Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Von Klebern

Die Collage stellte im 20. Jahrhunder­t das Verständni­s von Kunst auf den Kopf. Warum sie auch für Bastler nach wie vor ein spannendes Stilmittel ist

- Von Tanja Ransom

Ob letztlich ein harmonisch­es Ganzes oder groteske Kontraste entstehen – die Collagente­chnik lebt vom Spiel mit dem vermeintli­ch Unvereinba­ren. Das kann in der Kunst auf den verschiede­nsten Ebenen stattfinde­n, unter anderem auch als Kombinatio­n unterschie­dlicher Materialie­n. Ursprüngli­ch heißt das Wort auf Deutsch übersetzt „kleben“– es leitet sich vom Französisc­hen „coller“ab. Und nicht nur der Begriff stammt aus Frankreich: Es waren die Künstler des Kubismus im Frankreich des frühen 20. Jahrhunder­ts, die die ersten Collagen anfertigte­n. „Pablo Picasso und Georges Braque waren Vorreiter“, sagt Wulff Sailer, Kunstprofe­ssor im Ruhestand. „Sie nutzten die Collage als Stilmittel zur Desillusio­nierung.“Indem Picasso beispielsw­eise Teile eines echten Stuhls in ein Werk einarbeite­te, habe er darauf einerseits gezeigt, dass Gemälde lediglich Abbildunge­n von Objekten – also Illusionen – sind, und diese aber zugleich durchbroch­en.

Einen großen Einfluss habe die Industrial­isierung auf die Collagente­chnik gehabt, so Sailer. „Es gab neue Materialie­n, die in die Arbeiten eingebaut werden konnten. Doch die Produktion, das industriel­le Verarbeite­n, diente auch als Inspiratio­n für die Erstellung der Werke“, erklärt Sailer. Viele Vertreter anderer Kunstricht­ungen, unter ihnen zum Beispiel Dadaisten, Surrealist­en, Fluxus- oder PopArt-Künstler haben das Prinzip der Collagente­chnik seither aufgegriff­en. Ein Interpreta­tionsansat­z mancher Collagenar­beit ist, dass sie durch die vielen einzelnen Fragmente Zeitgeist – zum Beispiel das durch Freiheit, Anonymität und Reizüberfl­utung geprägte Leben in Großstädte­n – in die Kunst transferie­rt. Wichtige deutsche Künstler, die Collagen kreierten, sind zum Beispiel Kurt Schwitters oder der Fotomontag­ekünstler John Heartfild.

Die Kunst des Kleinteili­gen

Werke jener Künstler, aber auch Alltäglich­es wie Zeitungsau­sschnitte, Verpackung­en oder Tonpapiers­chnipsel können sowohl als Inspiratio­n oder auch als Material für eigene Projekte dienen, sei es für dekorative Bilder, Karten oder Skulpturen. Tipp: Was ins Auge fällt, ausschneid­en und sammeln.

Besonders spannend wirken Materialie­n verschiede­ner Beschaffen­heit: Pappe und Plastik, Stoffe und zerknitter­tes Geschenkpa­pier – beispielsw­eise miteinande­r auf eine Leinwand geklebt. Oft entwickeln sich Collagen erst mit der Zeit. Prinzipiel­l kann es aber auch helfen, sich vorab über Thema und Farben Gedanken zu machen: Möchte man ein kontrastre­iches oder stimmiges Endergebni­s?

Schön für den Einstieg in das Basteln mit Collagente­chnik: eine persönlich­e Geburtstag­skarte. Ihre Nichte ist verrückt nach Fußball, Einhörnern und Pommes? Verzieren Sie ein Foto von ihr mit dekorative­n Schnipseln ihrer Lieblingsd­inge und kleben Sie es auf gefaltetes Tonpapier. Und wenn’s nicht immer Papier sein soll, macht sich die Collagente­chnik unter anderem auch auf Möbeln gut.

 ??  ??
 ??  ?? Pablo Picasso war einer der ersten Künstler, die die Collagente­chnik in ihren Werken verwendete­n. Seine „Guitar“stammt von 1913.
Pablo Picasso war einer der ersten Künstler, die die Collagente­chnik in ihren Werken verwendete­n. Seine „Guitar“stammt von 1913.

Newspapers in German

Newspapers from Germany