Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Weimar wie im Märchen: Peter und der Wolf
Was hinter dem massiven Verlust des bisherigen Oberbürgermeisters Stefan Wolf und dem sehr deutlichen Sieg seines Stellvertreters Peter Kleine steckt
Jenseits der Stadtgrenze war es die Überraschung des Wahlabends: In Weimar hat der parteilose Bürgermeister Peter Kleine den langjährigen Oberbürgermeister Stefan Wolf (SPD) schon im ersten Wahlgang bezwungen. In der Stadt selbst überraschten eher die Höhen von Sieg und Niederlage.
Mit Peter Kleine trat der 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters gegen seinen Chef an. Seit fünf Jahren ist der gebürtige Sömmerdaer die Nummer 2 in der Stadt. Doch behandelt hat ihn Stefan Wolf nicht als solchen. Tiefpunkt war der Entzug der Verantwortung für die Kämmerei. Dabei kam Peter Kleine als Referatsleiter aus dem Finanzministerium und wurde vom Stadtrat als Finanzexperte zum 1. Beigeordneten gewählt. Seine schonungslose Darstellung der Stadtfinanzen und der Versuch, auf Steuererhöhungen zu verzichten, passte dem Stadtoberhaupt vor dem Hintergrund der beginnenden Diskussion um die Kreisfreiheit nicht.
Kleine schluckte die öffentliche Demütigung klaglos. Innerlich dürfte sie aber erstmals seine Bereitschaft geweckt haben, auch das höchste Amt in der Stadt anzustreben. Im Alltag arrangierte er sich mit der Situation. Er war fortan Bürgermeister für Familie und Soziales, Bildung und Sport sowie für Brandund Katastrophenschutz verantwortlich. Denn er verlor auch Ordnungs- und Rechtsamt. Die mehrfachen Umstrukturierungen durch den Oberbürgermeister hatten allerdings auch den Effekt, dass viele Menschen ihre Erfahrung mit Peter Kleines Amts- und Mitarbeiterführung machten. So gilt es als ausgemacht, dass die Mitarbeiter der Verwaltung mehrheitlich eher zu ihrem neuen als zum bisherigen Oberbürgermeister stehen. Ähnliches lässt sich zu freiwillige Feuerwehren und Sportvereinen annehmen.
Parallel wuchs die Unzufriedenheit mit Stefan Wolf. Besonders die ländlichen Ortsteile fühlen sich in der Verwaltung unverstanden. Immer wieder werden in Einwohnerversammlungen Vergleiche zwischen den prestigeträchtigen Großprojekten in der Kulturstadt und den Am Wahlabend in Weimar: Die Niederlage von Stefan Wolf (links) ist sicher, der Sieger heißt Peter Kleine. Foto: Maik Schuck Themen der Ortsteile gezogen. Hier ist es eine Verkehrsregelung, dort ein Weg, eine Straßenbeleuchtung oder eine AnliegerInitiative, die seit Jahren warten.
Schwer ins Gewicht fielen Immobilien wie das Haus der Frau von Stein oder die Bauruine in der Schillerstraße 13/15, deren Zustand mit der Amtszeit des Oberbürgermeisters verknüpft wurde. Mehrfach hatte Stefan Wolf Durchbrüche mit den Eigentümern verkündet, praktische Fortschritte hielten sich derweil in Grenzen.
So nutzte es Stefan Wolf auch wenig, kurz vor der Wahl einen endgültigen Durchbruch für die Immobilie in der Schillerstraße zu verkünden oder auf dem einstigen Schlachthofgelände den Bau von Wohnungen für bis zu 500 Menschen durch einen neuen Eigentümer in Aussicht zu stellen. Die Entwicklung dieses innerstädtischen Gebietes hatte er bereits 2006 und 2012 jeweils kurz vor dem Urnengang mit unterschiedlichen Investoren und Projekten präsentiert.
Viel Kredit verspielt hat Stefan Wolf mit dem neuen Bauhaus-Museum. Öffentlich geführt wurde die Diskussion über den Standort oder die Verkehrsführung immer erst dann, wenn Entscheidungen bereits getroffen waren. So sahen sich selbst glühende Befürworter eines solchen Museums durch ihre Kritik an Details in die Ecke von Bauhaus-Gegnern gerückt. Mehrere Bürgerbegehren wurden als unzulässig abgelehnt. Erst als es Stefan Wolf mit der Umplanung der Museums-Fassade so erging, wie manchem Weimarer in den Jahren zuvor, bezog er zumindest öffentlich gegen den Wechsel von Glas zu Beton Position.
All das wurde mit Peter Kleine nicht verbunden. Der 45-Jährige entschied sich zur Kandidatur, als ihm die CDU Weimar und das Bürgerbündnis Weimarwerk ihre Unterstützung zusagten. Kleine führte einen Wahlkampf mit Schwächen und Korrekturen und blieb dennoch immer authentisch. Das haben 60 Prozent der Weimarer gewählt: einen Oberbürgermeister zum Anfassen, der ihnen das Gefühl gibt, dass er sie versteht. Schon bald wurde das Bild von „Peter und der Wolf“bemüht. Im Netz war zu lesen: Im Märchen gewinnt der Peter.