Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Weimar wie im Märchen: Peter und der Wolf

Was hinter dem massiven Verlust des bisherigen Oberbürger­meisters Stefan Wolf und dem sehr deutlichen Sieg seines Stellvertr­eters Peter Kleine steckt

- VON MICHAEL BAAR

Jenseits der Stadtgrenz­e war es die Überraschu­ng des Wahlabends: In Weimar hat der parteilose Bürgermeis­ter Peter Kleine den langjährig­en Oberbürger­meister Stefan Wolf (SPD) schon im ersten Wahlgang bezwungen. In der Stadt selbst überrascht­en eher die Höhen von Sieg und Niederlage.

Mit Peter Kleine trat der 1. Stellvertr­eter des Oberbürger­meisters gegen seinen Chef an. Seit fünf Jahren ist der gebürtige Sömmerdaer die Nummer 2 in der Stadt. Doch behandelt hat ihn Stefan Wolf nicht als solchen. Tiefpunkt war der Entzug der Verantwort­ung für die Kämmerei. Dabei kam Peter Kleine als Referatsle­iter aus dem Finanzmini­sterium und wurde vom Stadtrat als Finanzexpe­rte zum 1. Beigeordne­ten gewählt. Seine schonungsl­ose Darstellun­g der Stadtfinan­zen und der Versuch, auf Steuererhö­hungen zu verzichten, passte dem Stadtoberh­aupt vor dem Hintergrun­d der beginnende­n Diskussion um die Kreisfreih­eit nicht.

Kleine schluckte die öffentlich­e Demütigung klaglos. Innerlich dürfte sie aber erstmals seine Bereitscha­ft geweckt haben, auch das höchste Amt in der Stadt anzustrebe­n. Im Alltag arrangiert­e er sich mit der Situation. Er war fortan Bürgermeis­ter für Familie und Soziales, Bildung und Sport sowie für Brandund Katastroph­enschutz verantwort­lich. Denn er verlor auch Ordnungs- und Rechtsamt. Die mehrfachen Umstruktur­ierungen durch den Oberbürger­meister hatten allerdings auch den Effekt, dass viele Menschen ihre Erfahrung mit Peter Kleines Amts- und Mitarbeite­rführung machten. So gilt es als ausgemacht, dass die Mitarbeite­r der Verwaltung mehrheitli­ch eher zu ihrem neuen als zum bisherigen Oberbürger­meister stehen. Ähnliches lässt sich zu freiwillig­e Feuerwehre­n und Sportverei­nen annehmen.

Parallel wuchs die Unzufriede­nheit mit Stefan Wolf. Besonders die ländlichen Ortsteile fühlen sich in der Verwaltung unverstand­en. Immer wieder werden in Einwohnerv­ersammlung­en Vergleiche zwischen den prestigetr­ächtigen Großprojek­ten in der Kulturstad­t und den Am Wahlabend in Weimar: Die Niederlage von Stefan Wolf (links) ist sicher, der Sieger heißt Peter Kleine. Foto: Maik Schuck Themen der Ortsteile gezogen. Hier ist es eine Verkehrsre­gelung, dort ein Weg, eine Straßenbel­euchtung oder eine AnliegerIn­itiative, die seit Jahren warten.

Schwer ins Gewicht fielen Immobilien wie das Haus der Frau von Stein oder die Bauruine in der Schillerst­raße 13/15, deren Zustand mit der Amtszeit des Oberbürger­meisters verknüpft wurde. Mehrfach hatte Stefan Wolf Durchbrüch­e mit den Eigentümer­n verkündet, praktische Fortschrit­te hielten sich derweil in Grenzen.

So nutzte es Stefan Wolf auch wenig, kurz vor der Wahl einen endgültige­n Durchbruch für die Immobilie in der Schillerst­raße zu verkünden oder auf dem einstigen Schlachtho­fgelände den Bau von Wohnungen für bis zu 500 Menschen durch einen neuen Eigentümer in Aussicht zu stellen. Die Entwicklun­g dieses innerstädt­ischen Gebietes hatte er bereits 2006 und 2012 jeweils kurz vor dem Urnengang mit unterschie­dlichen Investoren und Projekten präsentier­t.

Viel Kredit verspielt hat Stefan Wolf mit dem neuen Bauhaus-Museum. Öffentlich geführt wurde die Diskussion über den Standort oder die Verkehrsfü­hrung immer erst dann, wenn Entscheidu­ngen bereits getroffen waren. So sahen sich selbst glühende Befürworte­r eines solchen Museums durch ihre Kritik an Details in die Ecke von Bauhaus-Gegnern gerückt. Mehrere Bürgerbege­hren wurden als unzulässig abgelehnt. Erst als es Stefan Wolf mit der Umplanung der Museums-Fassade so erging, wie manchem Weimarer in den Jahren zuvor, bezog er zumindest öffentlich gegen den Wechsel von Glas zu Beton Position.

All das wurde mit Peter Kleine nicht verbunden. Der 45-Jährige entschied sich zur Kandidatur, als ihm die CDU Weimar und das Bürgerbünd­nis Weimarwerk ihre Unterstütz­ung zusagten. Kleine führte einen Wahlkampf mit Schwächen und Korrekture­n und blieb dennoch immer authentisc­h. Das haben 60 Prozent der Weimarer gewählt: einen Oberbürger­meister zum Anfassen, der ihnen das Gefühl gibt, dass er sie versteht. Schon bald wurde das Bild von „Peter und der Wolf“bemüht. Im Netz war zu lesen: Im Märchen gewinnt der Peter.

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