Thüringische Landeszeitung (Gotha)
„Ich habe so viel Lebensoptimismus“
Bruno Heller geht als CaritasDirektor nach drei Jahrzehnten in Rente – und wird im Ruhestand noch an vielen Stellen von seiner Kirche gebraucht
W er Bruno Heller längere Zeit nicht gesehen hat, dem fällt auf, dass sein Gesicht schmal geworden ist. Aber die Augen strahlen. Und seine Spannkraft ist wie eh und je. Im vergangenen Jahr war der Caritas-Direktor schwer erkrankt. So schwer, dass er alles für sein Ableben regelte und dass er nun davon spricht, in diesem Jahr so eine Art ersten Geburtstag feiern zu können. „Ich habe so viel Lebensoptimismus, dass ich noch lange leben möchte“, sagt der Mann, der heute in den Ruhestand verabschiedet wird, im TLZ-Gespräch. Z um 1. Juli wird Wolfgang Langer, gebürtiger Erfurter und in Jena lebend, sein Nachfolger. Langer hat bis jetzt als Manager bei Zeiss in Jena gearbeitet. Er ist der katholischen Kirche sehr verbunden, aber kein studierter Theologe und Pfarrer. Bruno Heller wird weiterhin für diesen Teil der Caritas-Arbeit zur Verfügung stehen. Denn die Caritas ist kein Sozialkonzern wie so viele; sie legt Wert auf ihren christlichen, auf ihren katholischen Kern. Im Bistum Erfurt hat die Caritas – das sind die Zahlen von Anfang 2016 – 5710 Mitarbeiter; fünf Krankenhäuser, davon zwei in ökumenischer Trägerschaft gehören zur Caritas, 21 Altenheime, 69 Kindergärten, 79 Beratungsdienste und Einrichtungen, 23 Behinderteneinrichtungen und Dienste – um nur einige zu nennen. Zwei Fachschulen für Sozialpädagogik und zwei für Krankenpflege werden von der Caritas betrieben – und Heller verweist darauf, dass hier das Land bei der Unterstützung gefordert ist. So verbindlich im Ton, so klar bringt Heller zum Ausdruck, was er in Thüringen als notwendig erachtet. Und woran es mangelt. D abei scheut er sich nicht, den politischen Spitzen die Meinung zu sagen. Bruno Heller erinnert sich an eine Situation, als ihm der damalige Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) vorhielt, mit seinem Aussagen könne er sich gleich um eine Mitgliedschaft bei der SPD bewerben. Heller lehnte das ab – und sagte Vogel ins Gesicht, dass für ihn Parteigängerschaft nicht infrage komme; auch nicht bei der CDU. Unabhängig bleiben. Keine falschen Verbindungen eingehen. Dabei Netzwerke knüpfen. Das ist es, was Heller in seiner langen Amtszeit ausgezeichnet hat. N icht nur im Umfeld der Caritas warten auf den künftigen Pensionär zahlreiche seelsorgerische Aufgaben. Der Domkapitular wird weiter benötigt. Bei der katholi2007 schen Kirche ist das so: Wer als Theologe in Ruhestand geht, ist schon so gut wie verplant: Das ist nicht erst jetzt so, da es an Priesternachwuchs mangelt. Aber die Erwartung, dass einer, der sein Leben in den Dienst der Kirche gestellt hat, weiterhin im Einsatz bleibt, ist nun noch größer als früher. B runo Heller stammt aus der südwestlichen Grenzregion des heutigen Thüringens. Zurück auf den elterlichen Hof aber kann er selbst besuchsweise schon lange nicht mehr. Dort wächst nur noch Gras – und es gibt einen Gedenkstein, den er mir bei unserer Fronleichnams-Fahrt im Juni zeigte. Das Anwesen wurde geschliffen, weil es den DDROberen im Wege war. Und die Hellers galten nicht als zuverlässige Familie im Sinne der SEDDiktatur. In Point Alpha wird die Geschichte dokumentiert; Bruno Heller gibt Auskunft – und wird immer wieder einmal auf das Schicksal seiner Familie im Sperrgebiet angesprochen. „Wir wussten das ja alles nicht“, habe ihm einmal eine Frau in Erfurt gesagt. So vieles, was zu DDR-Zeiten passierte, war mit einem Tabu belegt, wurde nicht besprochen. Die katholische Kirche bot da einen gewissen Schutz- und Freiraum, in dem der Staat sich mit einem Durchgriff ein wenig schwerer tat. D er Junge aus der Rhön, der später zum Theologiestudium nach Erfurt ging, mit einem Bruder an der Seite aufgewachsen, der anders war. Behindert. Die beiden verbindet brüderliche Liebe. Wie nah sie sich sind, war bei unserem Besuch damals zu erleben, als wir bei Hellers Verwandtschaft in der Rhön zum Essen eingeladen waren. Bruno Heller kennt also nicht nur aus seiner Arbeit bei der Caritas, bei der er seit 31 Jahren tätig ist, die Belange und Nöte von Familien mit solchen Angehörigen aus eigenem Erleben. Nahe dran sein, das war ihm schon immer wichtig. Er freut sich mit Blick auf den Ruhestand nicht nur darauf, dass er im Domkapitel weiterhin gebraucht wird. Er kann sich gut vorstellen, im Restaurant des Herzens in Erfurt anzupacken. M it „einer gewissen Gelassenheit“blickt Bruno Heller in die Zukunft. Stirbt es sich eines hoffentlich fernen Tages leichter, wenn man sein ganzes Leben Gott gewidmet und Theologie zum Beruf gemacht hat? „Wenn es ernst wird, gebe ich für mich auch keine Garantie. Da bin ich Mensch wie jeder andere auch“, sagt Bruno Heller.