Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Ex-Häftling muss psychologi­sches Gutachten bezahlen

Gefangenen­Vereinigun­g protestier­t gegen „schikanöse Rechnung“– Justizmini­sterium: Zahlungsau­fforderung rechtens

- VON SIBYLLE GÖBEL

Wenn in einem Strafverfa­hren ein Gutachten zum Angeklagte­n eingeholt werden muss, dann sind die Kosten dafür dem verurteilt­en Straftäter in Rechnung zu stellen – auch wenn das Gutachten gegen seinen Willen in Auftrag gegeben wurde. Das hat jetzt auf Anfrage das Thüringer Justizmini­sterium klargestel­lt.

Es reagierte damit auf eine Mitteilung der sogenannte­n Solidaritä­tsgruppe Jena der Gefangenen-Gewerkscha­ft, in der diese moniert, dass ein Ex-Gefangener für ein psychologi­sches Gutachten mehr als 3500 Euro zahlen soll.

Nach Angaben der Solidaritä­tsgruppe saß der ehemalige Strafgefan­gene in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Untermaßfe­ld ein. Gegen seinen Willen habe die Anstaltsle­itung während seiner Haftzeit – also nicht im Strafverfa­hren – ein psychologi­sches Gutachten erstellen lassen, um einschätze­n zu können, ob eine vorzeitige Haftentlas­sung in Frage kommt. „Das tat sie, obwohl das Verhalten des Gefangenen zu diesem Zeitpunkt aus Sicht der Anstalt durchaus positiv war und er sich bereits im offenen Vollzug in der JVA SuhlGoldla­uter befand“, teilt ein Sprecher der Gruppe mit.

Dennoch sei seitens der Anstalt ein Psychiater beauftragt worden, der allerdings aus Kassel anreisen musste und allein schon dadurch beträchtli­che Kosten verursacht habe.

Dass die Behörden trotz Widerspruc­hs an der Zahlungsau­fforderung festhalten, empfindet die Gruppe als „dreifache Frechheit“: Zum einen, weil der Häftling nicht vorab über die Kosten informiert worden sei. Zum anderen erhebt sie den Vorwurf, dass im Strafvollz­ug eine Zweiklasse­ngesellsch­aft entstehe, da kosteninte­nsive Gutachten zur vorzeitige­n Haftentlas­sung „so zu einem Luxusgut für reiche Gefangene werden“. Zum dritten stelle sich die Frage, wie jemand, der nach der Entlassung als Maler und Lackierer zum branchenüb­lichen Tarif arbeite, eine solche Rechnung bezahlen solle.

Der Ex-Gefangene, so die Solidaritä­tsgruppe, habe eine Petition beim Thüringer Landtag eingereich­t, um gegen die aus seiner Sicht „schikanöse“Zahlungsau­fforderung und die Art und Weise, wie der „Staat die inhaftiert­en und entlassene­n Arbeiter ausnimmt“, zu protestier­en.

Dem Justizmini­sterium ist eine solche Petition indes nicht bekannt. Wie es auch nichts von dem geschilder­ten Sachverhal­t wisse, betont Ministeriu­mssprecher Oliver Will. Will vermutet, dass es sich um ein Gutachten „aus dem der Inhaftieru­ng zugrunde liegenden Strafverfa­hren handelt“. Und das könne in der Tat auch gegen den Willen des Delinquent­en eingeholt werden und als Teil der Verfahrens­kosten in Rechnung gestellt werden. Bei der Gefangenen-Vereinigun­g, ergänzt Will, handele es sich zudem nicht um eine Gewerkscha­ft. Der Ministeriu­mssprecher bezieht sich dabei auf ein Urteil des Landgerich­ts Berlin von Juni 2015: Darin stellte das Gericht klar, dass eine Gewerkscha­ft eine Vereinigun­g von Arbeitnehm­ern sei, mithin von Menschen, „die aufgrund eines privatrech­tlichen Vertrags oder eines vergleichb­aren Rechtsverh­ältnisses im Dienste eines anderen zur Arbeit verpflicht­et seien“.

Zwischen Strafgefan­genen und der JVA würden aber keine Arbeitsver­träge geschlosse­n, wie auch der Arbeitsein­satz nicht auf einer freien Willensent­scheidung fuße. Vielmehr sei das Beschäftig­ungsverhäl­tnis öffentlich-rechtliche­r Natur und Folge der Arbeitspfl­icht.

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Die Kosten für ein psychologi­sches Gutachten sind derzeit Streitpunk­t zwischen dem Justizmini­sterium und Häftlingen. Foto: dpa

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