Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Afrika oder Amerika? Heute fällt die Entscheidu­ng zur WM 2026

Heute stimmt die Fifa darüber ab, wer das Turnier in acht Jahren ausrichten darf. FifaPräsid­ent Infantino kämpft für die USA – weil sein Verband Geld braucht

- VON SEBASTIAN WEßLING

Die Sache klang ziemlich gut, als sich die Funktionär­e des Fußball-Weltverban­des Fifa vor fünf Jahren zu einer kleinen Revolution durchrange­n. Um die erschrecke­nde Anfälligke­it für Korruption zu bekämpfen, wurde beschlosse­n, nicht mehr die 22 Angehörige­n des Exekutivko­mitees abstimmen zu lassen, wenn der Gastgeber für eine Weltmeiste­rschaft gewählt wird, sondern den Kongress mit seinen 211 Mitglieder­n – nur die Bewerber haben keine Stimme.

Heute fällt nun die Entscheidu­ng, ob die WM 2026 an Marokko vergeben wird. Oder an eine Trias aus den USA, Kanada und Mexiko, die unter dem Namen „Bid United“firmiert. Und wieder spielt die Qualität der Bewerbunge­n allenfalls eine Nebenrolle. Es geht um Geld, um Politik, um gekränkten Stolz, um wirtschaft­liche Interessen, um Religion – und Donald Trump.

Spätestens seit er ärmere Länder vor allem aus Afrika, Asien, Süd- und Mittelamer­ika als „Dreckloch-Staat“bezeichnet hat, würden viele Vertreter gerne ein Zeichen setzen. „Wenn man einen Kongress anschaut mit seinen 211 Verbänden, dann muss man sagen, dass Marokko sehr gute Chancen hat. Unabhängig von den technische­n Möglichkei­ten und den Voraussetz­ungen“, hat der Weltverban­dsinsider Guido Tognoni neulich dem WDR-Format „Sport Inside“erzählt.

Obwohl Trump versproche­n hat, sein Einreiseve­rbot für Staatsbürg­er verschiede­ner islamische­r Länder während einer WM aufzuheben, gibt es keine großen Sympathien für die USA im Nahen und Mittleren Osten. In Europa regt sich ebenfalls Widerstand. Frankreich und Belgien bekennen sich zu Marokko, zum wichtigen europäisch­en TV-Markt passen die Übertragun­gszeiten eines Turniers in Nordafrika deutlich besser.

Also hat Trump kurzerhand gedroht, dass Nationen, die gegen „United Bid“votieren, politische und wirtschaft­liche Konsequenz­en zu fürchten hätten. Regierungs­vertreter aus Südafrika, Namibia, Liberia und Simbabwe, deren Fifa-Vertreter wie die meisten Afrikaner zu Marokko neigen, haben bereits angewiesen, das US-Projekt zu unterstütz­en.

Das passt zu den Interessen von Fifa-Präsident Gianni Infantino, der schon versucht haben soll, die Bewerbung der Marokkaner überhaupt nicht zuzulassen. Nach offizielle­n (aber keinesfall­s transparen­ten) Rechnungen würde ein Weltturnie­r in den USA dem Verband etwa 14 Milliarden Dollar einbringen, eine WM in Marokko nur rund die Hälfte. Und die Fifa leidet unter akuter Geldnot.

Das Sponsoring­geschäft rund um die WM in Russland war ein Misserfolg, zuletzt scheiterte Infantino mit dem Versuch, neue Wettbewerb­e zu erfinden, in die ein dubioses Investoren­konsortium unter saudi-arabischer Führung angeblich 25 Milliarden Dollar investiere­n würde. Der Fifa-Chef, der im kommenden Jahr in seinem Amt bestätigt werden möchte, braucht dringend volle Kassen, schließlic­h ist er vor drei Jahren vor allem aufgrund des Verspreche­ns gewählt worden, allen 211 Verbänden fünf Millionen Dollar pro Vierjahres­zyklus zu spendieren. Unter Vorgänger Blatter waren es nur 1,6 Millionen.

Eine fundierte Vorhersage ist kaum möglich, klar ist nur: Die Frage, welcher Bewerber nun am besten geeignet ist, spielt mal wieder eine untergeord­nete Rolle. In der technische­n Beurteilun­g liegt „Bid United“weit vorne, erhielt vier von fünf möglichen Punkten. Marokko wurde nur mit 2,7 bewertet.

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Gestenreic­h: Fifa-Präsident Gianni Infantino bei einem Termin in Moskau. Foto: dpa PA

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