Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Bewerbungen laufen deutschlandweit ins Leere
Junge Frau aus Wünschendorf möchte Hebamme werden und bekommt keinen Ausbildungsplatz
Carolin Wittig aus Wünschendorf möchte unbedingt Hebamme werden. Mit 21 Jahren habe sie auch die nötige Reife für diesen verantwortungsvollen Beruf. „Man muss auch mit Totgeburten klar kommen oder mit Missbildungen. Und man muss in brenzligen Situationen souverän und ruhig bleiben können“, meint Carolin Wittig.
Als sie mit Realschulabschluss die Schule verlassen hat, hat sie eine Lehre im Verwaltungsbereich begonnen, aber gesundheitsbedingt abgebrochen. Dann wollte sie ihr Fachabitur ablegen, ist aber an der Mathenote gescheitert. „Man hat mir allerdings beim Arbeitsamt bescheinigt, dass meine Mathekenntnisse für den Beruf der Hebamme ausreichen.“Und deshalb sucht Carolin Wittig seit vergangenem Herbst intensiv nach einem Ausbildungsplatz – bislang erfolglos.
Bundesweit habe sie sich an allen Schulen beworben, die eine dreijährige Hebammenausbildung anbieten. Viele hundert Kilometer auf der Autobahn hat sie als Fahranfängerin in Kauf genommen, ist nach Augsburg, Ingolstadt oder Marburg zu Vorstellungsgesprächen gefahren – und ohne Zusage wieder zurück. Abiturientinnen werden meist bevorzugt, obwohl das keine Voraussetzung ist, so ihre Erfahrung. Selbst ein Praktikum ist nicht zu bekommen. Angesichts des Hebammenmangels in Deutschland kann die junge Frau ihre Erfolglosigkeit nicht verstehen und will notfalls doch die große und zeitintensivere Runde über Fachabitur und Studium zur Hebamme drehen.
Dahin geht ohnehin der Trend, erklärt die Landesvorsitzende des Hebammenlandesverbandes Thüringen, Annika Wanierke. „Ab 2020 wird dieser
Beruf komplett akademisiert. Europaweit ist das schon üblich. In Deutschland ist man gerade dabei und Thüringen ziemlich weit vorn.“Derzeit gibt es in Thüringen zwei Ausbildungsstätten: die Marie-Elise-KayserSchule in Erfurt mit momentan 39 Auszubildenden und alle zwei Jahre an der Ernst-AbbeHochschule Jena mit aktuell 37 Studenten. Generell will man die Ausbildungszahlen ab Herbst erhöhen.
Der Landesverband vertritt derzeit 460 Mitglieder und ist gerade dabei, mit finanzieller Unterstützung des Thüringer Sozialministeriums eine neue Website aufzubauen, die thüringenweit die Suche nach einer Hebamme erleichtern soll.