Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wortakroba­tik über kleine Dinge des Alltags

Der Lyriker Jan Wagner bekommt den BüchnerPre­is

- VON THOMAS MAIER

In seinen Gedichten beschäftig­t sich Jan Wagner oft mit kleinen Dingen des Alltags, zum Beispiel einem Teebeutel oder einer Regentonne. Es war eine riesige Überraschu­ng, als der Lyriker im Frühjahr 2015 im Kampf gegen vier Romanciers den Belletrist­ikpreis der Leipziger Buchmesse erhielt. Gut zwei Jahre später erscheint die höchste literarisc­he Auszeichnu­ng des Landes, der Georg-Büchner-Preis, dotiert mit 50 000 Euro, fast schon folgericht­ig für das Werk des Dichters.

„Jan Wagners Gedichte verbinden spielerisc­he Sprachfreu­de und meisterhaf­te Formbeherr­schung, musikalisc­he Sinnlichke­it und intellektu­elle Prägnanz“, begründete die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung die hohe Auszeichnu­ng. Wagner ist mit seiner unangestre­ngt wirkenden Lyrik, auch wenn sie nicht immer einfach zu lesen ist, erfolgreic­h. Seine Gedichte sind inzwischen in fast 30 Sprachen übersetzt worden.

In der deutschen Lyrikszene war Wagner schon lange etabliert, bevor er in Leipzig mit seinem schmalen Band „Regentonne­nvariation­en“den Durchbruch schaffte. Der gebürtige Hamburger hatte bereits 2001 seinen ersten Gedichtban­d „Probebohru­ngen im Himmel“vorgelegt. Besonders in der Natur findet Wagner einen unerschöpf­lichen Vorrat für seine Wortakroba­tik. Ein Gedicht in der Form eines Sonetts über den Giersch – ein von Kleingärtn­ern wenig geliebtes Unkraut – wird zu einem Spiel mit Zischlaute­n über diese gierig-wuchernde Pflanze.

Der 45-Jährige ist beileibe nicht der erste Lyriker, der den Georg-BüchnerPre­is erhält. In die Reihe gehören auch Jürgen Becker (2014), Oskar Pastior (2006) oder die große österreich­ische Lyrikerin Friederike Mayröcker (2001). Wagner steht aber für eine neue Generation von jungen Lyrikern, die sich in den vergangene­n 15 Jahren ihren Raum geschaffen haben.

Für die jungen Lyriker ist das gesprochen­e Wort ein wichtiger Teil der Poesie. Wenn Wagner seinen „Giersch“liest, ist auch ein bisschen Performanc­e dabei.

„Das Schöne, wenn man Gedichte schreibt, ist, dass man nie weiß, was einem als nächstes begegnet“, sagt Wagner der Deutschen Presse-Agentur. Ein Dichter muss staunend mit offenen Augen durch die Welt gehen und deren Themenviel­falt entdecken, lautet seine Devise. Wagner, der Anglistik unter anderem in Dublin studierte, ist von der angelsächs­ischen Lyrik stark beeinfluss­t. Allerdings ist der 45-Jährige, der seit Jahren in Berlin lebt, keineswegs nur Gedichtesc­hreiber. Seine „beiläufige Prosa“in Essaybände­n wie „Die Sandale des Propheten“(2011) oder jüngst „Der verschloss­ene Raum“(2017) sind von der Kritik hochgelobt worden. (dpa)

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Jan Wagner. Foto: J. Kalaene

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