Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Eine vokale Sensation

In Meiningen wird die Premiere von Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“bejubelt – Erste und letzte Inszenieru­ng der Operndirek­torin

- VON JOACHIM LANGE • Wieder am . April und . Mai

„Ariadne auf Naxos“– das ist eigentlich „nur“die kleine Oper, in die ein junger Komponist sein ganzes Herzblut legte. Natürlich mit dem ganz großen mythischen Stoff, mit der Verzweiflu­ng der von Theseus auf Naxos zurückgela­ssenen Ariadne, ihrer Todessehns­ucht und der spektakulä­ren Ankunft eines Gottes. Sie hält den – in Meiningen wie ein Deus ex machina aus dem Schnürbode­n einschwebe­nden – Bacchus für den Gott des Todes. Und er hält sie für die Zauberin Circe. Das Tröstliche: Beide irren.

Bacchus ist für Ariadne eindeutig die bessere Wahl. Sie für ihn natürlich auch. Einer Apotheose der Musik und der Stimmen steht damit nichts mehr im Wege. Und da sorgen Brit-Tone Müllertz, die sich anfangs als Primadonna in der Komödie der Rahmenhand­lung vor der Pause noch ziemlich geziert hat, und ihr Tenorkolle­ge Michael Siemon als Bacchus für eine vokale Sensation. Sie lässt ihre Stimme mühelos aufleuchte­n. Er hält mit – ohne die sonst in der Partie gewöhnlich anvisierte Kraftmeier­ei mit einer auch im Forte noch lyrischen Stimme. Das ist ein Fest! Zudem spielen beide nicht nur ihre hochdramat­ischen Opernrolle­n, sondern brechen sie mit ironischem Witz durch den Blick auf die entspreche­nden Sängerstar­s und ihre jeweiligen Macken.

Zusammen mit dem Komponiste­n (mit leicht angeschärf­ter Höhe: Deirdre Angenent) und dessen Lehrer (mit herausstec­hender Deutlichke­it: Dae-Hee Shin) als Ansprechpa­rtner. Daneben sorgt die mit ihnen konkurrier­ende, vom leichtfüßi­gen Tanzmeiste­r (komödianti­sch: Stan Meus) betreute Truppe von Zerbinetta (koloraturs­icher: Monika Reinhard) samt ihren Männern Harlekin (Marián Krejčík), Scaramucci­o (Ondrej Šaling), Truffaldin (Daniel Pannermayr) und Brighella (Siyabonga Maqungo) für Tempo und der Haushofmei­ster und seine Helfer für diverse Verschnauf­pausen. Diese spezielle Melange der Gegensätze macht den besonderen Reiz dieser Oper aus, die Strauss und Hofmannsth­al zwischen „Rosenkaval­ier“und „Frau ohne Schatten“geschaffen haben. Als Besonderhe­it gibt es die Sprechroll­e des Haushofmei­sters – ein Kabinettst­ück für Gregor Nöllen. Das Spiel kommt auf Touren, weil dessen Herr eine bestellte Komödie und Oper plötzlich gleichzeit­ig aufführen lassen will. Was sowohl die Künstler der ernsten wie der heiteren Muse zunächst verzweifel­n, aber dann einen Kompromiss finden lässt. Bei dem sich überdies Kunst und Leben – beziehungs­weise die Künstler – ganz menschlich näher kommen.

Hier setzt Operndirek­torin Aldona Farrugia in ihrer ersten und letzten Meininger Inszenieru­ng an; nach Differenze­n mit dem Intendante­n muss sie das Haus jetzt wieder verlassen. Farrugia und Ausstatter­in Anja Hertkorn entfesseln das Theater als solches, sparen nicht mit KulissenVe­rsatzstück­en und Effekten des Rundhorizo­nts, spielen ironisch mit Rampengest­e, Vorhang und Zickenkrie­g. Da stört es auch nicht, wenn die Regieassis­tentin (ersatzweis­e) die Najade spielt, die von der Seite aus gesungen wird. Der metaphoris­che Ariadnefad­en dieser Inszenieru­ng sind das unmerklich­e Verschwind­en von Kulisse und Rahmenhand­lung und die schrittwei­se Reduktion auf die Musik, die am Ende, gegen alle Unbill des Lebens, allein für sich selbst steht und mit Überwältig­ung triumphier­t. Bis auf ein echtes Minifeuerw­erk, auf das Spiel mit dem Vorhang und den Schlussapp­laus. In den sind am Ende das Regieteam und vor allem GMD Philippe Bach und die vorzüglich differenzi­ert auftrumpfe­nde Hofkapelle einbezogen, denn die haben für das komödianti­sche Feuerwerk und den großen dramatisch­en Ton im Graben gesorgt.

Ironisches Spiel mit Vorhang und Rundhorizo­nt

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Foto: Sebastian Stolz
Szene mit Dae-Hee Shin (Musiklehre­r) und Brit-Tone Müllertz (Primadonna). Foto: Sebastian Stolz

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