Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Was sind die Beschlüsse von Singapur wert?
Nach dem Gipfel zwischen den USA und Nordkorea scheint die unmittelbare Kriegsgefahr gebannt. Doch viele Fragen bleiben offen
Große Worte, wenig Konkretes und ein Händedruck von 13 Sekunden. Der Atom-Gipfel zwischen USPräsident Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jongun ist vorüber. Die Kriegsgefahr scheint erst einmal gebannt. Begonnen hat der Kampf um die Deutungshoheit. Erfolg oder Misserfolg?
Welche Atomwaffen befinden sich auf der koreanischen Halbinsel?
Amerika hatte seine Atomwaffen (in der Spitze fast 1000) Anfang der 90er-Jahre unter Präsident George H. W. Bush aus Südkorea abziehen lassen. Nordkorea hat spätestens seit 2005 ein Arsenal von 30 bis 60 Atomsprengköpfen entwickelt und die dazu nötigen Trägerraketen, die laut Pentagon Ziele in Amerika erreichen könnten. Unabhängige Informationen dazu gibt es nicht, weil Nordkorea keine Kontrolleure ins Land lässt.
Was setzt Amerika dem Waffenarsenal Nordkoreas entgegen?
Die USA könnten Nordkorea im Falle einer Konfrontation mit wenigen Knopfdrücken vollständig zerstören. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts verfügt Amerika über rund 6800 Nuklearsprengköpfe, 1800 davon sind – zu Lande, zu Wasser und aus der Luft – unmittelbar einsatzbereit. Das Gros ist in den USA stationiert, ein Teil in Europa. Der Standort ist aber unerheblich, weil die Atomwaffen von überall aus einsetzbar sind. Flugzeit von Alaska nach Pjöngjang: etwa 40 Minuten. Der Präsident hat alleinige Verfügungsgewalt über die Atomwaffen.
Was bedeutet „vollständige Denuklearisierung“?
Trump geht davon aus, dass der von Experten auf 15 Jahre taxierte Prozess des Atomwaffenabbaus „sehr, sehr schnell“beginnt und von internationalen Akteuren überprüft werden kann. Er entnimmt seine Zuversicht den Gesprächen mit Kim, die „ehrlich und direkt“verlaufen seien, wie der US-Präsident sagt. Nordkorea, das wurde bereits vor dem Gipfel deutlich, versteht darunter etwas anderes: eine „schrittweise und synchrone“Abrüstung auf beiden Seiten. Inklusive Lockerung der Sanktionen, die das bitterarme Land strangulieren.
Für Kim zählt dazu auch ein Teilabzug der zurzeit rund 30 000 in Südkorea stationierten US-Soldaten. Trump hat sich dazu nicht verbindlich geäußert. Ein Ende der Sanktionen werde es erst geben, „wenn wir sicher sind, dass Atomwaffen keine Rolle mehr spielen“, sagte er am Dienstag. Als hoffnungsvolles Zeichen wertet Trump, dass Nordkorea just die Zerstörung eines Testgeländes für Raketenantriebe angeordnet habe.
Was sind die Schwachstellen des Abkommens ?
Sämtliche Beschlüsse über die künftige atomwaffenfreie Zone Nordkorea sind in der Sprache bombastisch, in der Sache jedoch vage. Zeitliche Festlegungen fehlen. Selbst die alte Forderung der Amerikaner, der Verzicht Nordkoreas auf Atomwaffen müsse „vollständig, überprüfbar und unumkehrbar“sein, hat es nicht in die Dokumente geschafft. Präsident Trump begründete dies mit „Zeitmangel“und verwies auf weitere Verhandlungen.
Aber: An dieser Stelle – werfen ehemalige Regierungsvertreter in Washington ein – „waren die USA schon mehrfach mit Nordkorea“.
Welchen Wert haben Trumps Sicherheitsgarantien für Kim?
Es gibt bisher nichts Verbindliches, etwa eine schriftliche Erklärung, dass die USA in Nordkorea keinen Regimewechsel anstreben und die für grausame Menschenrechtsverletzungen bekannte Führung Kims unangetastet lassen, wenn die Atomwaffen vollständig abgebaut sein sollten. Das weitreichendste Zugeständnis ist der von Trump angekündigte Verzicht auf die seit vielen Jahren durchgeführten Militärübungen mit Südkorea. Der US-Präsident nennt sie plötzlich „teure, provokative Kriegsspiele“. Ob die Übungen sofort eingestellt werden oder erst nach belegbaren Anstrengungen Nordkoreas, ist unklar.