Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Unter uralten Baumriesen
Sommerjob (5): Wolfg ang Werner führt Besucher durch den Park von Schloss Reinhardsbrunn
„Manchmal“, sagt Wolfgang Werner, „sind unter den Besuchern ausgewiesene Fachleute, die sich beruflich mit dem Thema beschäftigen. Denen kann ich nichts erzählen, was sie nicht schon wissen.“Dafür profitiert der 73-Jährige von deren Wissen, was wiederum Gästen bei anderen Führungen zugutekommt. Werner gehört zum Team der Parkführer vom Schloss Reinhardsbrunn.
Zwischen April und Oktober ist er mit Gruppen auf dem Gelände unterwegs, das eigentlich für Besucher gesperrt ist. Dank eines Vertrages mit einem früheren Eigentümer, der von den Nachfolgern nicht gekündigt worden ist, kann der verwilderte Park und von außen das dem Verfall überlassene Schloss besichtigt werden.
In den hohen Zeiten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verschlug es den Tabarzer zum Klosterpark und Stift Reinhardsbrunn. Dort beschäftigte er sich mit dem Thema Thüringer Klöster. Der Schritt zum Schlosspark auf dem ehemaligen Gelände des Klosters Reinhardsbrunn war folgerichtig. „Ich hatte genügend Vorkenntnisse zum Klosterpark, die Kenntnisse übers Schloss habe ich mir angeeignet.“Und Führungen übernahm Werner, weil „es mir Spaß macht, mein Wissen an anderen weiterzugeben.“
Seit 2008 gibt es die regelmäßige Führungen mit Treffpunkt am Kavaliershaus. Er ist in diesem Jahr die fünfte volle Saison dabei. In seinem Sommerjob kommen in der Ferienzeit die meisten Besucher. „Aber auch der Oktober ist ein Monat, in dem wir noch einmal richtig viel zu tun haben.“Herausragend auch der Denkmaltag im September, da kommen bis zu 400 Gäste, die sich Wissenswertes über Park und Schloss erzählen lassen wollen. „An diesem Tag müssen wir alle ran“, sagt Wolfgang Werner.
So verwildert der Park auch ist, es fällt den Führern nicht schwer zu erzählen, welche Pracht hier einst grünte. Die uralten Baumriesen stehen für eine interessante Entwicklung. Eine Linde hat aus der Zeit des Klosters überdauert, das im Bauernkrieg zerstört wurde. „Ein Schweizer Lindenfachmann hat den Baum untersucht und sein Alter auf rund 600 Jahre geschätzt, das ist Klosterzeit.“Vom englischen Park zeugen noch zahlreiche seltene Laubund Nadelbäume, wie etwa die schlitzblättrige Buche.
Besucher seien begeistert und oft traurig zugleich, sagt Werner. Die Schönheit der Anlage nehme sie gefangen und der Verfall entsetze sie. „Einmal hat ein Besucher förmlich die Hände gerungen und gesagt, die Anlage schreie laut nach einem Gärtner. Andere wollen von uns wissen, warum hier nichts passiert, um wenigstens zu retten, was zu retten ist.“
Darauf können die Parkführer keine Antwort geben.