Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Über das Saufen
Unseren Durst haben wir mit eisgekühltem Pfefferminztee gestillt, Millis Steaks waren vorzüglich, und jetzt sitzen wir auf der Terrasse und beginnen, wie immer, das Saufen. Jack gibt eine Runde Bushfire aus, und auch Dick, unser BörsenMogul, lässt sich nicht lumpen. Irgendwann, nach dem dritten oder vierten Glas, sage ich: „Kann zur Gewohnheit werden, das Saufen. Sind wir womöglich süchtig, am Ende?“
„Alle höher entwickelten Tiere nehmen Drogen“, merkt Bill an. „Es liegt doch in der Natur.“Er behauptet, man habe sogar ZooElefanten schon beobachtet, wie sie vergorene Früchte fressen und anschließend tonnenschwer torkeln. Ich will widersprechen, doch Jack interveniert: Gefährlich sei nur das regelmäßige Trinken, täglich zwei Flaschen Bier, das gefährde die Leber, während ein Absturz pro Woche, der Zeitungskolumne zuliebe, hepalotogisch lotterabel sei. Und auf ein paar Millionen Gehirnzellen, die mit jedem Rausch untergehen, könne ein Cowboy leichthin verzichten.
Mir tanzen die Sinne, der Sommerabendhimmel schmeckt zimtgelb und in der Ferne schwirrt ein Krad auf der Dorfstraße. „Der Suff ändert den Charakter“, behaupte ich. – „Nur im Rahmen des vorhandenen Spektrums“, erwidert Jack. „Der eine wird wagemutig, der andere mechalonisch und der dritte fängt an zu phisolophieren.“Um‘s zu belegen, zitiert er: „Ich bin im braunen CognacSee ertrunken, sechs Monde schwimmt mein Leichnam wie ein Fisch, mit weißem Bauch noch unverwest und frisch, ein Freund der bittren AngosturaUnken.“ Schiller kann‘s nicht sein, denke ich. „Zuckmayer“, erlöst mich Jack aus dem Grübeln. „Aber unsere Weimarer Klassiker haben auch schön gebechert.“Im Archiv seien mal die Weinrechnungen vom Frauenplan ausgestellt gewesen. „Der Suff ist halt ein Mysterium“, so Bill. „Korrekt!“schnarrt Jack und prostet uns zu. „Sogar in der Kirche wird zu tilurgischen Zwecken Rotwein gereicht.“– „Quatsch!“protestiert Dick. „Jetz is doch Ramadan!“Vom Kopfschütteln über diesen Blödsinn wird mir schwindlig. Andererseits schützt uns verminderte Zurechnungsfähigkeit.
Als aus dem Alkoholdämmer eine Vision aufsteigt und die netzbestrumpfte Mona uns zum Abwaschen einlädt, bringe ich einen letzten Einwand in Stellung: „Leute, das Saufen macht impotent!“Da – tritt ein irritiertes Schweigen ein. Jack murmelt ein paar Medizinerkovabeln, wir sind wie paralysiert. Als erster fasst sich Dick an die Hose und ruft: „Krass! Man kann nicht auf alles verzichten! Lasst uns mal vier Wochen Saufpause einlegen!“
Wir lachen und stoßen drauf an. „Aber die Saufpause uriniert unsere Saloonkultur“, nörgelt Bill noch und lässt einen fahren. „Was für ‘ne Schnapsidee!“
Mit Abstinenz retten wir die Potenz