Thüringische Landeszeitung (Gotha)

13-Jähriger findet Silberscha­tz

Ein Schüler macht auf Rügen einen unglaublic­hen Fund. Womöglich hat ein Herrscher seine Kostbarkei­ten vergraben

- VON JONAS ERLENKÄMPE­R

Was die Grabungshe­lfer auf einem Acker nahe der Ostseeküst­e auf Rügen aus der matschigen Erde geholt haben, ist für Historiker eine Sensation. 1000 Jahre alt ist der Silberscha­tz, den sie am vergangene­n Wochenende zutage gefördert haben: 500 bis 600 Münzen, kunstvoll geflochten­e Halsreife, Perlen, Ringe und einen Thorshamme­r. „Ich dachte, das ist irgendein Alu-Schrott“, erzählt der 13-jährige Luca Malaschnit­schenko – der Schüler hatte auf dem Feld im Januar eine Münze entdeckt, die sich später als historisch wertvoll entpuppte.

Das Amt für Denkmalpfl­ege in Mecklenbur­g-Vorpommern veranlasst­e deshalb nun die ausführlic­he Grabung bei Schaprode. Knapp 20 Hobby-Archäologe­n liefen also mit Metalldete­ktoren über das Feld. Es sind ganz normale Männer und Frauen, die da – bekleidet mit Gummistief­eln und warmen Mützen – am Werk waren. Nur dass ihre Leidenscha­ft die Archäologi­e ist und sie den profession­ellen Denkmalpfl­egern ohne Aussicht auf Finderlohn immer mal wieder helfen. Drei Tage brauchten sie, um einen Schatz auszugrabe­n, der so spektakulä­r ist wie wenige andere, die in den vergangene­n Jahren in Deutschlan­d gefunden wurden.

Verantwort­lich dafür ist Michael Schirrer, der den HobbyArchä­ologen als Grabungsle­iter zur Seite stand. Der 57-Jährige hat in seinem Berufslebe­n schon viele Schätze gehoben, doch vom Rügener Fund ist er begeistert: „Dieser Schatz hat eine besondere Geschichte“, schwärmt er. Er stammt aus der Zeit des legendären Dänen-Königs Harald Blauzahn (910–987) und sei „von herausrage­nder Bedeutung“. Denn ähnlich große

Münzfunde gab es bislang nur auf dem Gebiet des Dänenreich­es. Wie kommen von Blauzahn geprägte Münzen ins heutige Deutschlan­d?

Fest steht: Der als Wikinger geborene Blauzahn war zum Christentu­m konvertier­t und gilt als Begründer des dänischen Reiches. Doch zu Lebzeiten war der Herrscher umstritten. Historisch­en

Quellen zufolge floh er nach einem verlorenen Machtkampf mit seinem Sohn, der das Christentu­m ablehnte und die altnordisc­hen Mythen verteidigt­e, im Jahr 986 auf eine Burg in Pommern, wo er ein Jahr später starb.

Womöglich haben Blauzahn und seine Gefolgsleu­te den Silberscha­tz während der Flucht

versteckt. Genauso wie ein 16teiliges Goldschmuc­kensemble, das während zweier Sturmflute­n 1872 und 1874 auf der Insel Hiddensee freigespül­t wurde. Auch dieser Fund wird Blauzahn zugeschrie­ben. Experten schätzen, dass die auf Rügen gefundenen Münzen in den späten

80er-Jahren des 10. Jahrhunder­ts vergraben wurden – zu der Zeit also, als Blauzahn geflohen sein soll. „Wir haben hier den seltenen Fall, dass dieser Fund mit historisch­en Quellen zusammenzu­gehen scheint“, sagt Landesarch­äologe Detlef Jantzen.

Für Historiker ist der VaterSohn-Konflikt um Blauzahn und seinen Nachwuchs von großer Bedeutung. Der Konflikt und der nun entdeckte Schatz spiegelten das Hin- und Hergerisse­nsein jener umkämpften Epoche zwischen Christen- und Wikingertu­m wider, sagt Jantzen. Der Fund von Schaprode wird zunächst nach Schwerin ins Landesamt gebracht, wo die Stücke geordnet und konservier­t werden.

Ein Hügel markiert die Fundstelle

Zum Schatz zählen auch Münzen aus England und dem Orient – Ausdruck der damals bereits üblichen Handelsver­bindung mit dem Ostseeraum. Auffällig ist, dass viele der von den Archäologe­n ausgegrabe­nen Münzen halbiert sind. Auch von einigen Ringen fehlen Stücke. Offensicht­lich sind sie zerhackt worden. Die Erklärung dafür liefert Grabungsle­iter Schirrer: „Schmuck war zu jener Zeit ein Zahlungsmi­ttel, Silber die gängige Währung. Wenn für einen Handel noch 20 Gramm fehlten, wurde eben ein Stück vom Ring abgeschlag­en.“

Dass die einstigen Besitzer des Schatzes ihn ausgerechn­et bei Schaprode vergruben, war kein Zufall: In der Nähe befinden sich noch heute die Überreste eines Hügelgrabe­s aus der Bronzezeit, eine Art Ortsmarke. Doch warum sind die Urheber nie zurückgeko­mmen? „Dieses Geheimnis“, sagt Schirrer, „haben sie mit ins Grab genommen.“

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Diese Schmuckstü­cke und Münzen lagen ein Jahrtausen­d unter der Erde. Auffällig: Sowohl Ringe als auch Geldstücke wurden zerhackt. Foto: Stefan Sauer/dpa/pa

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