Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Ohne Rücksicht auf Verluste
Zwischen CDU und CSU ist der Streit um die Flüchtlingspolitik wieder aufgeflammt – und er wird so unerbittlich geführt wie 2015
Sie stecken die Köpfe zusammen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Bundesinnenminister, Horst Seehofer (CSU), treffen am Dienstag im Sitzungssaal der Unionsfraktion aufeinander – erstmals öffentlich seit der neuen harten Auseinandersetzung über die Flüchtlingspolitik in der Union.
Die Diskussion ist zurück auf dem Stand von 2015 – hitzig und gefährlich für die Union. CDU und CSU sitzen wie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 in den ideologischen Schützengräben. Seehofer geißelte damals Merkels Entscheidung, an der Grenze keine Flüchtlinge zurückzuweisen, nannte ihr Vorgehen eine „Herrschaft des Unrechts“und drohte mit einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Diesmal ist Seehofer aber nicht mehr Ministerpräsident Bayerns. Er sitzt als Bundesinnenminister im Kabinett Merkel. Sie ist seine Chefin.
Seehofer wollte am Dienstag seinen Asyl-Masterplan vorstellen. Doch er wurde zurückgepfiffen. Zu heftig stritten Merkel und Seehofer über einen Punkt: Der Plan sieht vor, Migranten zurückzuweisen, die bereits in einem anderen europäischen Land als Asylsuchende aufgetreten sind. Nach CSU-Lesart ist die Zurückweisung die geltende Rechtslage in Europa. Denn das Dublin-System sieht vor, dass Asylverfahren in den EU-Ländern stattfinden sollen, in denen die Flüchtlinge zuerst registriert wurden. Die CSU argumentiert, Härte an der Grenze wirke abschreckend. Merkel dringt indes auf europäische Lösungen. Ein EU-Gipfel Ende Juni soll darüber konkret entscheiden.
Seehofer steht massiv unter Druck. Bayern befindet sich im Landtagswahlkampf. Und die CSU will ihre absolute Mehrheit verteidigen. Ministerpräsident Markus Söder will nicht nach der Wahl eine Koalition bilden müssen und zielt auch auf Stimmen von AfD-Sympathisanten.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat am Montag betont, die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze müsse Teil des Masterplans sein. „Wir setzen den Punkt durch“, sagt Dobrindt am Dienstag in der CSU-Landesgruppe. Es gehe darum, die Funktionsfähigkeit des deutschen Asylrechts wiederherzustellen. Dobrindt betont, 2017 habe Frankreich 85 000 Personen zurückgewiesen. Diese Zahl stammt aus Angaben der Regierung in Paris. Frankreich weist seit 2015 Migranten zurück. Die EU-Kommission hat das nie beanstandet.