Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Geige, Kreuz und Dornenkrone: Zur Erinnerung entsteht Kunst
Umhergeführt: Der Hauptfriedhof war einst die schönste Ruhestätte Thüringens und könnte es wieder zu werden
Für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit wird ab Montag im Haus der Generationen (Schulplatz 4) eine neue Gesprächsrunde angeboten. Initiatorin ist die Koordinierungsstelle für Ehrenamt in der Flüchtlingsarbeit Gotha, die unter dem Dach des Diakoniewerk Gotha arbeitet. In der Runde (ab 17.30 Uhr) werden Ehrenamtliche bei der Arbeit mit Themen konfrontiert, die belastend sein können.
Da sind nicht nur Flüchtlinge, die von ihren traumatischen Erfahrungen berichten. Mitunter ist eine herzliche Verbindung entstanden, dann ziehen Flüchtlinge um, werden abgeschoben oder umverteilt. Manchmal sind die kulturellen Unterschiede so groß, dass die Ehrenamtlichen an ihre persönlichen Grenzen stoßen. Angeboten wird hier eine Fallberatung, zu der Ehrenamtliche mit ihren konkreten Fragen und Anliegen kommen können. Gemeinsam wird dann nach einer Lösung gesucht.
Bei der Gesprächsrunde können Ehrenamtliche darüber sprechen, was sie bewegt, im Umgang damit werden sie fachlich unterstützt. Das kann ihnen helfen, bei der Arbeit gelassener mit Situationen umzugehen.
Die Sonne scheint auf die geradlinig aufgereihten Steine, die Stimmung unter den Anwesenden ist heiter. Sie sind gespannt, was ihnen Gästeführer Hans Ulrich Zwetz erzählen wird. Heute soll es um den Tod gehen.
Von Friedhöfen scheint eine gewisse Magie auszugehen. Zu Tausenden pilgern Menschen zu den Gräbern von Persönlichkeiten wie Jim Morrison, Elvis Presley und Falco. An ihren letzten Ruhestätten fühlen sie sich ihren Idolen nah. Der Friedhof wird zum obskuren Touristenziel.
Von Grabstättentourismus kann man in Gotha nicht sprechen. Dennoch ist nicht Trauer der Grund, weswegen die Besucher zur Führung auf dem Hauptfriedhof kommen. Sie wollen Kultur erleben. Stadtgeschichte zeigt sich auf dem Hauptfriedhof aus ungewohnter Perspektive.
In erster Linie machen die verschiedenen Gestaltungsstile den Gothaer Hauptfriedhof zu einem facettenreichen Kulturdenkmal. Schon vom Eingang beeindruckt das Kolumbarium im neoklassizistischen Stil. Das Gebäude nach Art eines Taubenschlags – lateinisch heißt „columba“Taube – beherbergt in einem Säulengang die Urnen Gothaer Persönlichkeiten. Die wohl berühmteste Asche im Kolumbarium gehört zu Friedensnobelpreiträgerin Bertha von
Suttner. Die Pazifistin gründete eine Friedensgesellschaft. Eine der aktivsten Ortsfriedensgruppen entstand in Gotha. In ihrem Testament verfügte von Suttner, dass ihr Leichnam in die thüringische Residenzstadt überführt werde.
Neben dem Kolumbarium befindet sich das 1878 erbaute erste Krematorium im deutschsprachigen Raum. „Gotha ist ein Zentrum der Kremation. Im letzten Jahr wurden 95 Prozent der Toten auf diesem Friedhof eingeäschert“, berichtet Hans Ulrich Zwetz. Die Gestaltung der Grabanlagen auf dem Gothaer Hauptfriedhof tragen symbolische Bedeutung. Zum einen ist da der Jugendstil-Friedhof. Er Hans Ulrich Zwetz ist Gästeführer in Gotha. Ehrenamtlich arbeitet er zudem für das Technik und Geschichtsmuseum
wurde in der Form einer Geige angelegt, in der man aus der Vogelperspektive auch ein Kreuz erkennt. Die christliche Symbolik kommt durch eine Dornenkrone in Form von RotdornSträuchern am Kopf des Kreuzes noch stärker zur Geltung.
Viele Grabstätten spiegeln den Jugendstil wider, wie das opulente Grabmal der Geschwister Nordheim. Weiter gibt es auf dem Friedhof einen Teil im Stil der Gründerzeit und einen im Reformstil. Vor dem Vergessen bewahrt werden konnten auch ganz alte Grabsteine. Die kleinen Monumente fanden ihren Platz auf einer Wiese, dem Lapidarium des Friedhofs.
Zwischen den Gräbern oder auf Grabdenkmälern entdeckt man immer wieder eine muskulöse Statue im Stil griechischer Götter. Sie trägt in der Hand ein Fackel, die sie zu Boden senkt. Es handelt sich um Thanatos, den Gott des Todes, der symbolisch das Feuer des Lebens erstickt. Hier weilen die Toten, trotz bunter Blumenbeete und filigraner Steinmetzarbeiten. Der Friedhof ist für alle Menschen die letzte Station, doch der Gothaer Hauptfriedhof zeigt, dass sie nicht dunkel und schaurig sein muss, sondern ein Ort der liebevollen Erinnerung sein kann, der Kunst- und Kulturgeschichte einer Stadt.
„Aus gestalterischer Sicht hat der Gothaer Friedhof mehr Beachtung verdient als der in Prag.“
• Nächste Friedhofsführung: Sonntag, . Mai, Uhr Das Glasdach über dem Grabstein ist eine Eigenheit der er-Jahre.