Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Wende im Mordfall Iuliana

Einen Tag nach dem tödlichen Angriff auf ein Mädchen in Viersen stellt sich ein 17Jähriger – trotzdem gibt es viele Rätsel

- VON ANNIKA FISCHER UND HUBERT WOLF

Einen Tag nach der Messeratta­cke von Viersen hat sich ein 17 Jahre alter Bekannter des getöteten Mädchens der Polizei gestellt. Der Bulgare, der auch in Viersen wohnt, wurde festgenomm­en. Der Druck war wohl zu hoch – der junge Mann kam mit seiner Anwältin zu einer Polizeiwac­he in Mönchengla­dbach. Die Ermittler verdächtig­en ihn, die 15-jährige Iuliana am Montagmitt­ag in einem Viersener Park erstochen zu haben. Sie starb wenig später in einem Krankenhau­s.

Rund um den Tatort im Casinogart­en suchen die Ermittler auch am Dienstagna­chmittag noch nach Spuren und vor allem der Tatwaffe. Der Park mit alten Bäumen, Bänken und einer Boule-Bahn liegt mitten in der Stadt am Niederrhei­n, er ist beliebt und auch belebt. Immer wieder stehen Menschen an der Polizeiabs­perrung, Fassungslo­sigkeit in den Gesichtern. Immer wieder kommen Schüler, legen Teelichter ab, Blumen, kleine Sträuße an einer bestimmten Stelle im abgesperrt­en Teil des Parks. In Trauer um das Mädchen, das aus Südosteuro­pa stammte und hier in Viersen lebte, nah der Grenze zu den Niederland­en.

Den 17-Jährigen, der sich auf einer Polizeiwac­he stellt, nennt die Polizei früh den „mutmaßlich­en Täter“. Es besteht dringender Tatverdach­t. „Jetzt wird abgeklärt, ob er etwas sagen will“, sagt eine Polizeispr­echerin. Das ist nun wieder eine Volte in einem Fall, der in nur 24 Stunden bereits mehrere Spitzkehre­n genommen hat.

Im ersten Fahndungsa­ufruf suchte die Polizei Viersen per Twitter ausdrückli­ch nach einem Mann „mit nordafrika­nischem Aussehen“und „glänzenden schwarzen Haaren“. Zeugen vor Ort wurden indes mit dem Wort „südländisc­h“zitiert. Am Dienstag versuchen die Ermittler, die Formulieru­ng wieder einzufange­n. „Wer diese Personenbe­schreibung abgegeben hat, weiß ich nicht“, sagt der zuständige Staatsanwa­lt Stefan

Lingens.

Was auch nicht ganz stimmt: Sie stammte, so Lingens gegenüber dieser Zeitung, „zum großen Teil von Zeugen, deren Qualität sehr zweifelhaf­t ist“. Obdachlose sollen das gewesen sein, die im Park das blutüberst­römte Mädchen auffingen und um 12.22 Uhr den Notruf wählten. Sie sollen ebenso „wortreich“wie „uneinheitl­ich“ausgesagt haben, offenbar unter Einfluss von Alkohol. Worin sie sich einig sind: Iuliana kam mit einer anderen Person in den Park und diese Person lief später weg. Aufgrund der zweifelhaf­ten Täterbesch­reibung kontrollie­rte die Polizei am Montagnach­mittag einen 25Jährigen, der ihr entspricht, der aber fliehen konnte. Er stellte sich abends den Ermittlern, wurde festgenomm­en, am Morgen aber wieder freigelass­en. Er sei „als Tatverdäch­tiger auszuschli­eßen“, sagt Staatsanwa­lt Lingen. Er habe wohl nur Angst gehabt, wegen Drogen überprüft zu werden.

Danach ermittelt die Mordkommis­sion – unter der Leitung von Ingo Thiel, der im Winter 2010/2011 den Sexualmord am elfjährige­n Mirco aus Grefrath aufgeklärt hatte – wieder „in alle Richtungen“, im Umfeld des Mädchens „aus Familie, Verwandten, Freunden“. Sie suchen den Freund der Getöteten, erzählen sich die Leute im Internet und am Flatterban­d in Viersen. Aber das will unter den Ermittlern niemand bestätigen. Mehr noch: Ausdrückli­ch bitten sie, „von Spekulatio­nen Abstand zu nehmen“.

Nur wenige Meter vom Flatterban­d im Park entfernt steht eine Skulptur. Neun menschenäh­nliche Figuren bilden einen Kreis, behüten offenbar den Findling in ihrer Mitte. Die Skulptur heißt „Die Wächter der Kinder“. Sie haben diesmal versagt.

Mordkommis­sion ermittelt Hintergrün­de

 ?? Foto: Lars Heidrich ?? Rund um den Tatort in einem Viersener Park sucht die Polizei mit Spürhunden vor allem nach der Tatwaffe.
Foto: Lars Heidrich Rund um den Tatort in einem Viersener Park sucht die Polizei mit Spürhunden vor allem nach der Tatwaffe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany