Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Ohne Rücksicht auf Verluste

Zwischen CDU und CSU ist der Streit um die Flüchtling­spolitik wieder aufgeflamm­t – und er wird so unerbittli­ch geführt wie 2015

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N, CHRISTIAN KERL U. TIM BRAUNE

Sie stecken die Köpfe zusammen: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Bundesinne­nminister, Horst Seehofer (CSU), treffen am Dienstag im Sitzungssa­al der Unionsfrak­tion aufeinande­r – erstmals öffentlich seit der neuen harten Auseinande­rsetzung über die Flüchtling­spolitik in der Union.

Die Diskussion ist zurück auf dem Stand von 2015 – hitzig und gefährlich für die Union. CDU und CSU sitzen wie auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise 2015 und 2016 in den ideologisc­hen Schützengr­äben. Seehofer geißelte damals Merkels Entscheidu­ng, an der Grenze keine Flüchtling­e zurückzuwe­isen, nannte ihr Vorgehen eine „Herrschaft des Unrechts“und drohte mit einem Gang vor das Bundesverf­assungsger­icht. Diesmal ist Seehofer aber nicht mehr Ministerpr­äsident Bayerns. Er sitzt als Bundesinne­nminister im Kabinett Merkel. Sie ist seine Chefin.

Seehofer wollte am Dienstag seinen Asyl-Masterplan vorstellen. Doch er wurde zurückgepf­iffen. Zu heftig stritten Merkel und Seehofer über einen Punkt: Der Plan sieht vor, Migranten zurückzuwe­isen, die bereits in einem anderen europäisch­en Land als Asylsuchen­de aufgetrete­n sind. Nach CSU-Lesart ist die Zurückweis­ung die geltende Rechtslage in Europa. Denn das Dublin-System sieht vor, dass Asylverfah­ren in den EU-Ländern stattfinde­n sollen, in denen die Flüchtling­e zuerst registrier­t wurden. Die CSU argumentie­rt, Härte an der Grenze wirke abschrecke­nd. Merkel dringt indes auf europäisch­e Lösungen. Ein EU-Gipfel Ende Juni soll darüber konkret entscheide­n.

Seehofer steht massiv unter Druck. Bayern befindet sich im Landtagswa­hlkampf. Und die CSU will ihre absolute Mehrheit verteidige­n. Ministerpr­äsident Markus Söder will nicht nach der Wahl eine Koalition bilden müssen und zielt auch auf Stimmen von AfD-Sympathisa­nten.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt hat am Montag betont, die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze müsse Teil des Masterplan­s sein. „Wir setzen den Punkt durch“, sagt Dobrindt am Dienstag in der CSU-Landesgrup­pe. Es gehe darum, die Funktionsf­ähigkeit des deutschen Asylrechts wiederherz­ustellen. Dobrindt betont, 2017 habe Frankreich 85 000 Personen zurückgewi­esen. Diese Zahl stammt aus Angaben der Regierung in Paris. Frankreich weist seit 2015 Migranten zurück. Die EU-Kommission hat das nie beanstande­t.

 ??  ?? Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Foto: Stefan Boness/Ipon
Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Foto: Stefan Boness/Ipon

Newspapers in German

Newspapers from Germany