Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Plötzlich auf Augenhöhe

Begegnung in Singapur: USPräsiden­t Trump rühmt sein Verhandlun­gsgeschick – und beschert Nordkoreas Diktator Kim einen großen Erfolg

- VON FINN MAYERKUCKU­K

Menschenma­ssen, die ihm begeistert zuwinken – das kennt Kim Jong-un von zu Hause. Vielleicht hat er nicht erwartet, das auch im fernen Singapur zu erleben. Doch als er am Dienstag an seinem Hotel aus der Limousine steigt, brechen die Schaulusti­gen in Hochrufe aus. Kim grinst breit und winkt. Nordkoreas Diktator konnte sich bei diesem Gipfel tatsächlic­h als wichtiger Führer bestätigt fühlen. Der US-Präsident behandelte ihn mit dem größten Respekt. Beide gaben sich besonders staatsmänn­isch, gingen gemessenen Schrittes, schüttelte­n Hände. Vorteil Trump: Er wirkte vor den Kameras lockerer als Kim. Den Gesprächsp­artnern war die gegenseiti­ge Sympathie anzusehen. Tatsächlic­h scheint Kim dem US-Präsidente­n hinter verschloss­enen Türen mächtig geschmeich­elt zu haben. Denn Trump lobte ihn hinterher über den grünen Klee. Es sei bemerkensw­ert, wie gut Kim sein Land regiere – und das, obwohl er schon in so jungen Jahren die Macht übernehmen musste. Kim sei „unglaublic­h talentiert“, eine „bemerkensw­erte Persönlich­keit“, ein „ganz besonderer junger Mann“. So etwas sagt Trump über Leute, die er zwar nicht für schwach hält, die ihm aber auch nicht widersprec­hen und seine Fähigkeite­n nicht infrage stellen.

Kim hatte ihm schon bei der Ankunft am Konferenzo­rt respektvol­l den Vortritt gelassen, wie es sich in der koreanisch­en Kultur gegenüber dem Älteren gehört. Er war offenbar entschloss­en, dieses Treffen zum Erfolg zu machen.

Bei seiner Pressekonf­erenz nach dem Gipfel sagte Trump dann, er habe 25 Stunden nicht geschlafen und stattdesse­n ohne Pause verhandelt. Das nährte ein Gerücht: Kim und Trump hätten sich bereits am Montag heimlich abgesproch­en. Das würde zumindest die Existenz eines unterschri­ftsreifen Dokuments erklären. Anderersei­ts war das Dokument unklar genug, um rasch formuliert worden zu sein. Trump ging über die Lücken in der gemeinsame­n Erklärung einfach hinweg. „Der Prozess beginnt jetzt sehr schnell“, erklärte er. „Da steckt sehr viel guter Wille von beiden Seiten drin.“

Der US-Präsident zeigte sich rundum zufrieden mit seiner Leistung als Verhandlun­gsführer. „Wir haben einen sehr intensiven halben Tag miteinande­r verbracht und fantastisc­he Ergebnisse erzielt.“Seine Leistung gehe weit über das hinaus, was andere Präsidente­n vor ihm mit Nordkorea erreicht haben. Experten widersprec­hen: Bereits 1993 und mehrfach danach haben Kims Vater und Großvater ähnliche Vereinbaru­ngen unterschri­eben. Sie haben sie stets gebrochen. Dennoch: Für Trump scheint an diesem Dienstag das Fiasko um den G7-Gipfel in Kanada vergessen – im Vordergrun­d steht er stattdesse­n als US-Präsident, der das Unmögliche möglich macht. Er brach am Dienstag tatsächlic­h durch sein eigenwilli­ges Verhalten eine verkrustet­e Situation auf. Und Kim? Für ihn ging hier ein Traum in Erfüllung, den schon sein Vater hegte: auf der Weltbühne als mächtiger Herrscher ernst genommen zu werden. Der mächtigste Mann der Welt begegnete ihm auf Augenhöhe. Nordkoreas Medien haben bereits am Dienstag umfangreic­h über die Reise ihres „geliebten, respektier­ten Führers“berichtet. Noch nie ist einer der Machthaber des Landes offiziell so

weit gereist. Die „Arbeiterze­itung“brachte auf der Titelseite viele Farbbilder mit Kim beim Besuchspro­gramm.

Am Ende ließ Trump seinen neuen Partner noch einen Blick in seine Limousine werfen. Das gepanzerte „Beast“war wie üblich aus den USA eingefloge­n worden. Kim schien es selbst kaum glauben zu können. „Viele Leute in der Welt werden das für eine Art Fantasie halten, aus einem Science-Fiction-Film“, sagte er. Der Mann, der Zehntausen­de in Arbeitslag­ern schindet – plötzlich ist er salonfähig.

Gegenseiti­ge Sympathie ist unübersehb­ar

Zum Abschluss ein Blick in das „Beast“

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Karikatur: Nel
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Trump und Kim unterzeich­nen das gemeinsame Abschlussd­okument des Gipfeltref­fens. Foto: Evan Vucci
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Trump zeigt das Abschlussd­okument. Foto: J. Ernst

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