Thüringische Landeszeitung (Gotha)
Handwerker setzen auf Lerneffekte in Verwaltung
KammerPräsident Lobenstein stellt Standorttest vor – Eichsfeld vorn, Erfurt ist Schlusslicht
Die Handwerkskammern Erfurt und Südthüringen haben die Stadt- und Kreisverwaltungen in ihren Geschäftsbereichen auf Herz und Nieren geprüft. Im Mittelpunkt der Befragung stand: Wie gut sind die Bedingungen für die Handwerker in der jeweiligen Region?
„Das Ergebnis hat uns nicht überrascht“, sagt Kammerpräsident Lobenstein dieser Zeitung. Gewonnen hat der Landkreis Eichsfeld, das Schlusslicht bild die Verwaltung der Landeshauptstadt Erfurt. Der Standorttest im Rahmen der Kommunalwahl in diesem Jahr ist jetzt ausgewertet worden.
Lobenstein kündigt an, dass die Kammer vor allem das Gespräch mit den Verwaltungen suchen wolle, in denen es nicht so rund laufe wie im Eichsfeld. „Wir hoffen auf einen Lerneffekt, wenn wir aufzeigen, was anderswo besser läuft“, so Lobenstein. Die Auszeichnung für den Landkreis Eichsfeld geht vor allem auf gute Bewertungen in den Bereichen zurück, für die auch die Kommunen Verantwortung tragen – beispielsweise auf eine gute Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Gewerbeflächen. Aber auch, dass die Entscheider in den Behörden stets gut erreichbar seien, wird positiv angemerkt.
Von den zehn angeschriebenen Verwaltungen im Kammerbezirk Erfurt hat sich lediglich der Ilm-Kreis nicht beteiligt.
Die Verantwortlichen hätten die Gelegenheit gehabt, die Fragen auch unehrlich zu beantworten. Es ging den Handwerkern darum, dass sich die Verwaltungen selbst einschätzen. „Für das Eichsfeld kann ich die Selbsteinschätzung der Verwaltung bestätigen“, würdigt Kreishandwerksmeister Jürgen Kratzer. Platz zwei erreichte der Wartburgkreis, auf Platz drei kam Weimar.
Diese Frage gehört beantwortet: Wo soll die Plakette hängen, die ausweist, dass die Verantwortlichen der Handwerkskammer Erfurt die Verwaltung im Landkreis Eichsfeld für besonders handwerkerfreundlich halten? Eine Antwort gibt sodann der Hausherr. Landrat Werner Henning (CDU) wird sie am Haus III der Kreisverwaltung anbringen lassen, „weil die praktischen Abteilungen“dort beheimatet sind; beispielsweise die Bauaufsicht.
Wie der Landkreis Eichsfeld zu der Ehre kommt, das erklärt sich aus einer Befragung, die die Handwerkskammer Erfurt gemeinsam mit der Handwerkskammer Südthüringen vor der Kommunalwahl durchgeführt hat. Sie wollte die Verwaltungen vor Ort zu einer Selbsteinschätzung ihrer Handwerkerfreundlichkeit bewegen. Für den Kammerbezirk Erfurt, mithin den größten im Freistaat, ist das in neun von zehn Verwaltungen gelungen – und das Eichsfeld schnitt mit 235 von 260 Punkten besonders gut ab.
„Ein Ergebnis, das uns nicht überrascht. Man sieht, dass hier die Wirtschaft funktioniert“, sagt Stefan Lobenstein, Präsident der Handwerkskammer. In der Befragung spielten vor allem Gewerbeflächen und ihre Verfügbarkeiten, aber auch Steuerhebesätze, die Erreichbarkeit von Entscheidern oder Energiepreise eine Rolle. In den letztgenannten Kategorien steht der Landkreis Eichsfeld gegenüber den anderen Verwaltungen besonders gut da. Landrat Henning sieht in der Auszeichnung eine Würdigung für über viele Jahre gewachsene Strukturen in der Nordthüringer Region. „Unser Erfolg hat auch etwas damit zu tun, dass sich Verwaltung nicht als politisch und nicht als überbordend ansieht“, sagt er. In der Kreisverwaltung aber auch in den Verwaltungen
der Kommunen gehe man vielerorts davon aus, dass jeder „weiß, was er zu tun und zu lassen hat“. Jeder wolle einen guten Job machen nach allen Vorschriften, die existieren.
Ist das in Erfurt anders? Immerhin schneidet die Landeshauptstadt gehörig schlechter ab, kommt auf 100 Punkte weniger. „Uns hat auch dieses Ergebnis nicht wirklich überrascht“, macht Lobenstein, selbst Unternehmer in Erfurt, deutlich. Allein die Frage nach den durchschnittlichen Steuerhebesätzen sorge für einen erheblichen Minuspunkt für Erfurt. Die Unterschiede, das habe der Fragebogen gezeigt, seien deutlich. Aber auch die Erreichbarkeit der Entscheider sei in Erfurt nicht derart gut ausgeprägt, wie das im Eichsfeld Fall sei. Im Kern, macht Lobenstein deutlich, „geht es aber nicht um Gewinner oder Verlierer“. Wichtig sei den Kammerverantwortlichen, dass die Verwaltungen vor Ort dafür sensibilisiert werden, dass
ihre Handwerker Interessen haben. Wo das nicht so gut funktioniere, solle das Gespräch gesucht werden.
Der Landkreis Eichsfeld verfügt mit den kreiseigenen Betrieben „Eichsfeldwerke“zudem über einen besonderen Faktor, der seit der Gründung in den 1990er-Jahren mehr als 500 Millionen Euro in der Region investiert hat – viel Geld, das zuvorderst an Betriebe in der Region fließen konnte, die die Aufträge abgewickelt haben. Zudem schreibt die Verwaltung ihre Aufträge nach wie vor gewerkescharf aus und achtet dabei darauf, dass viele von Unternehmen in der Region abgewickelt werden können. „90 Prozent der Aufträge werden von unseren
Betrieben abgewickelt“, sagt der stellvertretende Landrat Gerald Schneider (CDU), der in der Verwaltung auch die Fachaufsicht über die Bauthemen hat.
Aus Sicht der Kammerverantwortlichen existiert im Landkreis Eichsfeld zudem ein deutlich ausgeprägteres „Wir“-Gefühl. Und dennoch sehen sowohl die Handwerker als auch die Verantwortlichen in der Region, dass das Interesse der Handwerksbetriebe, für die öffentliche Hand zu arbeiten, nicht sonderlich groß ist. „Viele wollen das nicht, weil sie keine 40 Seiten Anträge ausfüllen wollen“, sagt Gerald Schneider. Stefan Lobenstein und HandwerksGeschäftsführer Thomas Malcherek nicken zustimmend.
Kein Interesse an „40 Seiten Anträge“