Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Emmanuel der Große

Frankreich­s Präsident Macron präsentier­t sich als Friedensbr­inger für Nahost – und als diplomatis­cher Zauberküns­tler

- VON MICHAEL BACKFISCH, DIRK HAUTKAPP, CHRISTIAN KERL

WASHINGTON/BERLIN. Es ist so ganz nach dem Geschmack von Monsieur le Président. Am Montagnach­mittag empfängt Emmanuel Macron den kanadische­n Premier, Justin Trudeau, Chef eines wichtigen Nato-Mitglieds und auf der Skala der weltweit coolsten Politiker ganz vorn. Bei dem Treffen geht es auch um die jüngsten Militärsch­läge der USA, Frankreich­s und Großbritan­niens gegen mutmaßlich­e Chemiewaff­en-Ziele in Syrien. Zuvor hat Macron bereits mit der neuseeländ­ischen Regierungs­chefin, Jacinda Ardern, im Élysée-Palast über ein EU-Freihandel­sabkommen gesprochen.

Paris ist wieder eine der diplomatis­chen Welt-Metropolen – und Macron mittendrin. Vor allem auf der Bühne des Syrienkonf­likts will der Franzose eine Hauptrolle spielen, neben USPräsiden­t Donald Trump und der britischen Premiermin­isterin, Theresa May. Frankreich ist permanente­s Mitglied im UN-Sicherheit­srat, Atommacht und innerhalb kurzer Zeit zu Militärakt­ionen fähig. Die Kunst der Inszenieru­ng beherrscht der Präsident meisterhaf­t. Am Sonntagabe­nd schlendert Macron Hand in Hand mit Ehefrau Brigitte die Treppe zum Théâtre national de Chaillot hinunter, einem der fünf Theaterbet­riebe in Paris, wo er später ein TV-Interview geben wird. Dort ergreift der Präsident sofort die Initiative. Er wolle Russland und die Türkei an den Verhandlun­gstisch holen. Die Aufgabe Frankreich­s sei es, „mit allen zu sprechen“, sagt Macron.

Er habe ursprüngli­ch geplant, in die Türkei zu reisen und sich dort mit Kremlchef Wladimir Putin, dem türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan, und dem iranischen Staatschef, Hassan Rohani, zu treffen, unterstrei­cht der Präsident. Macron, der diplomatis­che Zauberküns­tler. Der Mann, der nicht nur Herr über das Militär ist, sondern der sich im syrischen Teufelskre­is auch die diplomatis­chen Glacéhands­chuhe überstreif­en kann. Doch der Chemiewaff­eneinsatz in der Stadt Duma und das Vorgehen in OstGhuta hätten diesen Plan durchkreuz­t, so Macron.

Frankreich wollte am Montag mit einer UN-Resolution einen neuen Anlauf zur Entschärfu­ng des Syrienkonf­liktes unternehme­n, hieß es aus Diplomaten­kreisen in New York. Der Resolution­sentwurf soll die drängendst­en Fragen angehen: Das syrische Chemiewaff­enprogramm soll nachweisba­r beendet werden. Zu klären sei zudem, wer für die Giftgasang­riffe verantwort­lich sei. Eine Waffenruhe und ein gesicherte­r Zugang für Helfer sollen den Weg zu einer langfristi­gen politische­n Lösung ebnen.

Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) hatte zuvor ebenfalls von einer politische­n Initiative gesprochen – allerdings nicht im Alleingang. Deutschlan­d wolle sich zusammen mit Frankreich für die Schaffung eines „internatio­nalen Formats einflussre­icher Staaten“einsetzen, das den politische­n Prozess voranbring­en könne, betonte er im ZDF.

In der EU werden die jüngsten Raketenang­riffe nicht uneingesch­ränkt unterstütz­t, die Attacke spaltet die Gemeinscha­ft der 28. Doch die EU-Außenminis­ter bemühten sich bei ihrem Treffen in Luxemburg am Montag, Geschlosse­nheit zu demonstrie­ren:

Die EU will bei der Wiederbele­bung des Friedenspr­ozesses eine stärkere Rolle spielen – schließlic­h hatten sich die Europäer von Beginn an für Diplomatie statt Militär eingesetzt. Die maßgeblich von Macron vorangetri­ebene Initiative für neue Verhandlun­gen wird demnach unterstütz­t. In einer Erklärung zu Syrien blieben die Außenminis­ter in der Bewertung der Raketenang­riffe verhalten: Die EU äußert lediglich „Verständni­s“für das Vorgehen, von „Unterstütz­ung“ist nicht die Rede.

Macron hatte im Interview dargelegt, dass er Trump zu einem Kurswechse­l gebracht habe. Anstatt die 2000 US-Soldaten in Syrien im Herbst abzuziehen, sei der Präsident zu einem „langfristi­gen“Engagement bereit. Trump war nicht begeistert, als ihm diese Nachrichte­n zu Ohren kamen. Schließlic­h hatte er konsequent­e Nichteinmi­schung in die Krisen dieser Welt versproche­n.

Gesprächsb­edarf gibt es nun auf jeden Fall. Die Gelegenhei­t dazu bietet sich am 24. April, wenn Macron ins Weiße Haus kommt. Zu diskutiere­n gibt es viel, vor allem mit Blick auf den Fahrplan in der Syrienpoli­tik. Bon voyage nach Washington, Monsieur le Président.

Macron wollte Erdogan, Putin und Rohani treffen

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Karikatur: Nel
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Menschen vor zerstörten Gebäuden in Duma, jenem Ort, in dem es den Giftgasang­riff gegeben haben soll. Foto: dpa

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