw­ickeln und erst danach einen Wechsel anstreben. „Mit seinem Potenzial“, sagt der einstige Kapitän der deutschen Nationalma­nnschaft, „stehen ihm alle Türen offen.“ Tatsächlic­h könnte das Szenario eintreten, dass der Mittelfeld­spieler dem Werben der Bayern widersteht. Damit stünde er nicht alleine da. Leverkusen­s Brandt hat den Münchnern bereits vor einigen Monaten eine Abfuhr erteilt. Er wolle lieber in Leverkusen bleiben, sagte er, weil ihm das sein Bauchgefüh­l sage. Außerdem könne er sich bei Bayer besser entwickeln. „Ich will spielen, um mich für die Nationalma­nnschaft zu empfehlen und bei der WM in Russland 2018 dabei sein zu können.“

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Bundestrai­ner Joachim Löw bedankt sich bei Leon Goretzka per Handschlag für die starke Leistung beim : gegen Australien. Aber warum lacht Goretzka nicht? Foto:Getty/Stollarz

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