Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Griefenburg und Schweinekloster
Baumeister, Künstler und Architekten in Gotha: Oberbaurat Conrad Schaller (18511918) wirkte seit 1881 in der Residenzstadt
Die Residenzstadt Gotha besaß eine Reihe von talentierten Architekten, die zumeist an der Herzoglichen Baugewerbeschule oder beim Staatsministerium beschäftigt waren und nebenbei offizielle, aber auch private Bauaufträge übernahmen. Dies trifft auch auf den Oberbaurat Conrad Schaller zu, dessen Todestag sich am Donnerstag zum 100. Male gejährt hat. Auch er hat Spuren in Gotha hinterlassen, obwohl sein Name inzwischen zu Unrecht fast in Vergessenheit geraten ist.
Johann Conrad Christian Schaller erblickte am 20. Februar 1851 im hessischen NiederWildungen das Licht der Welt. Über seine Eltern Johannes und Friederike Schaller ist nichts bekannt. Der um das Jahr 1870 erwähnte Maurermeister Friedrich Schaller dürfte ein Verwandten gewesen sein, der womöglich Conrads Berufswahl beeinflusst hat.
Der junge Schaller bildete sich bis 1871 an der Baugewerksschule in Höxter zum Bauhandwerksmeister aus und bestand 1879 an der Königlich Polytechnischen Schule in Hannover sein Diplom mit „sehr gut“. Am 30. Juli 1880 heiratete der frisch gebackene Architekt die ebenfalls aus Nieder-Wildungen stammende Luise (1856-1935), eine Tochter des Kreisbauführers Julius Eichler. Warum es das Ehepaar 1881 nach Gotha verschlagen hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Mit seiner schwangeren Frau wohnte Schaller anfänglich in der Waltershäuser Straße 12 a. Dort wurden auch die beiden Kinder geboren, die unverheiratet gebliebene Sprachlehrerin Wilhelmine (1881-1965) und der spätere Architekt, Brückenbauingenieur und Reichsbahnrat Wilhelm (1884-1975). Die nunmehr vierköpfige Familie bezog am
1. Oktober 1884 das von Schaller entworfene Haus in der Reinhardsbrunner Straße 8 (seit
1895: Nummer 18). Nachdem Conrad Schaller zunächst beim Herzoglichen Staatsministerium für das Ressort Pflasterung und Kanalisation gearbeitet hatte, war er dann seit 1883 als Nachfolger von Wilhelm Streib (1822-1888) bei der Schlosshauptmannschaft als Architekt und Baumeister tätig. Bereits 1885 wurde er zum Hofbaumeister, 1891 zum Hofbaurat und schließlich
1898 zum Oberbaurat ernannt. Schaller war 1885 nebenbei als Fachzeichner an der Herzoglichen Baugewerbeschule tätig und zudem auch Mitglied im Regierungsbauführerverein „Siebengestirn“in Berlin. Nebenbei entwarf er als freier Architekt Häuser in Coburg und Arnstadt sowie für die Verwandtschaft in Bad Wildungen, aber auch in seiner Wahlheimat Gotha, so zum Beispiel 1888 für den Tünchermeister
Ehepaar Schaller kommt 1881 nach Gotha
Friedrich Lehmann in der jetzigen 18.-März-Straße
39 und 1904 für den Fleischermeister und späteren Staatsrat Hugo Wönne (1863-1930) in der Friedrichstraße 24. Dieses monumentale Gebäude wurde von den Gothschen sofort wegen der Profession des Bauherrn als „Griefenburg“verlacht. Das
1899 erstellte Projekt eines Neubaus am Arnoldiplatz 2 für den Kaufmann Carl Friedrichs wurde dagegen nicht ausgeführt.
Sein Hauptwerk ist das Städtische Schlachthaus in der Uelleber Straße. Nachdem am
14. Mai 1890 der Spatenstich und drei Tage später die Grundsteinlegung erfolgte, konnte nach nicht einmal anderthalb Jahren am 17. Oktober 1891 die Einweihung des Gebäudekomplexes durch den Bürgermeister Otto Liebetrau (1855-1928) vorgenommen werden. Dieser lobte in seiner Rede: „Dafür gebührt in erster Reihe uneingeschränktes Lob, rückhaltlose Anerkennung, herzlicher Dank dem Meister, der wahrhaft künstlerischen Geschmack dem profanen Bauwerk aufzuprägen verstanden, der neben der praktischen Ausgestaltung die Schönheit der Form gewahrt, kurz, der auch bei diesem Bau als einen hochgebildeten Jünger der Baukunst sich erwiesen hat.“ Der frisch gebackene Hofbaurat dankte dem Stadtrat, „daß man ihm das hohe Vertrauen geschenkt und die Leitung des Ganzen übergeben habe und reihte hieran den Wunsch, daß das Gebäude der Stadt zur Zierde gereichen“möge. Das tut es spätestens seit der 1994 abgeschlossenen erfolgreichen Sanierung – wenn auch mit neuer Nutzung – garantiert wieder. Der Volkswitz hatte jedoch sogleich aus dem profanen jedoch ein sakrales Bauwerk gemacht, denn der im neogotischen Backsteinstil errichtete Schlachthof wurde respektlos als „Schweinekloster“bezeichnet.
Eine Personenbeschreibung charakterisiert Schaller wie folgt: „In seinen besten Jahren war Konrad Schaller eine recht stramme Erscheinung, etwa 1,80 m bis 1,85 m groß und trug einen Vollbart. Er war ein sehr bedächtiger und ruhiger Mensch, mit einem versteckten Humor. Bei seinen Arbeiten war er sehr exakt bis pedantisch genau und sehr ins Detail gehend. So hat er bei seinem Schlachthofprojekt jeden einzelnen Ziegelstein einzeichnen lassen.“
Beruflich erlitt Schaller, der bereits 1892 wegen einer verweigerten Rechnungsprüfung einen Verweis erhalten hatte, 1898 einen Karriereknick. Seine Ernennung
zum Oberbaurat war nämlich ein Abschiedsgeschenk, denn fortan versah der Architekt Albin Reinhold (18691950) seine Stelle beim Hofbauamt. Leider existiert keine Personalakte, die die wahren Hintergründe des Rausschmisses oder aber der Kündigung nennt.
Der Oberbaurat a.D. gehörte daraufhin von 1899 bis 1901 der Kommission für Wasserleitung und Entwässerung an und war von 1899 bis 1902 Mitglied der Gothaer Stadtverordnetenversammlung.
Ansonsten dachte er frühzeitig an sein Altenteil, indem er ab
1898 privat die im viktorianischen Stil gehaltenen Stadtvillen Goethestraße 3-9 projektierte und baute. Er bewohnte ab
1900 die Nummer 3, ehe er 1910 in die ebenfalls von ihm entworfene, gegenüber liegende Villa Goethestraße 2 zog. Dort starb er am 15. Februar 1918, fünf Tage vor seinem 67. Geburtstag.
Gründe für Karriereknick bleiben im Dunkeln