Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Die Grünen entdecken den ländlichen Raum neu
Klausur in Weimar: Die Bundestagsfraktion will sich um die Abgehängten kümmern und sieht sich als „Oppositionsführer der linken Mitte“
Die beiden Fraktionsvorsitzenden von Bündnis /Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, sind auf dem Weg zur Abschluss-Pressekonferenz nach der Klausur der Grünen-Bundestagsfraktion in Weimar. Foto: Christoph Soeder, dpa
Sie waren sehr früh aufgestanden, um Kohlmeisen und Buchfinken zuzuhören. Eine sogenannte VogelstimmenWanderung am letzten Morgen der diesjährigen Klausur der grünen Bundestagsfraktion in Weimar: Symbolisch wertvoller geht es nicht.
Die Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt formte aus dem Klischee dann auch rasch den passenden Kalauer: Die grünen Vogelstimmen, sagte sie, stünden gegen das Schweigekartell der Bundesregierung, das alle ökologischen Fragen betreffe. Ihr Co-Vorsitzender Anton Hofreiter zählte auf: Ob nun beim Kohleausstieg, der Agrarwende oder dem Kampf gegen das Artensterben – überall versage die große Koalition in Berlin. Es sei ein einziges „Desaster“.
Die Grünen, sagte GöringEckardt, seien die „einzige Partei“, die in diesen Fragen einen Plan besitze. „Wenn es kein anderer macht, machen wir es.“Mehr noch: Ihre Partei besitze „die Oppositionsführerschaft in der linken Mitte“.
Angesichts der Tatsache, dass die Grünen die kleinste Fraktion im Bundestag sind, ist dies eine recht selbstbewusste Behauptung. Andererseits liegt die Partei in Umfragen bei 13 Prozent, die neue Parteispitze unter Robert Habeck und Annalena Baerbock kommt gut an, intern wie extern. Obwohl es wieder nicht mit der Regierungsbeteiligung im Bund klappte, ist die grüne Binnenstimmung bemerkenswert aufgeräumt.
Baerbock war als Abgeordnete bei der dreitägigen Klausur in Weimar dabei. Allerdings hielt sie sich vor allem zugunsten von Göring-Eckardt zurück. Die Fraktionschefin stammt nicht nur aus Thüringen, sondern feierte am Donnerstag auch ihren Geburtstag.
Ansonsten wurden in der Weimarhalle mit Wissenschaftlern und sonstigen Experten darüber gesprochen, was die Gesellschaft in diesen bewegten Zeiten zusammenhält. Man müsse sich um die Abgehängten kümmern, sagt Göring-Eckardt. Es gehe um Daseinsvorsorge, von der Versorgung mit Hebammen bis zur Pflege. Und es gehe darum, den ländlichen Raum lebenswert zu halten, mit guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, mit medizinischer Versorgung, Bildung und ausgezeichneter Kinderbetreuung.
Dies sind auch die Themen, die bei den 2019 anstehenden ostdeutschen Landtagswahlen eine zentrale Rolle spielen sollten. Sowieso, sagte GöringEckardt, stünden die neuen Länder im besonderen Fokus der Partei, deren Führungsgremien inzwischen fast paritätisch mit Ostdeutschen besetzen seien.
Die Fraktion fasste in Weimar noch einige Beschlüsse. So forderte sie einen stärkeren proeuropäischen Kurs der Bundesregierung. Zudem soll der Pestizideinsatz der Landwirtschaft in den nächsten vier Jahren um 40 Prozent gesenkt werden.