Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Kaufmann stellt sich Fraktionen vor
OLGPräsident war bis vor wenigen Monaten CDUMitglied und würde gerne Verfassungsgerichtspräsident werden
Stefan Kaufmann hat heute ab 9 Uhr im Landtag Vorstellungsrunden im Halbstundentakt. Zunächst spricht der Präsident des Oberlandesgerichts bei den CDU-Abgeordneten vor, anschließend bei den Koalitionsfraktionen, schafft aber nur Linke und SPD. Die Grünen haben ihn ebenfalls eingeladen, aber hier muss Kaufmann aus Termingründen passen. Nicht angefragt habe ihn die AfD, sagt er.
Der Grund für den vormittäglichen Stress: Kaufmann, 64, ist von der Union als neuer Präsident des Verfassungsgerichtshofs ins Spiel gebracht worden und hat jetzt die Gelegenheit, das noch nicht von ihm überzeugte Regierungslager mit ins Boot zu holen. Dass es nach allerlei Zwist zwischen dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring und der LinkeFraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow jetzt kurzfristig zu einem Gespräch mit Kaufmann kommt, gilt als zumindest kleines Konsenssignal. Für Rot-RotGrün ist es offenbar nicht mehr unmöglich, einen Oppositionskandidaten zu akzeptieren. Zumal dieser parteilos ist – aber seit wann eigentlich?
Er sei „im ersten Quartal 2018“aus der CDU ausgetreten, genau wisse er es auf Anhieb nicht, sagt Kaufmann auf Anfrage der TLZ. Mit der aktuellen Personalie habe das nichts zu tun. Es sei „ein langer, schleichender Prozess“von sechs, sieben Jahren gewesen, bis die Entscheidung gefallen sei.
Im Landtag wird kolportiert, Kaufmann habe der Union wegen der Flüchtlingspolitik von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rücken gekehrt. „Das ist falsch“, betont Kaufmann. Aber weiter, fügt er hinzu, möchte er sich zu dem Thema nicht äußern.
Und wie lange hat er der CDU angehört? Seit etwa 1999, 2000, sagt Kaufmann. Er habe aber nie ein Amt übernommen und sei eher eine „Karteileiche“gewesen. Und vor allem, hebt er hervor, sei er nicht aus Karrieregründen eingetreten, sondern zu einer Zeit, als er davon überzeugt gewesen sei, als Präsident des Justizprüfungsamtes am Ende des Berufsweges zu sein.
Das jedoch war ein Trugschluss. Kaufmann schaffte es weiter nach oben. Der damalige Justizminister Harald Schliemann (CDU) wurde auf den erfahrenen Beamten aufmerksam und machte ihn zu seinem Zentralabteilungsleiter (2004 bis 2006), danach zum OLG-Präsidenten.
Kaufmann ist überzeugt, auch als Chef des Verfassungsgerichts unabhängig urteilen zu können: „Das Parteibuch spielt für mich keine Rolle. Ich entscheide nach Sachlage und höre mir alle Argumente an.“Und: In anderen Bundesländern sei es durchaus üblich, dass OLG-Präsidenten das Verfassungsgericht führen, sagt er.
Kaufmann, der am 30. Dezember 65 wird, hat einen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gestellt. Sein letzter Arbeitstag wird der 30. September sein. Bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres könnte er dann noch im Verfassungsgericht präsidieren. Wenn er denn gewählt wird. Die nächste Chance dazu gäbe es in der kommenden Woche im Landtag.
In dieser Frage sind CDU, Linke, SPD und Grüne aufeinander angewiesen, denn die Verfassung schreibt für die Wahl des Verfassungsgerichtshofpräsidenten eine Zweidrittel-Mehrheit vor. Die Koalitionäre befürworten aber weiter die Präsidentin des Verwaltungsgerichts in Weimar, Elke Heßelmann, die Mitglied der Grünen ist.
So langsam allerdings drängt die Zeit. Schließlich ist der vormalige Verfassungsgerichtspräsident Manfred Aschke bereits am 21. März mit dem Erreichen der Altersgrenze ausgeschieden. Zwar ist der Hof auch ohne Chef vorübergehend arbeitsfähig, dennoch kommt es für manchen einem Armutszeugnis gleich, dass ein Verfassungsorgan wegen politischer Ränke so lange ohne Spitze bleibt.
Auch im Verfassungsgericht selbst sieht man das so. Es sei „wünschenswert, dass die Nachbesetzung des Präsidentenamts schnellstmöglich erfolgt“, sagte Verfassungsrichter Klaus-Dieter von der Weiden gestern bei der Eröffnung der mündlichen Verhandlung zu einer Klage der AfD-Landtagsfraktion. Kurios dabei: Von der Weiden selbst galt einst als CDU-Kandidat für den höchsten Posten.
Der Widerstand gegen Kaufmann scheint indes zu bröckeln. Der OLG-Präsident gelte als „kollegial, lasse sich nicht reinreden und habe einen hohen, intellektuellen Sachverstand“, sagt ein Koalitionär im Gespräch mit dieser Zeitung.
„Das Parteibuch spielt für mich keine Rolle. Ich entscheide nach Sachlage und höre mir alle Argumente an.“
Stefan Kaufmann, Gerichtspräsident