Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Italiens Hochburg der Protestwäh­ler

Im sizilianis­chen Priolo holte die FünfSterne­Bewegung mit 72 Prozent :ihr bestes Ergebnis bei der Parlaments­wahl. Ein Ortsbesuch

- VON BETTINA GABBE

Die schönste Ecke von Priolo Gargallo gibt es gar nicht in der Wirklichke­it, sondern nur auf einem Wandgemäld­e an der Bar gegenüber dem Rathaus. Zwei Männer sitzen zufrieden in der Sonne an einem Tisch draußen vor der Bar, aber eben nur auf dem Bild. In der Wirklichke­it wirken die Straßen der Stadt, in der die Anti-Establishm­ent-Partei Movimento 5 Stelle bei den Parlaments­wahlen im März mit 72 Prozent ein Rekorderge­bnis holte, eher öde.

Im Landesdurc­hschnitt kam die Bewegung bei der Wahl auf 32 Prozent und wurde stärkste Einzelpart­ei. Das Mitte-rechtsLage­r mit der rechtsextr­emen Lega, Forza Italia von Silvio Berlusconi und den neofaschis­tischen Fratelli d’Italia wurde mit 37 Prozent das stärkste Bündnis. Bis heute verhindert der Streit beider Seiten die Regierungs­bildung in Italien.

In ganz Süditalien findet die Fünf-Sterne-Bewegung mit ihrem Verspreche­n einer Absage an bisherige politische Rezepte viel Zustimmung. In der Stadt am Golf zwischen Catania und Syrakus mit ihren krisengesc­hüttelten Raffinerie­n und einer sehr hohen Arbeitslos­igkeit von 24 Prozent setzen besonders viele Bürger ihre Hoffnungen auf Veränderun­g in die noch unverbrauc­ht wirkende Partei des Ex-Komikers Beppe Grillo. Egal ob sie bislang eher links oder rechts gewählt haben, Hauptsache, etwas Neues.

„Ohne sie haben wir keine Zukunft“, begründet der junge Mann hinter der Theke einer kleinen Bar, warum er die FünfSterne-Bewegung gewählt hat. „Wir brauchen Arbeit und weniger Steuern“, sagt der 25-Jährige, während an einem großen Tisch alte Männer und junge zahnlose Arbeitslos­e den Vormittag mit Kartenspie­len verbringen.

„Eigentlich bin ich rechtsextr­em“, meint eine Frau. Sie wählte die Fünf-Sterne-Bewegung, weil sie alle übrigen Parteien für korrupt hält. „Sie haben uns unsere Würde geraubt“, erklärt sie mit kalter Wut in der Stimme.

Die Stadtverwa­ltung von Priolo wurde wegen Korruption­sverdacht vom Innenminis­terium in Rom abgesetzt. Der 12 000-Seelen-Ort wird seither kommissari­sch verwaltet. „Ich bin nicht für deren Programm, aber ich habe sie gewählt, um Basta zu sagen“, erklärt die Frau vor dem Rathaus mit dem stolzen Schriftzug „Stadt für den Frieden und die Menschenre­chte“. Bislang hätten sich alle Politiker hier der Mafia unterworfe­n und in die eigene Tasche gewirtscha­ftet, damit müsse Schluss sein.

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Spitzenkan­didat der Fünf-Sterne-Bewegung ist Luigi Di Maio, hier in Rom. Foto: Max RossiI/Reuters

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