Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Eine vokale Sensation
In Meiningen wird die Premiere von Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“bejubelt – Erste und letzte Inszenierung der Operndirektorin
„Ariadne auf Naxos“– das ist eigentlich „nur“die kleine Oper, in die ein junger Komponist sein ganzes Herzblut legte. Natürlich mit dem ganz großen mythischen Stoff, mit der Verzweiflung der von Theseus auf Naxos zurückgelassenen Ariadne, ihrer Todessehnsucht und der spektakulären Ankunft eines Gottes. Sie hält den – in Meiningen wie ein Deus ex machina aus dem Schnürboden einschwebenden – Bacchus für den Gott des Todes. Und er hält sie für die Zauberin Circe. Das Tröstliche: Beide irren.
Bacchus ist für Ariadne eindeutig die bessere Wahl. Sie für ihn natürlich auch. Einer Apotheose der Musik und der Stimmen steht damit nichts mehr im Wege. Und da sorgen Brit-Tone Müllertz, die sich anfangs als Primadonna in der Komödie der Rahmenhandlung vor der Pause noch ziemlich geziert hat, und ihr Tenorkollege Michael Siemon als Bacchus für eine vokale Sensation. Sie lässt ihre Stimme mühelos aufleuchten. Er hält mit – ohne die sonst in der Partie gewöhnlich anvisierte Kraftmeierei mit einer auch im Forte noch lyrischen Stimme. Das ist ein Fest! Zudem spielen beide nicht nur ihre hochdramatischen Opernrollen, sondern brechen sie mit ironischem Witz durch den Blick auf die entsprechenden Sängerstars und ihre jeweiligen Macken.
Zusammen mit dem Komponisten (mit leicht angeschärfter Höhe: Deirdre Angenent) und dessen Lehrer (mit herausstechender Deutlichkeit: Dae-Hee Shin) als Ansprechpartner. Daneben sorgt die mit ihnen konkurrierende, vom leichtfüßigen Tanzmeister (komödiantisch: Stan Meus) betreute Truppe von Zerbinetta (koloratursicher: Monika Reinhard) samt ihren Männern Harlekin (Marián Krejčík), Scaramuccio (Ondrej Šaling), Truffaldin (Daniel Pannermayr) und Brighella (Siyabonga Maqungo) für Tempo und der Haushofmeister und seine Helfer für diverse Verschnaufpausen. Diese spezielle Melange der Gegensätze macht den besonderen Reiz dieser Oper aus, die Strauss und Hofmannsthal zwischen „Rosenkavalier“und „Frau ohne Schatten“geschaffen haben. Als Besonderheit gibt es die Sprechrolle des Haushofmeisters – ein Kabinettstück für Gregor Nöllen. Das Spiel kommt auf Touren, weil dessen Herr eine bestellte Komödie und Oper plötzlich gleichzeitig aufführen lassen will. Was sowohl die Künstler der ernsten wie der heiteren Muse zunächst verzweifeln, aber dann einen Kompromiss finden lässt. Bei dem sich überdies Kunst und Leben – beziehungsweise die Künstler – ganz menschlich näher kommen.
Hier setzt Operndirektorin Aldona Farrugia in ihrer ersten und letzten Meininger Inszenierung an; nach Differenzen mit dem Intendanten muss sie das Haus jetzt wieder verlassen. Farrugia und Ausstatterin Anja Hertkorn entfesseln das Theater als solches, sparen nicht mit KulissenVersatzstücken und Effekten des Rundhorizonts, spielen ironisch mit Rampengeste, Vorhang und Zickenkrieg. Da stört es auch nicht, wenn die Regieassistentin (ersatzweise) die Najade spielt, die von der Seite aus gesungen wird. Der metaphorische Ariadnefaden dieser Inszenierung sind das unmerkliche Verschwinden von Kulisse und Rahmenhandlung und die schrittweise Reduktion auf die Musik, die am Ende, gegen alle Unbill des Lebens, allein für sich selbst steht und mit Überwältigung triumphiert. Bis auf ein echtes Minifeuerwerk, auf das Spiel mit dem Vorhang und den Schlussapplaus. In den sind am Ende das Regieteam und vor allem GMD Philippe Bach und die vorzüglich differenziert auftrumpfende Hofkapelle einbezogen, denn die haben für das komödiantische Feuerwerk und den großen dramatischen Ton im Graben gesorgt.
Ironisches Spiel mit Vorhang und Rundhorizont