Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Nicht zum Wiehern
Über die Entdeckung der Langsamkeit
Für mich gibt es kaum etwas Entspannenderes, als den Tag morgens mit einem ruhigen Ausritt zu beginnen. Natürlich sollte es danach idealerweise nicht gerade hektisch weitergehen.
Doch wenn der Weg zur Arbeit zur einstündigen Stehparty zu werden droht, weil einige Behördenrösser auf allen Vieren lahm gehen, ist das zuviel Entschleunigung.
150 Meter in zehn Minuten, kurz nach der Autobahnabfahrt und Schloss Friedenstein immer noch als dunstverwaschene Silhouette am Horizont, Lasterfahrer die sich zwei bis drei Sattelzuglängen Zeit lassen, bevor sie das Gaspedal wieder bemühen, das wäre ein Erlebnis für jeden, der die Baustelle am Einfallstor Gothas verbockt hat.
Als Sahnehäubchen gibt es das konsequente Schweigen aus dem Verkehrsfunk: Denn gefühlt jeder verlorene Karton auf einer Einfallsstraße nach Leipzig oder Halle findet eine wohlbetonte Warnung. Nur die Tatsache, dass man von der Autobahn in die Gothaer Innenstadt selbst jenseits bekannter Stoßzeiten fast eine Stunde braucht, wird nicht erwähnt. Wie auch, wenn es keiner meldet...
Leute, wenn Euch im täglichen Gothaer Stau eh langweilig ist, flutet die Verkehrsportale im Internet und die Verkehrssender mit Euren Staumeldungen aus Gotha. Vielleicht merken die Verantwortlichen dann, „die Gegenwart ist plötzlich jetzt“.
Und ich überlege, ob ich meinen Ausritt nicht gen Redaktion plane, ich wär‘ wohl schneller. Aber die grünen Gerümpelbrachen an der Gartenstraße taugen leider nicht als Weide.