Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Radprofi Kittel bringt sich in Colorados Höhen in Schwung
Thüringer TopSprinter be e tet s ch auf Tou de F ance Zwe v e ve sp echende Siege zum Saisonstart
Als Marcel Kittel am Mittwoch in Frankfurt in das Flugzeug nach Colorado kletterte, konnte er mit sich und der Welt durchaus zufrieden sein. Der Start in die neue Saison war mit zwei Etappensiegen nicht euphorisch, aber vielversprechend. Die ersten Abschnitte der Tour de France nahm der Weltklassesprinter auch schon selbst in Augenschein und eine Mandelentzündung im April fiel kaum ins Gewicht. „Ich habe vier, fünf Tage verloren. Aber das war nicht schlimm“, sagt der Radprofi aus Ichtershausen, der am kommenden Freitag seinen 30. Geburtstag feiert.
Für den Thüringer, der mit seiner Freundin Tess von Piekartz in der Schweiz lebt, hat mit der USA-Reise die Vorbereitung auf die Tour de France begonnen, die am 7. Juli in Noirmoutier-enl’Île an der Atlantikküste mit einer Sprintetappe startet. „Ich will eine Etappe gewinnen. Alles andere betrachte ich als Zugabe“, sagt Kittel, der im vergangenen Jahr bei der FrankreichSchleife fünf Siege eroberte, bis zu seinem Sturz auf der 17. Etappe von La Mure nach Serre-Chevallier das Grüne Trikot des bestens Sprinters trug und inzwischen mit 14 Triumphen der erfolgreichste deutsche Teilnehmer der bedeutendsten RadEtappenfahrt der Welt ist.
Damit nichts dem Zufall überlassen wird, hat sich Kittel im April den ersten Tour-Abschnitt sowie das Finale der zweiten Etappe schon selbst angeschaut. „Die Strecken liegen an der Küste. Da kann viel Wind das Feld zerreißen. Deshalb ist es wichtig, auf alles vorbereitet zu sein“, sagt der Thüringer, für den die Tour de France der unumstrittene Höhepunkt der Saison darstellt. Das unglaublich schwere WM-Straßenrennen von Kufstein nach Innsbruck am 30. September mit seinen fast 4700 Höhenmetern auf den 260 Kilometern ist für ihn kein Thema.
Dass manche Dinge – auch im Radsport – erst dann zu klären sind, wenn es richtig ernst wird, Felix Brügmann Im neuen Trikot der Mannschaft Katusha-Alpecin feierte Sprinter Marcel Kittel im März seinen ersten Saisonsieg. Foto: Imago
erlebte er gerade in diesem Jahr. Kittel war zum Team KatushaAlpecin um Ex-Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin und Rick Zabel gewechselt und hatte große
Erwartungen geweckt, nachdem er in der vergangenen Saison noch im Trikot von QuickStep Floors zu 14 Erfolgen gerast war. Aber es dauerte bis zum
8. März, bevor Kittel bei der italienischen Rundfahrt TirrenoAdriatico seinen ersten Sieg in diesem Jahr feierte, bevor er vier Tage später seinen zweiten Erfolg verbuchte. „Wir mussten uns erst in der Mannschaft zusammenfinden. Das braucht seine Zeit. Deshalb bin ich auch überhaupt nicht enttäuscht“, sagt Kittel über den Prozess des Zusammenwachsens: „Man muss schauen, wie jeder tickt.“
Der Thüringer aber wurde auch im neunten Jahr seiner Profilaufbahn mit allen Widrigkeiten des Radsports konfrontiert. Bei seiner Premiere beim Klassiker Mailand–Sanremo über 294 Kilometer überraschte ihn ein Hungerast, und er quälte sich mit Müh und Not ins Ziel. „Mein Ofen war völlig aus. Man muss essen, auch wenn man keinen Hunger hat“, sagt Kittel beim Blick zurück. Und beim Scheldeprijs verhinderten drei platte Reifen seinen sechsten Sieg beim niederländischen Eintagesrennen.
KalifornienRundfahrt der nächste Härtetest
Zu den Annehmlichkeiten des Frühjahrs gehörte für ihn derweil ein Abstecher in die Heimat, wo Kittel in Erfurt als Thüringer Sportler des Jahres 2017 geehrt wurde und er im Kreise der Familie in Ichtershausen am Grill von den ersten Rennen des Jahres abschalten konnte. Das deutsche Rennen Eschborn– Frankfurt/Main mit dem für ihn als Sprinter unglaublich steilen Anstieg mit teilweise 23 Prozent zum Mammolshainer Berg nahm er mit, um Wettkampfkilometer zu sammeln.
Nun also bringt sich Kittel in den Höhen von Colorado in Schwung, wo er gemeinsam mit Teamkollege Rick Zabel trainieren wird. Am 13. Mai startet er in die Kalifornien-Rundfahrt, wo er 2012 schon einmal dabei war. Zur Vorbereitung auf die Tour de France zählen zudem die Slowenien-Rundfahrt (13. bis 17. Juni) und die deutschen Straßen-Meisterschaften vom 29. Juni bis 1. Juli in Einhausen. „Dann wollen wir mit der besten Mannschaft in Frankreich an den Start gehen“, sagt Kittel.