Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Unter freiem Himmel
Keine Sitzordnung, keine Menüfolge und alle bringen etwas mit. Picknicken ist die wohl demokratischste Form des Essens — und wird derzeit als Sommertrend wiederentdeckt
I m Freien gegessen wurde schon immer und überall – ob in der Antike, im Japan des 8. Jahrhunderts während der Kirschblüte oder im Mittelalter, als Reisende aus Platzmangel vor den Gasthäusern speisten. Doch im Fahrwasser von Genusstrends, Foodblogs und einer Rückbesinnung auf bewusstes und geselliges Essen erfährt auch das Picknick zur Zeit ein Comeback. Lieber viele Kleinigkeiten Und so greifen auch immer mehr Restaurants und Bistros den Freilufttrend auf und entwickeln Angebote für ihre Kunden. Zum Beispiel Conny Bergner. Sie bietet für die Besucher des Unesco-Biosphärenreservats Rhön seit vergangenem Jahr einen Picknickkorbverleih an. In ihrem Restaurant Zum Wetzstein in der Erlebniswelt Rhönwald gelegen, setzt Bergner auf regionale Spezialitäten. Und das führt sie bei ihrem Picknickangebot fort. „Ich habe mir regionale Kooperationspartner gesucht, mit denen ich meine Körbchen füllen konnte.“
Wer in Bergners Restaurant einen Picknickkorb mietet, bekommt neben knusprigen Brötchen, einem warmen oder kalten Getränk und frischem Obst auch Wurstspezialitäten aus einem Bauernladen in Tann (Rhön) und Marmeladen und Brotaufstriche aus einer Manufaktur in Unterweid (Rhön). „Alles ist in kleinen, praktischen Portionsgrößen.“Denn beim Picknick lautet die Devise: Lieber viele Kleinigkeiten als wenige große Portionen. Auch mit mundgerechtem Fingerfood, Sandwiches, herzhaften Mini-Quiches und süßen Törtchen lässt sich Abwechslung in den Korb bringen. Und damit die kleinen Köstlichkeiten auch in der Sommersonne appetitlich bleiben, ist es ratsam, auf frische Mayonnaise mit rohem Ei zu verzichten. Stattdessen schmecken Salatdressing und Sandwichsaucen auf Joghurt- oder Saure-Sahne-Basis. Statt Butter eignet sich Frischkäsecreme. Frische Salate bleiben, als Einzelportionen in Schraubgläser geschichtet und erst vor dem Verzehr umgerührt, knackig. Und auch bei den süßen Desserts schlägt ein formstabiles Nusstörtchen jedes zartschmelzende Schoko- oder Cremeküchlein. Beim Zubehör setzt Picknickkorbverleiherin Bergner auf Geschirr aus stabilem Kunststoff. „Bei mir gibt es keine Plastikbecher zum Wegschmeißen.“Das spart das Extragewicht von echtem Porzellan, ist aber im Angesicht fliegender Pappteller, Müllberge und abbrechender Kunststoffgabeln eine gute Alternative. Beim Picknick ist jeder zugleich Gast und Gastgeber Wer nun aber den Namen Picknick erfunden hat, darüber streiten sich Briten und Franzosen bis heute. Die heute bekannte Form soll Ende des 18. Jahrhunderts in britischen Adelskreisen entstanden sein: als Auszeit von der strengen Etikette, von Sitzordnungen und Menüfolgen. Und auch heute noch ist es die geradezu demokratische Form des Essens, die den Reiz des Wiesenschmauses ausmacht: Beim Picknick ist jeder zugleich Gast und Gastgeber. Jeder bringt etwas mit und gegessen wird so lange, bis die Sonne untergeht.